Que(e)r durch den Podcast-Dschungel

Ein Drittel der Bevölkerung hört regelmässig Podcasts. Wo lohnt es sich reinzuhören?

Bild: Brett Sayles/Pexels
Bild: Brett Sayles/Pexels

Nicht erst seit der Corona-Pandemie, einer Zeit erzwungener sozialer Distanz, blüht das Geschäft mit Podcasts. 

Der Markt war auch vorher schon überflutet von Audiobeiträgen jedweder Couleur und es scheint, als fühle sich mittlerweile jede*r Zweite dazu berufen, seine oder ihre Meinung öffentlich kundzutun. Wo aber lohnt es sich wirklich, ein Ohr zu investieren?

Über ein Drittel aller Menschen in Deutschland, Österreich und der Schweiz hört laut Statistikportalen wie Statista regelmässig Podcasts, wobei vor allem Beiträge zu aktuellen Nachrichten und zu den Themen Politik, Lifestyle und Kriminalität konsumiert werden.

Da verwundert es auch nicht, dass das Angebot beinahe täglich wächst. War es vor ein paar Jahren noch mutig, ein auditives Format zu realisieren, gehört es – Achtung Wortspiel – heute quasi zum guten Ton, wenn man relevant bleiben möchte. Da macht auch die LGBTIQ-Szene keine Ausnahmen.

Im September 2021 entschieden sich drei Gallionsfiguren der noch jungen Riege der Podcaster*innen, Michael Overdick, Mirko Plengemeyer und Lars Tönsfeuerborn, ihr Format «schwanz & ehrlich» auf der Höhe des Erfolgs einzustampfen.

Denn wie heisst es? Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist – und solange man noch etwas zu sagen hat. Mit «schwanz & ehrlich» bricht der Community eines der beliebtesten und meistgeklickten Podcast-Formate weg, wenn es darum geht, szenerelevante Fragen und das Intimleben von Schwulen, Bisexuellen, Lesben und trans Personen zu erörtern.

Der Thron ist folglich frei und das Spiel um dessen Eroberung hat bereits begonnen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit blicken wir auf potenzielle Anwärter*innen im Kampf um die Gunst des Publikums und liefern einen Überblick zu mal mehr, mal weniger reizvollen LGBTIQ-Podcasts:

Willkommen im Club – der LGBTIQ*-Podcast von Puls Wenn Rundfunkgebühren ausgegeben werden, dann darf ein gewisses Niveau nicht auf der Strecke bleiben. Kathi Roeb und Julian Wenzel, beide homosexuell, verfolgen eine teils aufklärerische Mission und wagen sich mit «Willkommen im Club» in die abwechslungsreichsten Themenfelder vor.

Ob Coming-out, Meilensteine queerer Geschichte, Erscheinungen wie die der Straight Allies oder auch Diskriminierung am Arbeitsplatz – es gibt kaum eine Facette des Regenbogens, die das Moderatorengespann nicht unter die Lupe nimmt. Investigativ recherchiert und trotz Zugehörigkeit zum Bayerischen Rundfunk keinesfalls zugeknöpft, ist dieser Podcast ein wirklicher Gewinn für interessierte Hörer*innen.

The Bald and the Beautiful with Trixie Mattel and Katya Zamo Darf es ein bisschen trashiger sein? Und dazu noch auf Englisch? Die «RuPaul‘s Drag Race»-Legenden Trixie Mattel und Yekaterina Petrovna Zamolodchikova, kurz: Katya, besinnen sich auf ihre Talente und weiten mit ihrem eigenen Podcast die multimediale Verfügbarkeit aus.

Bei Millionen von Follower*innen auf Instagram und Co. kein wirklich riskantes Unterfangen. Dass das Konzept aufgeht, liegt aber nicht nur an ihrer Popularität, sondern auch an dem Sinn für Humor, den Trixie und Katya durchgehend beweisen und den sie an den wichtigen Stellen mit Ernsthaftigkeit zu paaren wissen. Für Fans des ausufernden «RUniversums» und alle, die es noch werden wollen. 

Busenfreundin Ein Urgestein: Seit Sommer 2018 lädt die Comedy-Autorin Ricarda Hofmann queere Gäste ein und bespricht mit ihnen bevorzugt unterschiedlichste Inhalte aus der vielseitigen Welt des Feuilletons.

Dabei nimmt sich Hofmann nie zu ernst und schafft es mit ihrer sympathischen Art, ihren Besucher*innen private Geheimnisse zu entlocken. Mittlerweile verzeichnet das «Busenfreundin»-Archiv mehr als 170 Folgen, was zeigt, dass es sich keinesfalls um eine Eintagsfliege, sondern vielmehr um ein ausgewachsenes Phänomen handelt.

Daniel Küblböck – Ein Mensch verschwindet Ein Podcast der etwas anderen Art ist das von Tom Ehrhardt realisierte Format «Daniel Küblböck – Ein Mensch verschwindet». Respektvoll, ohne allzu starke Wertungen, arbeiten Erhardt und seine Kolleg*innen die Geschichte um den ehemaligen DSDS-Kandidaten auf.

Mithilfe exklusiver Interviews versuchen sie, Hinweisen darauf nachzugehen, warum es 2018 zu dem tragischen Freitod von Küblböck alias Lana Kaiser während einer Kreuzfahrt kam. Die Mitschuld einer homo- und transphoben Gesellschaft besprechen die Autor*innen dabei ebenso wie Kübelböcks Vorreiterrolle als mutige, oft missverstandene LGBTIQ-Person und sein spätes Coming-out als transident.

Plötzlich lesbisch Das L im Buchstabensalat LGBTIQ steht für lesbisch. Doch neigen vor allem schwule Männer dazu, dies gern einmal ausser Acht zu lassen. Dabei gibt es da draussen deutlich mehr zu entdecken als die Liebe zwischen zwei oder mehr Kerlen!

Die beiden Österreicherinnen Vreni und Babsi ermutigen dazu, sich mit lesbischen Problemen und Herausforderungen vertraut zu machen. In Mundart philosophieren die Kärntnerinnen vor sich hin, geben Tipps und liefern Denkanstösse. Nicht immer leicht zu verstehen, aber stets herzlich und authentisch dargeboten.

GAG – der Podcast Wer eine echte Alternative zu «schwanz & ehrlich» sucht, ist mit «GAG – der Podcast» wohl am besten beraten. Ohne ein Blatt vor dem Mund quasseln sich Dragqueen Miss Ivanka T. und der Gewinner der Herzen der dritten Staffel von «Prince Charming», Robin Solf, die Lippen fusselig.

Da wird geshadet (neudeutsch für «hinterhältig lästern»), vom letzten Sex geschwärmt und der Stolz, queer zu sein, ausgiebig zelebriert. Was oberflächlich klingt, wird jedoch immer wieder durch smarte Kommentare und eine gute Portion Selbstironie abgefedert. 

Böttinger. Wohnung 17 Bettina Böttinger betreibt, wie sie selbst gesteht, Day Drinking. Doch tut sie das nicht allein. Zusammen mit Gästen wie Komikerin Tahnee, den Travestiestars Barbie Breakout und Conchita Wurst oder Soap-Legende Georg Uecker erforscht die Fernsehmoderatorin bei Sekt, Wein und gutem Essen die Vielfalt von Geschlecht und Sexualität.

Als gewiefte Talkmeisterin, die sie seit jeher ist, weiss Böttinger stets die richtigen Fragen zu stellen, um einem Gespräch Tiefgang zu verleihen. Dabei lässt sie sich auch von Dackeldame Finchen, die gerne mal dazwischenbellt, nicht aus der Ruhe bringen. 

trans sein Nach wie vor gibt es viele Mythen und Vorurteile gegenüber trans Menschen beziehungsweise deren Identität und Lebensweise. Vor allem, weil massives Unwissen vorherrscht. Gen und Sophie versuchen, Licht ins Dunkel zu bringen und mit Tabus zu brechen, wo anderen die Worte ausgehen.

Zwar fehlt hier und da ein wenig die Struktur innerhalb ihrer Sendungsplanung, aber manchmal braucht es eben Umwege, um zu den wirklich spannenden Aspekten eines Gegenstandes zu gelangen.

Kunst oder Kotze?! Sergej und Marcus bewerten im Wochenrhythmus Auswüchse der queeren Popkultur. Jede Folge ihres Podcasts gipfelt in einem abschliessenden Urteil zum vorgetsellten Werk: Kunst oder Kotze? Kritischer als jede*r Theaterrezensent*in verreissen die beiden Youngsters energetisch alles, was ihnen vor die Flinte kommt.

Dass sie selten wohlwollende Einschätzungen übrighaben, könnte daran liegen, dass die beiden stark im Mainstream verhaftet sind, sich durch die TV-Programme der Privatsender wälzen und weniger mit intellektuelleren Erscheinungen beschäftigen, oder dass sie sich bewusst dem grassierenden Journalismustrend des ewigen Niedermachens anschliessen.

Crime In The Closet Mord, Serienkiller, düstere Begierden: «Verbrechen», herausgegeben von Zeit Online, führt seit Jahren die Toplisten der beliebtesten Podcasts an und veranschaulicht mit Nachdruck, wie stark das Interesse des Publikums an schaurigen Geschichten ist. Folglich dürfte ein auf die LGBTIQ-Community zugeschnittenes True-Crime-Format doch auch funktionieren, oder?

«Crime In The Closet» wagt die Probe aufs Exempel, scheitert aber leider an der Durchführung. Die Moderator*innen verrennen sich allzu oft in irrelevantem Eingangsgeplänkel und präsentieren im Folgenden die eigentlichen Fälle wenig lebendig, sondern eher wie einen trockenen Schulvortrag. Vielleicht schafft es das Format irgendwann, aus den Kinderschuhen herauszuwachsen, denn die vorgestellten Storys haben durchaus Potenzial.

Martin Busse
Unser Autor Martin Busse (Bild: Ariel Greith)

Jetzt muss er selbst ans Mikro!

Lasst euch diesen Artikel von unserem Autor Martin Busse vorlesen.

Zurich Pride Podcast Die Zurich Pride ist das grösste LGBTIQ-Festival der Schweiz und somit einer der wichtigsten Dreh- und Angelpunkte für das queere Leben. Entsprechend seinem Fokus auf Diversität engagiert sich das Team der Zurich Pride seit letztem Jahr auch auditiv und bietet mit dem zugehörigen Podcast ein Sprachrohr für starke lesbische, schwule, bisexuelle und trans Charaktere.

Aber Achtung! Unsere Leser*innen in Deutschland und Österreich brauchen ausgefeilte Schwyzerdütsch-Kenntnisse, um nicht im Dialektchaos verloren zu gehen und die wichtigen Botschaften der Interviewten zu verstehen. 

Reden ist Gold Für ORF III spricht Mannschaft-Kolumnist Peter Fässlacher gern mit der A-Klasse-Prominenz der deutschsprachigen Medienlandschaft. Im Zuge von «Reden ist Gold» schenkt der Wahlwiener hingegen ganz gewöhnlichen Männern seine Aufmerksamkeit.

Männern, die wie in einer psychotherapeutischen Sitzung über die eigenen Verletzlichkeiten und Traumata sprechen. Vermutlich ist es seiner ruhigen und klugen Art zu verdanken, dass seine Gesprächspartner Stück für Stück ihre Barrieren abbauen und den Zuhörenden somit die Chance geben, einen intimen Einblick in die alltäglichen Schwierigkeiten von Schwulen zu gewinnen.

Peter Fässlacher

«Reden ist Gold»

Die MANNSCHAFT-Kolumne Er ist Moderator und Sendungsverantwortlicher bei ORF III und Stimme des Podcasts «Reden ist Gold». Die gleichnamige MANNSCHAFT-Kolumne gibt es hier zu lesen!

Motherschnacker RTL-Allzweckwaffe Martin Tietjen, Marlen Peters und Paul Bunne haben es ebenfalls getan! Sie haben einen Podcast konzipiert, und der stellt unzensierten Spass klar in den Vordergrund. Schamlos reden die drei Medienprofis über jeden Gedanken, der sich in ihre Gehirnwindungen verirrt hat.

Das kann an der einen Stelle irritieren, an der nächsten schockieren, und trotzdem gibt es Momente, in denen man einfach nur laut «Ja, so ist es!» schreien möchte. Stereotype zu überziehen und zu versuchen, Fäkalsprache gesellschaftsfähig zu machen, hilft in jedem Fall, den Ernst des Alltags nicht überzubewerten.

Weitere queere Podcasts:

Mit «Schwarz & eng – der schwule Fetisch Podcast» startet ein neues Audioformat, das sich ganz den vielfältigen Themen der Fetisch-Community widmet (MANNSCHAFT berichtete).

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