Zurich Pride Podcast: «Warum wir wirklich aufhören»
Zum Ende gibt es eine Abschiedsshow
Im April erscheint die letzte Folge des Zurich Pride Podcasts: Die Abschiedsshow steigt am 21. März. Nach fünf Jahren ist Schluss.
Anto verdient mit Onlyfans zehntausende Franken. Sanja ist queer und schizophren. Mia unterzieht sich einer Operation, um eine weiblichere Stimme zu bekommen. Sie sind drei von vielen Gästen, die in den vergangenen Jahren im Zurich Pride Podcast zu Wort kamen. Nach fünf Jahren, mehr als 150 Folgen, über 500'000 Streams und einem «Suisse Podcast Award» ist nun Schluss. Die Moderator*innen Jeannine Borer, Adrian Spring und Alexander Wenger sowie Produzent Kevin Burke beenden das Projekt. Den Podcast gab es jedoch nicht nur als Stream, sondern auch auf der Bühne vor Livepublikum. Am 21. März ist im Comedyhaus in Zürich eine Abschiedsshow geplant.
MANNSCHAFT sprach mit Alexander Wenger und Kevin Burke, die den Zurich Pride Podcast Anfang 2020 ins Leben riefen. Bereits ein Jahr später knackten sie 100'000 Streams (MANNSCHAFT berichtete).
Alexander und Kevin, ihr hört mit dem Zurich Pride Podcast auf. Warum? Alexander Wenger: Es ist vor allem ein Gefühl, dass die Zeit reif ist, dieses Kapitel abzuschliessen. Nach fünf Jahren, mehr als 150 Folgen und über 500'000 Streams haben wir viel erreicht. Wir möchten aufhören, solange es uns noch Spass macht. Natürlich hat sich mit der Zeit eine gewisse Routine eingeschlichen und viele Themen haben wir bereits behandelt. Es wird zunehmend herausfordernder, alle zwei Wochen neue Inhalte zu finden. Trotzdem blicken wir mit grosser Freude auf unseren Podcast zurück. Wir verabschieden uns im Guten.
Kevin Burke: Wir haben die Entscheidung im Team besprochen und gemeinsam beschlossen, den Podcast zu beenden. Dieser Prozess dauerte etwa ein halbes Jahr.
«Der Podcast war von Anfang an nie auf Gewinn ausgerichtet.»
Kevin Burke, Produzent
Wäre es eine Option gewesen, Sponsoren für den Podcast zu finden? Kevin: Da wir alles ehrenamtlich gemacht haben, blieben die Produktionskosten gering. Zudem konnten wir durch Werbung im Podcast und Einnahmen aus Podcast-Live-Events Mittel generieren, um einige Kosten zu decken. Der Podcast war von Anfang an nie auf Gewinn ausgerichtet, daher spielte Geld bei unserer Entscheidung keine Rolle.
Was war deine Rolle als Produzent, Kevin? Kevin: Die Moderator*innen haben die Gäste ausgewählt, die Folgen recherchiert und moderiert. Ich war im Studio für die Technik verantwortlich und habe anschliessend die Post-Produktion der Folgen übernommen. Zudem habe ich unsere Live-Podcast-Events in verschiedenen Schweizer Städten geplant und organisiert und war für die Vermarktung zuständig.
Gab es eine Folge, die euch besonders berührt hat? Alexander: Am meisten hat mich Robino aus der Folge «Verstossen von der Familie» berührt. Er hat zu Hause psychische Gewalt erfahren und das hat mich traurig gemacht. Auch Fabienne aus der Folge «Schwanger und verliebt in eine Frau» hat eine sehr bewegende Geschichte erzählt, die mir bis heute in Erinnerung geblieben ist.
Gab es ein Thema, das aus irgendeinem Grund nicht geklappt hat? Alexander: Wir haben einmal eine Folge geplant, in der wir eine junge Person beim Coming-out begleiten wollten. Teil 1 der Aufzeichnung fand vor dem Coming-out statt, während Teil 2 danach hätte folgen sollen. Doch die Person entschied sich später, nicht mehr zu erscheinen. Ich weiss nicht genau, ob sie noch nicht bereit für das Coming-out war und den Prozess deshalb unterbrochen hat. Es hätte eine sehr spannende Folge werden können. Ich hätte auch gerne mehr direkt mit Paaren über Beziehungskonflikte gesprochen, aber es war schwierig Personen zu finden.
Was sind die grössten Herausforderungen bei der Produktion des Podcasts? Kevin: Es war uns wichtig, die Geschichten gut zu erzählen und sie technisch hochwertig zu produzieren. Eine schlechte Tonqualität führt dazu, dass Zuhörende schnell wieder abschalten, daher erfordert es viel Zeit und Liebe zum Detail. Das ist nicht immer auf den ersten Blick erkennbar, wenn es so wirkt, als würden einfach nur zwei Personen im Studio plaudern
Wisst ihr, ob der Podcast auch von Allys und Heteros ausserhalb der Community gehört wird? Alexander: Ich habe von mehreren Kolleg*innen aus dem Journalismus gehört, dass sie den Podcast gerne hören. Anfangs hat mich das überrascht, da der Podcast explizit auf die queere Community ausgerichtet war. Von den rund 200 Gästen waren vielleicht fünf Heteros, deren Perspektiven wir grösstenteils ausgeklammert haben, da diese in den Massenmedien ohnehin genügend Platz finden. Offenbar fanden es jedoch auch Heteros spannend, sich mit Themen wie Rollenbildern, Treue, Polyamorie und anderen Fragen auseinanderzusetzen. Dabei habe ich erkannt, dass auch Heteros unter der Heteronormativität «leiden».
2023 wurdet ihr mit dem Suisse Podcast Award in der Kategorie «Diversity» ausgezeichnet. Kevin: Der Award war eine sehr schöne Anerkennung für die hunderten Stunden ehrenamtlicher Arbeit. Ausserhalb der queeren Community wurden wir oft als der erste und einzige Schweizer queere Podcast wahrgenommen, obwohl es bereits andere queere Radioprojekte und Podcasts gab und immer noch gibt. Manchmal hatte ich deswegen ein etwas schlechtes Gewissen, weil auch in den anderen Projekten viel ehrenamtliche Arbeit steckt, wie bei uns.
Was hat der Podcast bewirkt? Alexander: In den letzten Jahren habe ich regelmässig Mails erhalten – meist von Frauen –, die uns mitteilten, dass der Podcast ihnen beim eigenen Coming-out geholfen hat. Sie konnten hören, wie andere ihren Weg gegangen sind, und fühlten sich dadurch inspiriert. Eine andere Person schrieb uns, dass sie den Podcast immer dann hört, wenn sie eine Panikattacke hat, da das Gespräch sie beruhige. Das hat mich sehr gerührt und zu Tränen bewegt.
Ausserdem haben viele grosse Medienhäuser unsere Protagonist*innen und Geschichten übernommen, weil wir einzigartige Perspektiven und Zugänge geboten haben. So zum Beispiel der trans Mann Raphael, der bei der Realityshow «Bauer, ledig, sucht…» auf 3+ als Hofdame aufgetreten ist und heuten offen queer lebt.
Geht es vielleicht weiter mit dem Podcast als Liveshow? Kevin: Am 21. März wird der letzte Podcast Live-Event im Comedyhaus in Zürich stattfinden, der zugleich auch unsere Abschiedsfolge sein wird. Danach ist Schluss – es gibt keine Pläne, den Podcast als Liveshow fortzusetzen.
Wie geht es individuell bei euch weiter? Alexander: Ich arbeite an einem neuen True-Crime-Podcast. Die genaue Form und der Inhalt stehen noch nicht fest, aber den Fall habe ich bereits recherchiert und hoffe, dass er gut ankommt. Bei der Zurich Pride betreue ich ein Projekt, das die Geschichte des Vereins aufarbeitet. Ansonsten ziehe ich mich aktiv zurück und geniesse die gewonnene Freizeit.
Kevin: Nach über 12 Jahren bei der Zurich Pride werde ich mich nach dem Ende des Podcast zurückziehen. In den letzten zwei Jahren habe ich meine Aufgaben im Verein an neue Personen übergeben, die den Verein hoffentlich weiter erfolgreich in die Zukunft führen werden.
Verrät Ihr zum Schluss noch einige Pleiten und Pannen? Kevin: In den fünf Jahren haben wir fünf Folgen produziert, die jedoch nie ausgestrahlt wurden, da der Gast es sich im Nachhinein anders überlegt hat. Zudem hatten wir bei einem Gast mal ein technisches Problem und Alexanders Mikrofon wurde in sehr schlechter Qualität aufgenommen. Leider fiel mir das erst beim Schnitt zu Hause auf. Alexander musste alle Fragen noch einmal einsprechen und ich habe sie mit den Antworten des Gastes synchronisiert. Zum Glück war später nichts von der Panne zu hören.
Mehr: Die Stadt Zürich soll die Vielfalt der Bevölkerung im Strassenverkehr besser abbilden und die LGBTIQ-Helpline finanziell unterstützen (MANNSCHAFT berichtete).
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