«Mehr als Lust»: Die schwule Lovestory in «Ku’damm 59»
Interview mit den Musicaldarstellern Philipp Nowicki und Alexander Auler
An diesem Wochenende geht im Berliner Theater des Westens Teil 2 der Musicaladaption der ZDF-Erfolgsserie «Ku‘damm» von Peter Plate, Ulf Leo Sommer und Annette Hess in Premiere (MANNSCHAFT berichtete). Die Rollen des schwulen Liebespaars Wolfgang von Boost und Hans Liebknecht übernehmen die Nachwuchsstars Philipp Nowicki und Alexander Auler.
Wie ist es für euch als junge Menschen, die mit einem Queerbeauftragten der Bundesregierung und mit der Diskussion um ein neues Selbstbestimmungsgesetz aufwachsen seid, euch in die homophobe und queerfeindliche Welt von West-Berlin bzw. der Bundesrepublik von 1959 zurückzuversetzen? Alexander Auler: Ich bin tatsächlich sehr ländlich aufgewachsen, deshalb war die queere Welt für mich etwas, was ich erst während der Zeit meines Studiums an der UdK in Berlin kennengelernt habe. Ich bin zwar in Gütersloh in einer sehr akzeptierenden Welt gross geworden, aber die war total anders als das, was ich dann in Berlin erlebt habe. Deshalb ist diese LGBTIQ-Bubble für mich relativ neu, und ich lerne immer noch dazu. Was spannend ist. Dadurch, dass wir beide – also Philipp und ich – bereits bei «Ku’damm 56» mitgespielt haben, gibt’s eine gewisse Verständnisgrundlage dafür, wie es damals war. Letztes Jahr habe ich auch im Musical «Scholl – Die Knospe der Weissen Rose» mitgemacht, als Hans Scholl, eine Geschichte, die zum Jahreswechsel 1941/42 spielt, also ein Jahrzehnt früher als «Ku’damm».
In «Scholl» geht es auch um das Unterdrücken von Homosexualität und Verfolgung wegen §175. Ich glaube, das Einzige, was wir heute machen können, ist uns daran zu erinnern, wie es damals war – sich zu fragen, wie wir uns selbst verhalten hätten unter solchen Umständen. Wir haben in «Ku’damm 59» Szenen, in denen Philipp und ich als Hans und Wolfgang uns heimlich berühren, während es heute total normal ist, als gleichgeschlechtliches Paar auf der Strasse Händchen zu halten. Wenn wir das spielen, muss ich mich immer bremsen und daran erinnern, wie das damals war.
Philipp Nowicki: Ich glaube, dass wir heute viel weiter sind. Trotzdem gibt’s Momente, wo wir solche Ausgrenzung immer noch spüren. In meiner Schulzeit war es zwar nicht verboten oder verpönt, schwul zu sein, dennoch habe ich das anfangs versteckt und geheim gehalten. An diese Erfahrung kann ich als Wolfgang heute immer noch anknüpfen, weil das Grundgefühl ein ähnliches ist.
Alexander: Dadurch, dass in meiner Kindheit die LGBTIQ-Community und ihre Themen einfach nicht repräsentiert waren – weil in meinem Umfeld niemand seine Homosexualität offen gelebt hat –, gab’s für mich nie Vorbilder. Niemanden, mit dem ich mich hätte identifizieren oder an dem ich mich hätte orientieren können. Stattdessen gab’s immer wieder blöde Kommentare. Aber ich war ziemlich gross. Bevor jemand einen «Grossen» anpöbelt, dauert das meist ein bisschen. (lacht)
Aber ich erinnere mich noch, dass ich mal einen Schal trug und jemand sagte «Bist du schwul?». Das habe ich damals nicht hinterfragt. Weil’s mir bis zu einem gewissen Alter egal war. Ich bin ja auch nicht mit einer Federboa rumgelaufen. (lacht) Das habe ich erst in der Theatergruppe gemacht.
Im Ernst? Alexander: Die Lehrerin, die die English Drama Group leitete, brauchte so was wie Bühnenversionen von Disney-Filmen raus, da gab’s Lieder und Tänze. Und da habe ich mitgemacht. So bin ich zum Musical gekommen – und zu den Federboas. (lacht)
In der deutschsprachigen Musicallandschaft gibt’s vergleichsweise wenig LGBTIQ-Repräsentation, oder (MANNSCHAFT berichtete)? Alexander: Ich erinnere mich an die Figur des Herbert im Musical «Tanz der Vampire». Als ich das sah, wusste ich sofort: Irgendwas ist da anders. Das fand ich spannend. Damals hätte ich nicht in Worte fassen können, was dieses Anderssein bedeutete, aber ich war neugierig. Und wollte mehr davon.
Damals hätte ich nicht in Worte fassen können, was dieses Anderssein bedeutete, aber ich war neugierig
Philipp: Mit 16 hatten wir einen Hobby-Musicalverein. Da haben wir «Das Tagebuch des Bobby Griffith» aufgeführt, basierend auf dem Film «Prayers for Bobby», eine schwule Geschichte, wo sich die Titelfigur umbringt, weil seine Mutter superreligiös ist und seine sexuelle Orientierung ablehnt. Wir wollten das auf die Bühne bringen, weil wir das Thema spannend fanden. Und weil es so etwas anderswo in unserem Umfeld – im Ruhrgebiet – nirgends gab. Auch wenn’s im Ruhrgebiet etwas «bunter» ist als auf dem Land, gab es wenig LGBTIQ-Repräsentation in der Kulturszene oder im Theater bzw. im Musical.
Von wann redet ihr jetzt? Philipp: Von den frühen 2010er-Jahren.
Im englischen Sprachraum gibt es inzwischen unendlich viele Musicals, die sich in allen möglichen Varianten mit LGBTIQ beschäftigen, von «The Prom» über «Everybody’s Talking About Jamie» bis «My Son’s a Queer (But What Can You Do About It?)», ganz zu schweigen von «Shooting Star» oder «Grindr» (MANNSCHAFT berichtete). Viele dieser Stücke kommen in Deutschland und Österreich nicht auf die Bühne. Wie erklärt ihr euch das? Alexander: An uns liegt es sicher nicht, wir hätten grosse Freude daran, solche Stücke zu spielen. (lacht) Deshalb finde ich es toll, dass Peter Plate und Ulf Leo Sommer sich hier am Theater des Westens trauen, solche «anderen» Geschichten zu erzählen, in den beiden «Ku’damm»-Musicals, aber auch in «Romeo und Julia». Gerade was die En-Suite-Betriebe im Bereich Musical angeht, wird da eher der Mainstream bedient. Da trauen sich eher Stadttheater, LGBTIQ-Stoffe aufzugreifen, wie «Dear Evan Hansen» oder «Next to Normal».
Viele der Stücke, von denen wir hier reden, sind ja am Broadway in New York oder West End in London riesige kommerzielle Erfolge. Hinkt das deutschsprachige Publikum einfach hinterher? Philipp: Das typische Musicalpublikum hierzulande ist einfach nicht dran gewöhnt, sich solche Stoffe anzuschauen. Die wollen eher nochmal «Das Phantom der Oper» oder «Cats» sehen, oft reden wir auch eher von einer älteren Zuschauergeneration. Bei denen kommt so was wie «Hamilton» nicht an, obwohl gerade die jüngere Community das in Hamburg total gefeiert hat. Auch bei «Kinky Boots» hat man gedacht: tolles Stück, alles stimmt, und trotzdem war es ein Flop in Deutschland. Ich glaube, die junge Generation ist schon bereit für solche Musicals, aber das Stammpublikum hat keinen Bezug dazu.
Alexander: Ich glaube im deutschsprachigen Raum wurde lange auf Klassiker gesetzt, weil das die Stücke waren, mit denen das Genre hier bekannt wurde und womit auch die Menschen bis ins kleinste Dorf das Genre verbinden. Daraus hat sich ein Kult um bestimmte Stücke und Personen entwickelt, weswegen der Absprung verpasst wurde … um zu zeigen, dass es auch andere Stücke gibt, die attraktiv sind und die die volle Bandbreite des Genres demonstrieren.
Stattdessen wird immer nur auf Cashcows gesetzt, was dazu führt, dass das Musical den Ruf hat, seicht zu sein.
Es wird immer nur auf Cashcows gesetzt, was dazu führt, dass das Musical den Ruf hat, seicht zu sein
Gerade bei «Kinky Boots» hat sich gezeigt, dass man so ein Stück nicht einfach nur bewerben kann, indem man ein Plakat aufhängt und niemand weiss, worum es geht. Das macht dieses Haus im Gegensatz dazu sehr gut: Da wird geguckt, wie genau man «Ku’damm» platzieren und bewerben kann, mit der speziellen Geschichte, die erzählt wird. Wenn man einfach nur Leute auf der Strasse fragt, welche Musical sie sehen wollen – wie das in Österreich geschieht –, dann kommt natürlich immer nur «Elisabeth» und «Phantom» raus.
In der ZDF-Serie ebenso wie im ersten Teil des «Ku’damm»-Musicals sieht man, wie Wolfgang sich versucht mit Elektroschocktherapie von seiner Homosexualität zu «heilen». Wie hat das auch euch gewirkt? Philipp: Als ich das zum ersten Mal sah, blieb mir schon im Hals stecken. Ich dachte: ‹Krass, das war damals die Realität.› Das war beklemmend und etwas, was ich mir fast nicht mehr vorstellen kann. Diese Szenen zeigen, wie verzweifelt Wolfgang war und wie sehr der Druck der Gesellschaft auf ihm lastet.
Alexander: Als Schauspieler ist es spannend, so was spielen zu dürfen, weil es Tiefgang hat. Ich dachte auch, wie super, dass im Musical nicht nur Diana in «Next to Normal» zur Elektroschocktherapie wegen ihrer Bipolarität geht, sondern eben auch eine Figur wie Wolfgang … Wenn man in mache entlegene Gegenden in den USA schaut, sieht man, dass so was ja immer noch als «legitime» Behandlungsweise angesehen wird gegen Homosexualität. Wir sind also noch gar nicht so lange davon weg.
Philipp: Es gibt immer noch religiöse Gruppen, die Bootcamps betreiben, wo man angeblich «geheilt» werden kann vom Schwulsein. Dadurch ist das Thema nach wie vor höchst aktuell (MANNSCHAFT berichtete).
Alexander: Wichtig ist, dass man solche Themen mit Sorgfalt und mit Bedacht anfasst. Und das nicht einfach plakativ ins Stück einbaut. Man muss sich darum «kümmern». Das fand ich an «Ku’damm 56» schön, dass das dort der Fall war.
In «Ku’damm 59» bekommt Wolfgang endlich jemanden, in den er sich verliebt … Philipp: Wolfgang hat mit seiner Ehefrau Helga ja ein Arrangement, dass er regelmässig im Volkspark Schöneberg seine Lust ausleben darf. Dort trifft er dann – anfangs anonym – Hans, einen Anwalt aus Ost-Berlin. Den trifft er eines Tages vor Gericht wieder. Und plötzlich steht ein Mann mit Geschichte und Identität vor ihm. Sie beschliessen, sich zu verabreden, sie lernen sich kennen. Und Wolfgang verliebt sich. Daraufhin beschliesst er, Helga davon zu erzählen und ihr zu gestehen, dass er mit seiner Ehe nicht so weitermachen kann wie bisher. Er hat durch Hans gemerkt, was für ein anderes Leben er führen möchte – wenn er dürfte.
Helga reagiert nicht positiv … Philipp: Nein, absolut nicht. Für sie ist das ein Schock, weil sie in ihrer Rolle als Ehefrau und mit der adoptierten Tochter das Konstrukt einer perfekten heteronormativen Ehe aufrechterhält. Das ist die grosse Herausforderung: Wie kann man das zusammenbringen, auf der einen Seite die Liebe bei Wolfgang, die plötzlich da ist, auf der anderen Seite das äussere Bild wahren für die Gesellschaft? Alle, die die Serie kennen, wissen, dass das am Ende nicht klappt. Zumindest nicht in Staffel 2. Weswegen Hans und Wolfgang in «Ku’damm 59» kein Happy End gegönnt ist. Wir versuchen zwar Helga mit ins Boot zu nehmen und ein Dreierarrangement zu finden. Was ja sehr modern ist. Aber Helga sagt, das ist für sie keine Option.
Wird eure Geschichte im Musical zentral erzählt? Alexander: Bei einer Story mit so vielen Handlungssträngen, die es alle lohnen würde, in einem Spin-off zu erzählen, ist es schwierig, einen wirklichen Fokus aus Wolfgang und Hans zu legen. Trotzdem bekommt ihre Geschichte den Raum, den sie braucht, um zu verstehen, wie stark die Liebe zwischen den beiden ist – weil sonst auch Helgas Geschichte nicht begreifbar wäre.
Annette Hess hat gesagt, sie will nicht, dass die Figuren ins Schwätzen kommen
Philipp: Annette Hess hat versucht, die Geschichte auf der Bühne zu verdichten und hat gesagt, sie will nicht, dass die Figuren ins Schwätzen kommen. Alles ist auf den Punkt und sehr knackig, wie schon bei «Ku’damm 56».
Erzählt ihr die Geschichte im gleichen Bühnenbild wie «Ku’damm 56»? Philipp: Es ist eine komplett neue Bühne. Wir haben ein neues Kreativteam. Denen war es wichtig, für «Ku’damm 59» einen neuen Look zu kreieren und nicht einfach «nur» einen zweiten Teil auf die Bühne zu bringen.
Alexander: Es muss ja als Einzelmusical bestehen können und begreifbar sein. Deshalb ist es gut, dass das Ganze nicht zu sehr am Alten hängenbleibt, dass es neuen Input gibt, neue Kostüme, eine andere Farbigkeit.
Philipp: Wir sind inhaltlich auch drei Jahre weiter, es sind schon fast die 60er mit Rock’n’Roll. Die triste Nachkriegszeit ist weitgehend vorbei. Das muss sich spiegeln in der Inszenierung.
Vor über zehn Jahren hat ein befreundeter Darsteller – der Wolfgang der Musicaluraufführung von «Ku’damm 56» – zu mir gesagt, er wolle nicht öffentlich über seine Sexualität in der Presse sprechen, um nicht in eine Schublade gesteckt zu werden und nur noch schwule Rollen angeboten zu bekommen. Wie ist das für euch, 2024? Philipp: Ich habe davor nicht so viel Angst, weil ich glaube, dass wir heute weiter sind durch Sachen wie die #ActOut-Kampagne in der Filmwelt (MANNSCHAFT berichtete). Gerade in der Musicalwelt sehe ich es nicht als so grosses Problem, in eine Schublade gesteckt zu werden. Wir beide, also Philipp und ich, haben vorher schon sehr heteronormative Rollen gespielt wie Lord Capulet in «Romeo und Julia».
Ich glaube, dass wir heute weiter sind durch Sachen wie die #ActOut-Kampagne
Es ist toll, als Darsteller so viele verschiedene Figuren spielen zu dürfen – und nicht auf seine eigene Sexualität reduziert wird. Ich kann genauso gut einen Hetero spielen. Das ist meine Aufgabe als Schauspieler, das überzeugend hinzubekommen.
Alexander: Allerdings ist der Horizont von vielen Musical-Caster*innen sehr begrenzt. (lacht) Gerade bei den Long-runs hat man manchmal das Gefühl, dass es immer die gleichen Leute sind, die da mitspielen. Und das selten wirklich innovativ gedacht wird. Zum Beispiel kommt demnächst das Musical «Ein wenig Farbe» über eine trans Frau in Wien raus – ist aber nicht mit einer trans Darsteller*in besetzt worden. Da gab’s einen massiven Backlash aus der Community, gerade von jüngeren nicht-binären Darsteller*innen. Aber die Rolle ist eben eine 50+ Figur und wurde mit jemand älterem besetzt, um glaubhaft zu sein.
Glaubt ihr, dass ihr als Schwule die schwulen Rollen von Wolfgang und Hans besser spielen könnt als andere? Philipp: Klar haben wir von Grund auf mehr Empathie für die Figuren, weil wir in unserem eigenen Leben mit ähnlichen Themen beschäftigt sind. Aber August Wittgenstein in der ZDF-Serie spielt den Wolfgang auch grossartig und ist hetero. Wenn jemand wie er solch tolle Rollenarbeit leistet, dann ist mir die Sexualität des Darstellers total egal. Die Herausforderung ist für mich eher, eine eigene alternative Interpretation zu finden, die den Vergleich aushält.
Tauscht ihr untereinander manchmal die Rollen? Philipp: Alexander wird auch den Wolfgang übernehmen – und dann mit insgesamt vier anderen Hans-Darstellern spielen, ich mache aber nur den Wolfgang.
Letztes Jahr kam Ryan Donovans Buch «Broadway Bodies» raus, über den Zwang von Musicaldarsteller*innen, bestimmte optische Anforderungen zu erfüllen, um in dem Business zu bestehen. Wie viel Druck spürt ihr? Alexander: Ich werde den Moment nie vergessen, wo ich zum ersten Mal mein «Cats»-Kostüm anhatte. Das war ein weisser Lycra-Anzug, der dann handbemalt wurde. Das sieht einfach nicht schön aus, wenn man so einen weissen hautengen Anzug anhat. (lacht) Und dann sagte die Kostümdesignerin auf Englisch in die Runde: «Ich glaube wir hatten noch nie einen grösseren Munkustrap!» Danach habe ich zehn Kilo angenommen.
Ich glaube wir hatten noch nie einen grösseren Munkustrap!
Als Hans in «Ku’damm 59» habe ich nicht das Gefühl, dass ich einem bestimmten Körperideal entsprechen muss. Aber ich merke an mir selbst, dass ich einen Anspruch an mich habe, so fit wie möglich auszusehen. Das treibt mich an, nebenbei viel zu trainieren.
Ich hatte anfangs die Angst, dass die Rolle von Hans nicht mehr ist als ein «Lustobjekt» für Wolfgang. Dann hätte man auch ein Fotomodel nehmen können. Das fände ich als Darsteller nicht spannend. Denn dann stünde ich einfach nur da …
Philipp: Gerade bei der Beziehung zwischen Wolfgang und Hans geht es um mehr als nur Lust, es kommt Liebe dazu. Deshalb sollte man Hans nicht reduzieren aufs Körperliche, sondern zeigen, wie charismatisch er ist, auch als Staatsanwalt. Aber im Musical-Business allgemein ist der Druck schon krass. Hier bei «Ku’damm 59» drehte sich die Frage um unsere oben-ohne-Szene, die man im Video zu «Zwischen Ost und West» sieht. Da habe ich mich schon gefragt, wie ich aussehe ohne T-Shirt. Ich will nicht, dass Zuschauer*innen denken, ich sei der kleine Schwabbel.
Als Musicaldarsteller ist man auf dem Präsentierteller. Und wenn man bei Auditions sieht, dass alle Männer um einen herum krasse Muskelarme haben, dann ist das zweifellos einschüchternd. Damit haben wir alle irgendwo zu kämpfen.
Alexander: Wir sind ein optisches Gewerbe. Im Musical gibt’s so was wie eine Montserrat Caballé als Madame Butterfly nicht. Trotzdem finde ich es wichtig, das aufzubrechen. Wir wollen im Theater Spiegel der Gesellschaft sein. Leute, die zu uns kommen, sollen sich auch identifizieren können mit dem, was sie sehen. Und das betrifft auch andere Körperformen.
Philipp: Ich finde unser Ensemble ist schon recht divers, was Körperformen angeht.
Alexander: Das unterscheidet «Ku’damm 59» von anderen Musicals mit immer gleichaussehenden Showgirls. Bei uns sind alle Körpertypen vertreten.
Wie habt ihr euch auf die Zeit der 50er-Jahre vorbereitet? Philipp: Wir haben vom Team Recherchematerial bekommen über die Zeit, auch über die Situation von Homosexuellen damals. Ich habe mir zudem bei Netflix die «Eldorado»-Doku angeschaut. Die fand ich total hilfreich. Ich hätte auch noch eine Filmempfehlung, die heisst «My Policeman» bei Amazon Prime (MANNSCHAFT berichtete). Das ist eigentlich eins-zu-eins die Geschichte von Wolfgang. Das fand ich ganz toll gespielt von Harry Styles und dem restlichen Cast. Das hat mich sehr inspiriert.
Ihr wart nicht im Schwulen Museum, um euch da (im Archiv) mal Originalmaterialien aus der Epoche anzuschauen? Alexander: Nein, noch nicht. Aber das ist eine gute Idee.
Philipp: Da melden wir uns gleich nach der Premiere zu einem Termin an.
Habt ihr einen Wunsch für die Zukunft? Philipp: Dass wird ein Hans-und-Wolfgang-Spin-off kriegen, als Nachfolgeprojekt zu «Die Amme». (lacht)
Alexander: Das fände ich gut. Wir sollten das Peter und Ulf vorschlagen. Da könnten sie diese Liebesgeschichte nochmal ausführlicher erzählen. Und ein deutliches Zeichen in der deutschen Musicalszene setzen.
Läuft für den nicht-binären Literatur-Star aus der Schweiz: Publikumspreis für die Bühnenadaption von Kim de l’Horizons «Blutbuch» (MANNSCHAFT berichtete).
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