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«The Prom» – Der Abschlussball ist für alle da

Meryl Streep, Nicole Kidman und James Corden in einem Musicalfilm – geht’s noch queerer?

The Prom
Jo Ellen Pellman & Ariana DeBose in The Prom (Foto: MELINDA SUE GORDON/NETFLIX)

Fleissig war Ryan Murphy immer schon, doch 2020 war selbst für ihn ein ziemlich besonderes Jahr. Mit «Ratched», «Hollywood» und «911: Lone Star» brachte er als Produzent und Schöpfer gleich drei neue Serien an der Start, dazu auch noch eine weitere Staffel von «The Politican» und natürlich die Theater-Verfilmung «The Boys in the Band». Nun folgt mit «The Prom» sogar noch ein weiterer Film, bei dem Murphy obendrein auch noch selbst die Regie übernommen hat.

«The Prom», die Verfilmung des gleichnamigen, mehrfach Tony-nominierten Broadway-Musicals, ist für Murphy vermeintlich eine ziemlich persönliche Angelegenheit. Die Geschichte einer lesbischen Schülerin, der die Teilnahme am Abschlussball verwehrt werden soll, hat ihn – so gibt er zu Protokoll – an seine eigene Schulzeit als ungeouteter Teenager in der Provinz erinnert. Nur dass damals natürlich keine Bühnenstars aus der Grossstadt angereist kamen und sein Leben auf den Kopf stellten. Genau das aber ist der Plot seiner Spielfilm-Regie seit «Eat, Pray, Love» vor zehn Jahren.

Broadway-Diva Dee Dee Allen (Meryl Streep) und Musical-Star Barry Glickman (James Corden) nämlich brechen – mit ihren deutlich weniger erfolgreichen Kolleg*innen Angie Dickinson (Nicole Kidman) und Trent Oliver (Andrew Rannells) im Schlepptau – von New York in ein Kaff in Indiana auf. Dort hatte die junge Emma (Jo Ellen Pellman) gerade ihr Coming-out und möchte ihre Freundin mit zum Abschlussball bringen. Schulleiter Hawkins (Keegan-Michael Key) hat damit nicht das geringste Problem, doch die gesamte konservative Elternschaft unter der Führung von Mrs. Greene (Kerry Washington) wittert Sittenverfall und setzt alles daran, Emma von der Veranstaltung auszuschliessen. Nicht wissend natürlich, dass ausgerechnet Mrs. Greenes Tochter Alyssa (Ariana DeBose, die am Broadway schon Donna Summer verkörperte und 2021 im «West Side Story»-Remake zu sehen sein wird) deren grosse Liebe ist.

Aus höheren Motiven reist die Prominenz allerdings nicht in der Kleinstadt an. Das neuste Stück von Allen und Glickman wurde direkt nach der Premiere von der Kritik verrissen und wieder eingestellt. Die beiden sind als eitel, selbstverliebt und egoistisch verschrien – und eine öffentlichkeitswirksame gute Tat soll möglichst flink das Image aufpolieren. Nur durch Zufall stossen sie auf Emmas Geschichte – und entsprechend wenig planmässig verläuft dann auch ihre LGBTIQ-Mission vor Ort …


Persönliches Anliegen hin oder her, zunächst einmal ist «The Prom» in vielerlei Hinsicht eine typische Ryan Murphy-Produktion. Alles ist ein bisschen zu laut und zu schrill, zu bunt und zu grell, eher so wie Vorstadt-Teenager sich eine Schuldisco erträumen als wie solche Events tatsächlich aussehen. Das Fiese und Zynische, das nicht wenige seiner Geschichten ausmacht, sucht man dieses Mal vergeblich, die Holzhammer-Methodik der Erzählung und die Aalglätte der Bilder allerdings nicht. Was dazu führt, dass sich hier immer wieder Künstlichkeit und Herzenswärme gegenseitig auf die Füsse treten.

Wer den eingängigen Songs etwas abgewinnen kann, kommt in «The Prom» durchaus auf seine Feelgood-Kosten, zumal gegen die Botschaft der Geschichte – liebt Eure Nächsten und akzeptiert alle, die anders sind – natürlich rein gar nichts einzuwenden ist. Genauso wenig wie gegen das hochkarätige Ensemble: Streep mag nicht in Bestform sein, hat aber sichtlich Spass an der Sache, genau wie Kidman und Washington, die allerdings nicht allzu viel zu tun haben. Am überzeugendsten sind eigentlich die beiden Newcomerinnen Pellman und DeBose auf ihrem Weg zum queeren Happy-End.


Gehörig ärgern darf man sich über «The Prom» allerdings auch, und dass nicht nur weil der Film – auch Murphy-typisch – mit 131 Minuten eine ganze Ecke zu lang geraten ist. Als Musical-Fan ist man vor allem frappiert, wie wenig der Regisseur sich für das Genre zu interessieren scheint. Nicht zuletzt die Tanzszenen verschenkt er jedenfalls immer wieder an viel zu viele Nahaufnahmen.

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Und dann kann man doch erstaunt sein, dass ausgerechnet Murphy, der zum Beispiel bei «The Boys in the Band» so viel Wert darauf gelegt hat, ausschliesslich schwule Schauspieler zu besetzten, den Part des homosexuellen (und seinerseits von High School-Traumata geplagten) Barry Glickman an James Corden vergeben hat. Wobei das Problem eben nicht ist, dass Corden selbst hetero ist. Sondern dass er für die Erfahrungswelt seiner Figur so wenig Gespür an den Tag legt, dass ihm letztlich bloss eine wenig überzeugende Schwulen-Karrikatur gelingt.


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