AfD gegen Vielfalt: Wenn Wahlen Angst machen

Der Rechtsruck in der Gesellschaft lässt sich längst nicht mehr verleugnen

Versammlungsgelände einer Wahlkampfveranstaltung der AfD Thüringen (Foto: Jacob Schröter/dpa)
Versammlungsgelände einer Wahlkampfveranstaltung der AfD Thüringen (Foto: Jacob Schröter/dpa)

Diesem Herbst haben viele Queers mit grosser Sorge entgegengeblickt, vor allem jene im Osten Deutschlands. Grund sind die Landtagswahlen, bei der die AfD nun massive Stimmengewinne einfahren konnte. Für queerfeindlichen Hass und Einschüchterung sorgt die Partei aber längst nicht allein.

In zwei von drei Ländern sind die Würfel gefallen, mit der braunen Seite nach oben: Rund ein Drittel der Menschen in Sachsen und Thüringen haben die AfD gewählt (MANNSCHAFT berichtete). Ohne die gesichert rechtsextreme und queerfeindliche Partei regieren, mag dort gerade noch gehen. Politik ohne sie machen, wird so gut wie unmöglich. Vom Bündnis Sahra Wagenknecht, das in beiden Ländern auf Platz 3 landete, braucht sich die Community wohl keine Unterstützung zu erwarten.

Potsdam: Eine Pride Flagge über der Kundgebung der Kampagne «Kein Bock auf Nazis» am Tag vor der Landtagswahl (Foto: Annette Riedl/dpa)
Potsdam: Eine Pride Flagge über der Kundgebung der Kampagne «Kein Bock auf Nazis» am Tag vor der Landtagswahl (Foto: Annette Riedl/dpa)

Auch in Brandenburg sehen Umfragen die AfD auf Platz1, nur wird sie dort wohl nicht auf über 30 Prozent der Stimmen kommen. Fest steht aber: Ihr queerfeindliches und rassistisches Gift, das sie seit Jahren versprüht, wirkt und wird weiterwirken. Vor allem im Osten.

Schon jetzt erfahren Christopher Street Days etwa in Sachsen braunen Gegenwind. Prominentes Beispiel: die Kreisstadt Pirna. Einst der kleinste CSD in Deutschland, bekam er in diesem Sommer zur 13. Ausgabe plötzlich die grösstmögliche Aufmerksamkeit: Denn seit Februar hat die Stadt einen AfD-nahen Bürgermeister. Tim Lochner hatte als eine seiner ersten Amtshandlungen dafür gesorgt, dass am Rathaus keine Regenbogenfahne mehr weht. Als sie dann von der evangelischen Kirchengemeinde zum IDAHOBIT im Mai gehisst wurde, brachte Lochner dies bei Facebook in Verbindung mit Hakenkreuzfahnen, die während der NS-Zeit an Kirchen wehten.

Kerkeling und Böttinger trommelten für den CSD Die Aufregung war gross. Plötzlich warben bundesweit queere Promis wie Hape Kerkeling und Bettina Böttinger dafür, den CSD zu unterstützen (MANNSCHAFT berichtete). Schnell war von 20’000 Leuten die Rede, die nach Pirna kommen könnten. Die Kölner Drag Queen Meryl Deep trommelte zur «Tour für Toleranz» und wollte mit ganzen Busladungen anreisen. Entsprechend viel Presse war vor Ort, auch MANNSCHAFT fuhr nach Pirna.

Vom Bahnhof zum Marktplatz ist es nicht weit. Der Weg führt durch die Fussgängerzone, in der nicht eine einzige Regenbogenfahne hängt, nicht ein Schaufenster ist zur Pride geschmückt, nur eine Sparkasse hat einen Banner aufgehängt. Vor Ort scheint der CSD kein so grosses Thema zu sein. Vielleicht ist Solidarität auch einfach nicht gut fürs Geschäft.

Bevor die Kundgebung beginnt, baut der LSVD auf dem Markplatz seinen Stand auf, mit regenbogenfarbenen Fahnen und Wimpeln zum Verteilen. Ob sie genügend Material für die erwarteten 20‘000 Leute haben? Die Ehrenamtler nicken. Einer meint: «Wenn es alle ist, ist es alle.»

Ein Rathaus ohne Pride-Flagge Das Rathaus am Marktplatz: nackt. Dort weht keine Regenbogenfahne, keine Trans-Fahne. Es ist schon fast Tradition, dass zum CSD Pirna die Fahnen geklaut werden, einmal hatten die Täter gleich den Fahnenmast mit heruntergerissen. Diesmal musste sich niemand diese Mühe machen.

Über den Häuserdächern ragt der 60 Meter hohe Turm der Marienkiche. Auch heute flattert hier wieder die Regenbogenfahne im Wind. «Höher denn je», wird der deutsche Queer-Beauftragte, Sven Lehmann, später bei seinem Besuch in Pirna sagen, um auszudrücken, dass dies eine Niederlage für den Oberbürgermeister ist.

Auffällig bunt geschmückt ist der Platz vor dem «Platzhirsch», das grösste Restaurant am Platz, mit angeschlossenem Hotel. Stefanie Hänel ist hier seit 7 Jahren Hotel- und Restaurantchefin, sie zapft Bier für die durstigen CSD-Gäste.

Für Hänel ist es nicht der 1. CSD in Pirna, aber diesmal wurde erstmals eine kleine Aussenbar aufgestellt. Alle Mitarbeiter*innen tragen Buttons in Regenbogenfarben, ein Kellner sogar eine passende Krawatte. «Wir sind gegen Intoleranz. Wir sind eine Gemeinschaft und wenn es nötig wird, helfen und unterstützen wir uns.» Hänel hat in ihrem Team nicht nur queere Mitarbeitende, es ist auch international besetzt. Alles Menschen, deren Rechte die AfD zu gerne beschneiden möchte.

Wenn deren Fraktion im Sächsischen Landtag spricht, geht es oft wenig sachlich zu, warnte die Otto-Brenner-Stiftung, eine gemeinnützige Stiftung der Gewerkschaft IG Metall, kurz vor der Wahl: In den aufwieglerischen AfD-Reden gehe es vor allem darum, «vermeintlich Schuldige für Krisenerfahrungen zu benennen und einen Opfermythos» zu verbreiten. Es würden Ressentiments, Wut, Angst und entsprechende Abwehrreaktionen besonders gegen Migrant*innen, Geschlechterforscher*innen, LGBTIQ sowie die Grünen befeuert. In ihrer Selbstdarstellung zeichne sich die AfD als eine Bewegung der «einfachen Leute» und nehme zentrale Motive des Faschismus auf.

Der braune Osten – ein Vorurteil? Was ist mit dem Bild, das man vor allem im Westen der Republik hat vom braunen, rechten Osten? «Ein Vorurteil», findet Hänel. «Man redet zu sehr immer nur über das Negative.» Immer wieder kommen Hotelgäste, die aus ganz Deutschland anreisen, auch aus dem Ausland. «Die staunen: ‹Ist ja total nett hier! Das hätte ich so nicht eingeschätzt. Ich wurde eines Besseren belehrt. Ich komme wieder!›», sagen die dann.

An die Wahlen, die am Pirnaer CSD noch 7 Wochen entfernt liegen, denkt sie lieber nicht: «Da kriege ich Angst.» Sie findet aber auch: Man muss immer wieder dagegen angehen und Farbe bekennen.

Solidarität sorgt für Shitstorm Das ist nicht immer leicht. Als der Platzhirsch im vergangenen Jahr einen Social-Media-Post likte, in dem Schüler*innen dazu aufriefen, gegen eine AfD-Veranstaltung in der Herder-Halle zu demonstrieren, setzte es einen gewaltigen Shitstorm, und die Polizei warnte Hänel, dass ein in Sachsen bekannter Nazi ihre Mitarbeitenden auf eine Schwarze Liste gesetzt habe.

Kurz vor dem CSD protestieren wieder Schüler*innen, diesmal gegen einen Besuch Lochners an ihrem Gymnasium. Sie empfingen ihn mit Regenbogenfahnen und Bannern mit Aufschriften wie «Keine Toleranz für intolerante Menschen». Dem MDR sagte Lochner später, sein Besuch sei «völlig störungsfrei verlaufen».

Aber auch das passiert in Pirna: Anfang Juli sollen 9-bis-11-Jährige in einem Grundschulhort Hakenkreuze aus Steinen und Kieseln gelegt und den Hitlergruss gezeigt haben. Andere Kinder sangen «Ausländer raus».

Schwule Gäste kommen wieder Einen Einbruch im Tourismus sieht Hänel noch nicht, das könnte sich aber nach der Sachsenwahl ändern, fürchtet sie. Die schwulen Gäste aus Köln, die dieses Jahr zum CSD in die Stadt gekommen sind, haben ihr aber schon versprochen: «Mach dir keine Sorgen: Wir sind nächstes Jahr wieder da!»

Mittlerweile hat sich der Marktplatz gefüllt, aber 20‘000 Menschen werden es bei weitem nicht. In den Medien wird tags darauf zu lesen sein, Dragqueen Meryl Deep sei «mit vielen Kölnerinnen und Kölnern … mit Bussen» aufgebrochen. Tatsächlich war es ein Kleinbus. 20 Menschen hatten die siebenstündige Fahrt hin und zurück auf sich genommen, immerhin. Darunter Mareike aus Leverkusen, die sich als Ally bezeichnet.

«Ungerechtigkeit triggert mich einfach unglaublich», sagt sie. Darum engagiert sich Mareike bei Menschenrechtsthemen, bei ihrem Arbeitgeber, aber auch in der Freizeit. «Spass haben und dabei noch was Sinnvolles tun – das ist genau meine Kragenweite.»

Von Freund*innen und Kolleg*innen aus Köln hört sie immer wieder, dass sie beleidigt oder angegriffen werden. «Man muss nicht denken, dass Köln so eine tolle Blase ist, wo die Community sich wohlfühlen kann.» Aber offen queer sein, das sei in einer kleinen Stadt wie Pirna natürlich nochmal eine andere Nummer.

Happy über 3000 Teilnehmende Am Ende des Tages steht eine Bilanz von rund 3000 Teilnehmer*innen – nicht viel mehr als in den vergangenen Jahren. Enttäuscht sei er aber nicht, sagt der CSD-Vorsitzende Christian Hesse. «Ein schöneres Zeichen als einen vollgefüllten Marktplatz können wir nicht als Dankeschön bekommen. Ich bin sehr sehr zufrieden.»

Im Vorfeld der Oberbürgermeister-Wahl im November 2023 hatte sich der CSD-Verein mit Lochner getroffen, was den Aktivist*innen viel Kritik aus der Community gebracht hatte (MANNSCHAFT berichtete). Das Treffen will man aber auch im Nachhinein nicht als Fehler gewertet wissen. «Es war wichtig, mit Entscheidungsträgern ins Gespräch zu kommen, auch wenn es inhaltliche Differenzen gibt.»

Man stehe für Dialog und Offenheit. Ziel sei es stets, für LGBTIQ-Anliegen einzutreten. Doch offensichtlich hätten die Bemühungen nicht zu der erhofften Sensibilisierung geführt. «Wir bedauern es sehr, dass unser Oberbürgermeister, der ja ein Oberbürgermeister für alle sein möchte, uns immer ein Schwert in den Rücken rammt», klagt Hesse.

Ex-Oberbürgermeister Klaus-Peter Hanke (Freie Wähler) hatte den CSD stets unterstützt und wurde dafür auf dem Marktplatz ausgezeichnet, was den heute 71-Jährigen sichtlich freute. Mit der Wahl Lochners zog ein neuer Stil ins Rathaus, nicht nur wegen seiner Antihaltung zur Regenbogenfahne. Der AfD-nahe Bürgermeister habe auch nie den Kontakt zu ihm, seinem Vorgänger gesucht, um die Übergabe der Amtsgeschäfte zu regeln, so Hanke gegenüber MANNSCHAFT.

Die baden-württembergische Hochschulstadt Reutlingen pflegt seit 1990 eine Städtefreundschaft mit Pirna. Die hat ihren Ursprung in einer Aufbauhilfe der Reutlinger Stadtverwaltung nach dem Mauerfall. Die freundschaftlichen Kontakte sollen aufrechterhalten werden. Aber, so richtet das Rathaus aus: «Eine Herzlichkeit wie mit früheren Pirnaer Oberbürgermeistern» werde mit dem neuen Amtsträger nicht entstehen.

Rechte Gegenproteste zum CSD Nach Pirna folgten weitere CSDs in Sachsen, grössere wie in Leipzig, kleinere wie in Bautzen: Hier sahen sich die über 1000 Teilnehmenden einer Ansammlung von etwa 680 Rechten gegenüber (MANNSCHAFT berichtete). Deren Parole: «Gegen Gender-Propaganda und Identitätsverwirrung». Nur unter Polizeischutz war die Demo möglich. Es gab Szenen, die an frühere CSDs in Warschau, Kiew oder Belgrad erinnerten.

Jonas Löschau hat den CSD in seiner Heimatstadt schon zum 2. Mal organisiert und musste diesmal im Nachgang viele Interviews geben. Auch internationale Medien wie die Washington Post wollten wissen, was da eigentlich los ist in Bautzen. Für den 24-jährigen Grünen-Stadtrat und Studenten, aber auch für viele andere Queers sind die Anfeindungen von Rechten längst Alltag in der Stadt.

«Viele von uns haben Angst davor, alleine rauszugehen, sie überlegen sich, wann und wie und mit wem sie das Haus verlassen, zu welchen Locations man gehen kann, und wie man von da wieder nach Hause kommt», erzählt Löschau.

Ihr organisiert den CSD? Wir sorgen dafür, dass es der letzte sein wird!

Immer wieder hört er von Leuten, die auf der Strasse angespuckt oder bedroht werden, weil sie Händchen halten oder lackierte Fingernägel haben. «Das schafft natürlich eine Kulisse, die für viele Leute wahnsinnig einschüchternd ist.» Er als CSD-Organisator wurde schon mit der Faust bedroht: «Wir sorgen dafür, dass es der letzte sein wird!»

Ärger über die CDU Löschau erzählt mit einer erstaunlichen Fröhlichkeit von seinem Alltag in der Stadt und vom Bautzner CSD; erst als das Gespräch auf die CDU kommt, vergeht ihm das Lachen. Denn Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hatte sich erst auf Nachfrage zwei Tage später geäussert. Er finde es «unsäglich, dass eine friedliche CSD-Veranstaltung von Menschen, die einfach eine Party feiern wollen bedroht werde durch Rechtsextreme», so der Christdemokrat laut einem Bericht der Freien Presse auf die Frage eines Schülers bei einem Wahlforum in Görlitz.

Dann setzte er sich, schliesslich war Wahlkampf, ins rechte Licht: «Unsere sächsische Polizei» und «unsere staatliche Haltung» habe dafür gesorgt, «dass diese Leute ihre Party machen konnten.» Diese Leute. Solidarität klingt anders. Sachsens CDU-Innenminister Schuster erkärte, der rechte Aufmarsch sei «keine sächsische Veranstaltung gewesen», schliesslich habe es enorme Anreisen aus vielen Bundesländern gegeben.

Solche Äusserungen machen Löschau wütend. «Immer wieder die gleiche Beschwichtigung. Von wegen: Die Sachsen seien ‹immun gegen Rechtsextremismus›.» Er ist es leid, dass die CDU im Land das offensichtliche Problem nicht erkennen will, schimpft der Grünen-Politiker.

Für ihn steht fest: Auch nächstes Jahr wird er wieder den CSD organisieren. Er freut sich darüber, wie viele Menschen diesmal auf die Strasse gegangen sind: dreimal so viel wie im Vorjahr. Und Bautzen ist keine Grossstadt: Gut 40’000 Menschen leben hier, kaum mehr als in Pirna. «1000 Teilnehmende – das ist für mich das viel eindrücklichere Bild von diesem CSD.»

Morddrohungen in Thüringen Auch in Thüringen wurde jetzt gewählt. Im Freistaat befindet sich die Gedenkstätte zum früheren KZ Buchenwald. Deren Leiter Jens-Christian Wagner hat vor der Wahl einen Brief an 300’000 Wähler*innen verschickt und der AfD NS-Verharmlosung vorgeworfen: Die wolle die Leiden der KZ-Opfer in Buchenwald und Mittelbau-Dora – auch etwa 700 Männer wurden als Homosexuelle hierher verschleppt, die Hälfte starb – aus der Erinnerung tilgen. Nun wird Wagner bedroht, auch mit dem Tod.

In Thüringen greift AfD-Landeschef Björn Höcke nach der Macht (MANNSCHAFT berichtete). Der Geschichtslehrer, der bezüglich deutscher Nazi-Verbrechen «eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad» fordert und offiziell als «Faschist» bezeichnet werden darf. Er selber nannte sich auf den Wahlplakaten lieber «Ministerpräsident». Soweit wird es wohl nicht kommen, auch sein Wahlkreis Greiz II ging an den Kandidaten von der CDU.

«Erschreckend, dass die AfD trotz umfangreicher Aufklärung so viele Menschen überzeugen konnte. Jetzt müssen wir solidarisch an der Seite von queeren Menschen, Menschen mit Behinderung und Menschen mit Migrationshintergrund stehen, denn sie werden die ersten sein, die die Auswirkungen spüren», erklärte Dominik Hunger nach der Wahl. Er wollte für die Linke in den Landtag ziehen, erhielt aber nicht genug Stimmen.

Geflüchtete haben Angst Hunger ist nicht-binär und arbeitet für das Landesnetzwerk der Migrantenorganisationen, bei MigraNetz Thüringen. Er weiss von der Angst vieler Geflüchteter vor der AfD. «Es gibt Menschen, die ihre Taschen bereits gepackt haben, weil sie wissen wie schnell Veränderungen passieren können.»

Diese Sorgen kennt man auch im Queeren Zentrum Erfurt, in der Landeshauptstadt. Dort werden LGBTIQ beraten und unterstützt, mit Bildungsangeboten und Gruppentreffen. Noch. Aber was, wenn die AfD an die Macht kommt?

Einige Queers überlegen schon, das Bundesland zu wechseln oder gar Deutschland ganz zu verlassen

Einige Queers überlegen schon, in ein anderes Bundesland zu ziehen oder Deutschland ganz zu verlassen, berichten Nora Falkenhahn und Marcello Helwig vom Verein QueerWeg, Träger verschiedener queerer Anlaufstellen und Projekte in Thüringen.

Durch die starken Wahlergebnisse für Rechte und Konservative fühlten sich die Braunen immer sicherer und agierten zunehmend offener mit ihrer Queerfeindlichkeit, erklären die beiden. «Unser Existenzrecht wird in Frage gestellt. Besonders trans, inter und nicht-binäre Menschen sind betroffen.»

Auch Kleinparteien hetzen Rechte Gegenproteste beim CSD kennt man schon länger, von neonazistischen Kleinparteien wie der Dritte Weg oder Neue Stärke Erfurt (NSP), die auch schon den Generalbundesanwalt beschäftigt hat, nachdem sich Mitglieder Waffen besorgt haben und eine staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet haben sollen. Deren Aufmärsche waren zuletzt schon zurückgegangen. Aber mit Bildern wie in Bautzen und Stimmungsmache gegen andere CSDs steigt die Sorge, dass die Rechten wieder aktiver mobilisieren.

Diese Parteien machen ebenso wie die AfD immer wieder Stimmung gegen die queere Infrastruktur im Freistaat, der sie die Förderung streichen will. So ist auch die Zukunft des Thüringer Vereins ungewiss: Die Landesförderung läuft zum Jahresende aus.

In Brandenburg steht die Wahl noch aus, hier gehen die Menschen an diesem Sonntag an die Urnen. Hinter Platz 1 in den Umfragen folgt die SPD. Es wird knapp.

Tammo Westphal (23) tritt in Brandenburg/Havel als Direktkandidat der Grünen an. Von rechten Anfeindungen lässt er sich nicht aufhalten: «Ich will für die Demokratie kämpfen. Ich habe gar keinen Bock drauf, dass die anderen jetzt die lautesten hier sind.» Insgesamt sei der gesellschaftliche Diskurs schwierig geworden. «Wir erleben einen regelrechten Kulturkampf gegen LGBTIQ. Queer zu sein, ist immer noch ein Sicherheitsrisiko.» Auch in Brandenburg werden LGBTIQ-Zentren und CSD-Veranstaltungen immer ungehemmter angefeindet.

Wir wollten vom Polizeipräsidium in Potsdam wissen, ob brandenburgische CSDs künftig nur noch noch mit Polizeischutz stattfinden können? Die vage Antwort: Der Ansprechpartner für LGBTIQ nehme regelmässig an den CSD-Netzwerktreffen im Land teil, um dort zu «Fragen zum Sicherheitsgefühl Auskunft zu geben».

Auch bei queerfeindlichen Straftaten wie in Cottbus, wo am queeren Zentrum «Regenbogenkombinat» immer wieder die Pride-Banner abgerissen oder mit Hakenkreuzen beschmiert werden, gebe es einen «engen Austausch» mit den Betroffenen.

Da ist noch ein weiteres Problem: Geld. Grünen-Kandidat Westfal kritisiert, dass die SPD in Brandenburg regelmässig versuche, den Rotstift bei queeren Vereine anzusetzen. Ohnehin ist deren Finanzlage oft problematisch. So musste der CSD in Wittenberge Mitte Juni abgesagt werden. Die Landeskoordinierungsstelle Queeres Brandenburg erklärt: Häufig würden Fördergelder sehr kurzfristig genehmigt, insbesondere Lottomittel, für deren Vergabe das Sozialministerium zuständig sei. Das Problem langer Bearbeitungszeiten sei zuletzt grösser geworden. Was auch zugenommen hat, ist die Zahl regionaler CSDs mit entsprechendem Finanzbedarf. Bei der Koordinierungsstelle hofft man, dass nach der Wahl die Mittel aus dem Landesaktionsplan für die CSDs um 100’000 Euro pro Jahr erhöht werden. Sehr wahrscheinlich ist das nicht.

Soli-Spenden für CSD Pirna Apropos Geld. Pirna erlebte nach dem CSD noch ein Nachspiel: Oberbürgermeister Lochner stänkerte gegen die Veranstalter (der Verein besteht hier nur aus Männern), weil die eine Spendenkampagne gestartet hatten. Die Sicherheitsvorkehrungen, die auf 20’000 Besucher*innen ausgerichtet waren, verursachten Kosten, die der Verein alleine nicht stemmen konnte. «Jeder Vereinsvorstand mit Verantwortungsgefühl würde vor der Sause um Spenden und Sponsoren werben, nicht hinterher», lästerte der AfD-nahe Oberbürgermeister bei Facebook.

15’000 Euro kamen innerhalb von nicht mal vier Wochen zusammen. Man darf annehmen, dass Lochner das wurmt. Und dass er spätestens beim nächsten CSD in seiner Stadt wieder für Schlagzeilen sorgen wird.

Auch in Österreich steht die Wahl bevor. Die Datingplattform Romeo hat deshalb ihre vorwiegend schwulen und bisexuellen User*innen in Österreich gefragt, wen sie wählen wollen. Favorit ist die queerfeindliche FPÖ (MANNSCHAFT berichtete).

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