«Wir sind kein Berghain, das Schwuz ist doch das Wohnzimmer!»
Ein Mitarbeiter spricht über die schlechte Stimmung in dem queeren Club
Das Schwuz ist seit fast 50 Jahren einer der bekanntesten Clubs in der queeren Szene, nicht nur in Berlin. Doch der Laden muss sich an die verändernde Ausgeh-Kultur anpassen. Ein Drittel der Belegschaft wurde entlassen. Ein Mitarbeiter spricht über die schlechte Stimmung.
Er wurde nicht nur mitbegründet von Rosa von Praunheim, sondern gilt auch als Wiege für das queere Selbstbewusstsein in der Stadt. Im Jahr 1977 noch als «SchwulenZentrum» gegründet, gab es immer einen politischen Kern, der nach der Abschaffung des Paragraphen 175 weiterhin wichtig blieb.
Doch es wurde auch immer gestritten im Schwuz – aktuell geht es darum, dass der Club sich an die verändernde Ausgeh-Kultur anpassen muss. Rund ein Drittel der Belegschaft wurde entlassen (MANNSCHAFT berichtete), die meisten hatten in Teilzeit gearbeitet, trotzdem traf sie die Kündigung wohl hart. Wir haben mit einer Person gesprochen, die seit fast zehn Jahren Teil des Teams ist, aber anonym bleiben möchte. Er möchte hier «Max» heissen.
Max, wie hast du von den Kündigungen erfahren? Ich hab im Schwuz-Chat mitbekommen, dass einige gekündigt wurden. Manche haben nur deshalb noch keine Kündigung bekommen, weil sie nicht an ihren Meldeadressen wohnen. Aber so ganz ohne Anruf oder E-Mail als Vorwarnung war das für einige schon hart, vor allem, wenn sie noch viel länger angestellt waren als ich.
Die Tür soll besonders stark von der Kündigung betroffen sein. Stimmt das? Nicht nur die Tür, die Garderobe, Artist Care, Licht und Tontechnik – sind fast alle komplett weg. Aber bei der Tür habe ich es fast noch verstanden, sie haben schliesslich mitzuverantworten, dass wir immer weniger Gäste hatten.
Was heisst das? Na, okay, der Job ist hart und im Winter stehen sie sich da ohne Heizung die Beine in den Bauch. Aber es war manchmal wirklich schlimm, sie haben einfach selbst bei Stammgästen für schlechte Stimmung gesorgt. Das geht nicht. Wir sind doch nicht das Berghain, wir wollen ein Wohnzimmer sein für die Community!
War oder ist es das für dich? Ja, wie viele bin ich schon als Jugendlicher hin, hab meinen Ausweis gefälscht, damals noch im Mehringdamm. An der Tür wurde ich vor allem immer freundlich angelächelt und warm willkommen geheissen. Im Schwuz ging es nie darum, ob man cool genug ist, um reinzukommen. Ich wusste, ich komme immer rein, Eintritt war irgendwas um die 5 Euro.
«Das Besondere beim Schwuz ist das Familiäre, gerade das Uncoole»
Und das ist heute anders? Naja, der Preis schonmal, ja. Aber wenn man einmal angefangen hat, fürs Schwuz zu arbeiten, zahlt man ja den Eintritt nicht mehr und das macht schon viel aus. Aber ich bekomme schon mit, dass einige Freunde von mir nicht mehr kommen, weil sie die 20 Euro Eintritt nicht haben. Die Einlassperson hat erzählt, dass sie mitbekommen hat, dass immer wieder an der Kasse sich Leute dagegen entscheiden, hineinzugehen.
Aber ist es nicht überall so teuer inzwischen? Ja, aber im Tresor oder KitKat bekommt man für seine 25 Euro halt auch ein ganz anderes Programm. Das Besondere beim Schwuz ist das Familiäre, gerade das Uncoole. Im Schwuz ist ausserdem um 6 Uhr meist Schluss, da geht in anderen Clubs gerade erst los.
Katja Jäger, die Geschäftsführerin, hat angekündigt, sich den Preis noch einmal anzuschauen. Katja hat wirklich kein leichtes Erbe angetreten. Sie ist ja erst seit Januar Geschäftsführerin und muss jetzt die Probleme lösen, die sich schon über Jahre angestaut hatten. Aber an dem Tag, als die Chefs vor das Team getreten sind, das sogenannte «Townhall Meeting», da kam es wirklich schlimm auf sie zurück.
Was meinst du? Na, die Stimmung war beschissen. Dafür sorgten auch die Zwischenrufe, besonders von den Leuten von der Tür. Die waren halt echt sauer, weil sie jahrelang ein Team aufgebaut hatten, kann man auch verstehen. Es hat sicher nicht geholfen, dass es vorher schon eine Zeitung wusste und dann die Formulierungen in den Briefen … da ist ChatGPT emotionaler. Das war schon alles hart für Leute, die sich zum Teil seit Jahrzehnten den Hintern aufgerissen haben fürs Schwuz.
Aber die Geschäftsführerin will weiter mit den Leuten arbeiten, heisst es? Ja, es wird weitere Treffen geben, bei denen die Entlassenen ihre Ideen einbringen können. Aber das ist eigentlich gar nicht so ungewöhnlich, wie das zuerst klingt. Eine Schwuz-Mitgliedschaft heisst nicht, dass man aktuell noch im Club arbeitet, das war schon immer so. Und dass es neuen Input braucht, auch für Veranstaltungen, das ist ja klar geworden.
Was hältst du von der Idee mit den Spinden, die nun statt einer Garderobe eingeführt werden sollen? Das muss man sehen, ob das funktioniert, ich finde es schade, wenn zu viel am Personal gespart wird und dadurch das Clubleben immer unpersönlicher wird. Aber entscheidend wird sein, ob wir es schaffen, wieder das Publikum anzulocken wie früher.
Was ist das klassische Schwuz-Publikum? Wir waren schon queer, bevor es das Wort gab, und auch politisch – und das wird auch weitergehen. Aber irgendwie fehlt immer mehr der „schwule Ü30er“. Die kommen immer weniger und das finde ich schade.
Wie ist die Stimmung aktuell? Nicht gut, aber es geht immer weiter. Was gut wäre, wenn wir alle auch mal ein positives Signal von der Führungsebene bekommen. Aber es gibt in nächster Zeit zumindest mehrere Treffen, die angesetzt sind. Also bleibe ich optimistisch.
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