«Hä? Was machst du denn da?» – Katja Jäger führt das Schwuz

Die neue Chefin des legendären Berliner Queer-Clubs über ihre ersten Monate, Herausforderungen und ihre Vision für die Zukunft

Katja Jäger, neue Geschäftsführerin des «SchwuZ»
Katja Jäger, neue Geschäftsführerin des Schwuz (Bild: Maclaine Black)

Im queeren Feierort, dem Berliner Schwuz, tut sich was. Marcel Weber verabschiedete sich im letzten Sommer nach 25 Jahren als Geschäftsführer, Co-Geschäftsführer Florian Winkler-Schwarz wechselte erst im März zum LSVD – Verband Queere Vielfalt.

Neue Geschäftsführerin des Schwuz ist seit Januar Katja Jäger. Im Interview verrät sie uns mehr über ihre Motivation, ihre Ideen für das Schwuz aber auch über den Einstieg und ihre ersten Wochen.

Katja, das Schwuz ist ja nicht nur der älteste Queer-Club Deutschlands, er ist seit Jahrzehnten auch so etwas wie ein Sehnsuchtsort vieler oft junger, queerer Menschen in der gesamten Republik. Was hat es dir ganz persönlich bedeutet, genau in dieser Institution die Geschäftsführung und damit an massgeblicher Stelle Verantwortung zu übernehmen?

Katja Jäger, neue Geschäftsführerin des «SchwuZ»
Katja Jäger (Bild: Maclaine Black)

Das Schwuz ist für mich seit über zehn Jahren, in denen ich jetzt in Berlin wohne, ein wichtiger Raum. Das Schwuz war einer der ersten Orte, die ich selbst besucht habe und wo ich gerne war und mich wohlgefühlt habe. Und auch wenn ich nie alleine ins Schwuz gegangen bin, war es doch einer der Orte, wo ich mir immer auch hätte vorstellen können als Frau alleine auszugehen und mich dennoch rundum wohlzufühlen. 

Das ist erst mal mein persönlicher Zugang, warum ich das Schwuz so toll finde. Für mich ist die neue Tätigkeit im Schwuz aber auch eine logische Weiterentwicklung meines beruflichen Weges. In den vergangenen zehn Jahren habe ich in der Berliner Zivilgesellschaft gearbeitet, vor allem bei betterplace, hauptsächlich im betterplace lab, einem Thinktank, der die Themenbereiche Digitalisierung und Soziales zusammenführen möchte. 

Der Grundtenor meiner Arbeit war dabei stets Demokratieförderung in der digitalen Welt und in dem Kontext habe ich auch viele Demokratieprojekte gemacht. Für mich ist deshalb das Schwuz eine konsequente Weiterentwicklung meiner beruflichen Tätigkeit, weil ich immer noch für die Demokratie relevante Arbeit mache im Schwuz. Es ist sicher ein spezifischer Zuschnitt, als sich etwa mit dem Kontext von Wahlen zu beschäftigen.

Aber nach Jahren in einem digitalen Thinktank ist es für mich besonders schön, die neue Tätigkeit sehr haptisch zu erleben, zu sehen was passiert, direkt mit den Zielgruppen interagieren zu können. Für mich fühlt es sich einfach Rund an, logisch, auch wenn einige Leute durchaus gefragt haben – «Hä? Was machst du denn da jetzt?» – Für mich passt das total und ist sehr stimmig.

Das erste Vierteljahr als neue Geschäftsführerin liegt nun bereits beinahe hinter dir. Wie wurdest du aufgenommen von Team und Community? Wurden Deine persönlichen Erwartungen erfüllt? Oder war am Ende doch alles ganz anders als gedacht und wild? Natürlich war es wild! Ein erster besonderer Moment war, als ich mitbekommen habe, dass mein Co-Geschäftsführer geht, das war ja schon eine Überraschung für mich. Das ist sehr kurzfristig passiert. Der Flo (Florian Winkler-Schwarz, Anm. d. Redaktion) hat einen ganz tollen Job beim LSVD angeboten bekommen und ich kann absolut verstehen, dass er sich diese Chance, noch politischer zu wirken, nicht entgehen lassen wollte. Aber insoweit sind meine ersten Wochen etwas anders verlaufen, indem ich mich in diese neue Rolle als alleinige Geschäftsführerin einfinden musste, aber auch durfte. 

Ich habe dann sehr schnell gemerkt, dass darin auch eine grosse Chance besteht, weil ich natürlich mit einem frischen Blick komme und gewissermassen meine persönliche Handschrift jetzt ganz klar erkennbar wird. Ich wurde mit sehr viel Wärme empfangen, mit sehr viel Herzlichkeit und ich habe schnell gespürt, die Menschen, die im Schwuz arbeiten, sind da, weil sie das Schwuz sehr gerne haben. Da sind sehr viel Tatendrang und Überzeugung im Team vorhanden. Das war mir das wichtigste und das ist es auch, was mich auch nach den ersten drei Monaten weiter trägt. Was einfach sehr schön ist, der Teamspirit und das Gefühl, am richtigen Platz zu sein.

Bühne im «SchwuZ»
Bühne im Schwuz (Bild: schwuz.de)
Party im «SchwuZ»
Party im «SchwuZ» (Bild: schwuz.de)
Die Kettenbar im «SchwuZ»
Die Kettenbar im «SchwuZ» (Bild: schwuz.de)

Also gar nicht zunächst der argwöhnische Blick auf die Neue, was will sie hier? Also ich werde sicher auch beäugt und das auch zu Recht, das ist völlig normal, dass man sich anguckt, wer kommt denn da jetzt. Ich habe dabei aber nie Argwohn wahrgenommen. Es war eher ein interessierter Blick und neugierig, also sehr schön und offen eigentlich.

Es wird immer wieder thematisiert wird, dass Du als Frau nun die Geschäftsführung des Schwuz übernimmst. Ist der Umstand wirklich so interessant? Ja, ich habe diese Fragen gerne zurückgespielt und die Fragesteller dadurch aufgefordert, sich selber noch einmal zu verorten. Sicherlich ist das noch ein Thema für die Menschen, die dieses Update noch nicht so verinnerlicht haben, dass das Schwuz eben nicht mehr nur ein Schwulenzentrum ist, sondern ein queerer Ort. 

Ich finde es auch nicht schlimm, dass man das noch einmal bespricht, zu sagen es war ursprünglich einmal ein schwules Zentrum und da haben schwule Männer Rechte erkämpft. Ich finde das wichtig, das anzuerkennen und nicht so zu tun, als wäre das alles heute nicht mehr so relevant. Dieses Engagement hat den Grundstein gelegt. Das Schwuz ist aber schon lange ein queerer Ort und darum ist das eigentlich auch keine Frage mehr wert, warum ich das als Frau mache.

Vor dem Hintergrund von Themen wie Clubsterben, Gentrifizierung, Immobilienspekulation, aber auch Mittelstreichungen der öffentlichen Hand etwa für Kultur-, Diversitäts- und Inklusionsprojekte, wo siehst du für das Schwuz die grössten Herausforderungen? Die Welt entwickelt sich immer schneller in den letzten Jahren und ich finde es wichtig, sich Herausforderungen auch genau unter diesem Gesichtspunkt anzuschauen. Dies ist natürlich eine der relevanten Fragen, die sich eigentlich aber gerade jede Unternehmung stellt. Es geht ja nicht nur den Clubs so, Dinge wie die Inflation, die politische Volatilität das alles sind ja Faktoren, die haben auf alle Märkte Einfluss. 

Umso wichtiger ist es zu verdeutlichen – und dafür kämpfen ja derzeit alle Akteur*innen hier in Berlin – das Clubs als kulturelle Orte anerkannt werden und bleiben sollten. Daraus resultiert dann auch ein nicht mehr nur rein ökonomisch zu betrachtendes Thema. Ich finde diese Orte stellen eine tolle Möglichkeit dar, gesellschaftlichen Zusammenhalt zu leben und zu festigen. Bei allen Fraktionierungen auch innerhalb der Szene, würde ich dennoch behaupten, findest du in den Clubs dann doch auch ein verbindendes Wir, auf das sich die Menschen einigen können. 

Diese Bereitschaft zu stärken, das macht dann eventuell noch einmal die Besonderheit für einen queeren Club aus, darin liegt ein riesiges Potenzial und auch ein demokratisch relevantes Konzept hinsichtlich Überlegungen zu gesellschaftlichen Schutzräumen. So stehen neben den rein ökonomischen Sachzwängen eben auch weitere komplexe Herausforderungen, zumindest Teile einer zunehmend fragmentierten Gesellschaft an einem Ort auch wieder vereinen zu können.

Bereits in der Entstehungsphase des Schwuz gab es einen Diskurs zwischen der seinerzeit so bezeichneten Spassfraktion und der Politikfraktion. In der aktuell sicher wieder herausfordernderen Zeit für viele Mitglieder der Community, wie wichtig ist für diesen Ort der Balance-Akt zwischen Happy- und Safe Place als Ort, unbeschwerten Feierns und Ort für kulturelle Sichtbarkeit, inhaltliche Aussage und politische Aktion?  Ich finde die Frage ganz schön und würde gerne zum Einstieg damit starten, dass ich Spass und Politik nicht als zwei entgegengesetzte Lager betrachte. Ich finde Politik macht Spass und alles ist politisch. Ich bin auch eine grosse Verfechterin einer Streitkultur, ich finde, streiten ist etwas total Wichtiges, das wir in einer Demokratie brauchen. Natürlich gibt es auch den Wunsch, einfach mal nur zu feiern. Es muss nicht alles immer bierernst sein, zumindest nicht 24/7. 

Aber ich glaube, dass man das auch eigentlich ganz gut im Programm abbilden kann. Du kannst beispielsweise abends eine politische Lesung haben oder ein Panel und danach hast Du eine Party. Oder selbst im Partykonzept, wenn du an die Samstagnacht denkst, da gibt es um 2.00 Uhr eine Show. Wenn dort Drag-Kunstschaffende auftreten, wie willst Du das entpolitisiert betrachten? Und das finde ich im Schwuz so schön, dass dies mit einer so grandiosen Show und in dieser Leichtigkeit erlebbar gemacht wird. Und davor und danach wird zu Britney Spears getanzt. Das finde ich dann eigentlich eine ganz schöne Balance, die man in einer Nacht abbilden kann, selbst wenn man nicht zu Beginn an der Panel-Diskussion beteiligt war.

Das Schwuz steht für viele in der Community seit jeher vor allem auch als Ort grenzenloser queerer Feierlaune, der Losgelassenheit und Freiheit an einem sicheren Ort ganz man selbst zu sein. Was glaubst du, wie wichtig sind solche Orte derzeit? Auch wenn es etwas nach Wortklauberei klingt, ich würde das Schwuz als so etwas wie einen Safer Space bezeichnen, als Hinweis, dass ein Safe Space eigentlich eher eine Utopie beschreibt, die wir bisher noch nicht realisiert haben. Aber wir können einen sichereren Ort anbieten, da wir bestimmte Voreinstellungen vornehmen. Generell werden diese Orte kleiner und seltener. 

Die Zivilgesellschaft – und da gehört das Schwuz als queere Institution auch dazu - muss es einfach schaffen, diese Orte aufrecht zu erhalten. Das bedeutet Extraarbeit, das geschieht nicht von alleine, aber es ist eine sehr wichtige Arbeit, die eben auch viele andere zivilgesellschaftliche Akteur*innen mitmachen.

Kannst du uns denn für die nähere bis mittlere Zukunft schon ein paar Event-Pläne verraten, so als Appetizer für Berliner Clubber*innen genauso wie vielleicht für Städtereisende, die einen Besuch im Schwuz als Highlight ihres Berlin - Trips mit einplanen möchten? Derzeit kann ich noch keine ganz konkreten Aussagen zum programmatischen Clubleben oder konkreten Veranstaltungen treffen. Aber da wir ja bereits über das Thema Herausforderungen gesprochen haben: Wichtig ist zu sehen, dass es das Schwuz bereits seit fast 50 Jahren gibt und entsprechend steht auch eine starke Community hinter uns. 

Das ist aus meiner Sicht ein unfassbar kostbarer Schatz. Diesen Schatz zu heben und zu schauen, was wünschen sich denn die Menschen, die das Schwuz all die Jahre begleiten, was möchten sie bewahren? Und gleichzeitig zu schauen, wo wollen wir in Zukunft hin? Wie können wir da anschlussfähig bleiben, gerade auch unter jungen Menschen, die von sich sagen: Ich bin doch überall queer, da muss ich gar nicht in einen bestimmten Club gehen. Also wirklich klar zu machen was das Besondere am Schwuz ist. Eine Balance zu finden zwischen dem, was früher und heute gut war und ist und dem, wo wir auch etwas Neues ausprobieren wollen.

Programmatisch wünsche ich mir, dass es uns noch einmal stärker gelingt, die gesellschaftspolitische Dimension abzubilden. Ob das zukünftig über die Stiftung gelingt oder über politische Programme die dann in eine Party münden so dass du im Schwuz eben alles erleben kannst, das wird man sehen.

Party im «SchwuZ»
(Bild: schwuz.de)
Show im «SchwuZ»
(Bild: Jackie Baier)
Party im «SchwuZ»
(Bild: schwuz.de)

Wenn man sich die bereits bekannten Planungen zum gemeinnützigen Kreativ- und Kulturzentrum auf dem Gelände des Vollgut-Areals betrachtet, das mutet ja ein wenig wie ein queeres Utopia mit dem Schwuz als Perle in der Auster an … Das Vollgut Projekt ist zunächst erst mal ein Leuchtturm Projekt für gesamtgesellschaftliche Realitäten. Dort steht vor allem der genossenschaftliche Ansatz im Fokus. Es gibt migrantische Organisationen, die beteiligt sind, künstlerische Projekte und beispielsweise auch ein Catering Unternehmen. Von daher würde ich das Schwuz jetzt auch nicht als die eine Perle bezeichnen wollen, da die Unternehmungen an diesem Ort einfach ganz toll ineinandergreifen. 

Ich finde den Gedanken, in Kooperativen und Genossenschaften zu arbeiten, sehr zukunftsträchtig. Wenn man sich anschaut, was dort alles zu finden sein wird, vom koreanischen Food Markt bis zur Feier Location – da kann man schon den Tag und die Nacht verbringen, das finde ich eine sehr schöne Vorstellung.

Kannst du aus den ersten drei Monaten deiner Tätigkeit einen Moment oder eine Erfahrung beschreiben, die ganz besonder für dich war? Die dich in deiner Entscheidung, den Job im Schwuz zu übernehmen, vielleicht sogar noch einmal ganz besonders bestärkt hat? Es gibt nicht den einen Moment, den ich jetzt herausheben könnte. Es ist in erster Linie das Team, das mit den unterschiedlichen Persönlichkeiten eine ganz sweete Energie mitbringt. Von daher ist es kein einzelner Moment, es ist eher: Ich fühle mich wohl! Das ist einfach schön. Auch wenn es herausfordernd ist, die Clubkrise, die Welt da draussen und gleichzeitig denke ich, ich bin da gerne, ich investiere gerne meine Zeit und meine Energie. Es ist einfach ein stimmiges Grundgefühl.

Von: Stephan Bischoff

Die offen lesbische Sängerin Melissa Etheridge kämpft schon lange für die Rechte der LGBTIQ-Community. Sie hat jahrzehntelange Erfahrung mit Widerstandsfähigkeit (MANNSCHAFT-Interview).

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