Melissa Etheridge: «Es ist leicht, die Gesellschaft zu spalten»

Die US-Sängerin über Trump und den Hass auf trans Personen

Melissa Etheridge
Melissa Etheridge (Bild: Lauren Dukoff)

Die offen lesbische Sängerin Melissa Etheridge kämpft schon lange für die Rechte der LGBTIQ-Community. Sie hat jahrzehntelange Erfahrung mit Widerstandsfähigkeit.

Im Juni und Juli stellt die 63-jährige US-Amerikanerin ihre grössten Hits und Songs ihres kommenden Albums bei uns vor. Mit MANNSCHAFT spricht Etheridge über Trumps Dekrete gegen trans Personen und die Spaltung der Gesellschaft in den USA.

Mrs. Etheridge, in den USA gehen Sie zusammen mit den Indigo Girls auf Tour. Die gelten als eine Ikone der queeren Bewegung – genau wie Sie. Wollen Sie mit der Tour ein Zeichen setzen in Zeiten, in denen Trump LGBTIQ-Bürgerrechte einschränken will?

Etheridge: Sicher, ja. Wir gehen nicht auf die Bühne und predigen oder so. Wir zeigen einfach, dass wir die Musik gemeinsam mit dem Publikum geniessen. Wir lachen mit ihnen. Man bewirkt auf diese Weise mehr, als wenn man predigt. 

Trump will trans Frauen und Mädchen von weiblichen Sportteams in Schulen und Unis ausschliessen. Was hasst er eigentlich so sehr an trans Personen?

Trump hasst nicht, es kümmert ihn einfach nicht. Er wählt einfach ein Thema aus, das die Leute nicht verstehen. Republikaner wissen nichts über trans Personen, sie zeigen einfach ein «verrücktes» Foto von einem Mann, der wie eine Frau gekleidet ist und sagen: «Wollt ihr das in Euren Toiletten?» Sie setzen auf diese Grundangst. Und diese Angst kontrolliert dann. Sie versuchen, drakonische Gesetze gegen Trans-Personen zu erlassen. Es geht nur um Macht. Alles andere ist ihnen egal. Sie wissen nur, wenn sie den Leuten genug Angst machen, werden sie für sie stimmen. Es ist schon traurig.

Eigentlich dachte man, dass die Gesellschaft viel toleranter geworden sei. Überrascht Sie der neue Konservatismus?

Die Offenheit, die wir in den letzten 20 Jahren hatten, hat die wirklich ängstlichen und ungebildeten Menschen aufgebracht. Die haben Angst, weil wir ein Teil der Gesellschaft geworden sind. Es ist einfach, den Leuten zu sagen, dass der Grund für ihre Unzufriedenheit trans Personen sind. Damit sie diese hassen können. Aber weniger als 1 Prozent der Amerikaner sind trans. Das alles macht wirklich keinen Sinn. 

Wie erklären Sie sich die Liebe vieler Ihrer Mitbürger*innen für einen Autokraten?

Mit Furcht. Darin liegt ein Trost, wenn man die Wahrheit nur genug verdreht. Wenn die Nachrichtensender auf Sensationen aus sind und sich mehr darum kümmern, wie viele Leute ihnen zusehen, als um den Wahrheitsgehalt dessen, was sie sagen, ist das gefährlich. Wenn die Sensationslust zur Story wird, ist es für jemanden leicht zu sagen: «Der Grund, warum ihr unglücklich seid, sind diese Leute hier.» Wenn man das tut, ist es leicht, die Gesellschaft zu spalten. Und wenn man diese spaltet, ist der Weg zur Autokratie leicht. Leider ist das Bildungsniveau hier in Amerika nicht sehr hoch. 

Wir werden auf jeden Fall eines Tages eine Präsidentin haben.

Melissa Etheridge

Taylor Swift positionierte sich im Wahlkampf auf Kamala Harris' Seite – und damit gegen Donald Trump. Gewonnen hat er trotzdem. Wird der Einfluss von Künstlern auf die Politik gemeinhin überschätzt?

Ich glaube nicht, dass er überschätzt wird. Ich denke, wir werden sehen, dass dieser Einfluss innerhalb der nächsten zehn Jahre an Stärke gewinnen wird. Es braucht eine Weile. Viele von Taylor Swifts Anhängerinnen sind erst 13 oder 14 Jahre alt. Aber in zehn Jahren werden einige von ihnen mächtige weibliche Führungspersönlichkeiten sein. Wir werden auf jeden Fall eines Tages eine Präsidentin haben. Aber es wird schwierig sein, weil dieses Land verrückt ist.

Sind die Vereinigten Staaten von Amerika im Moment verrückter als Sie es sich jemals vorstellen konnten?

Ich hätte nicht gedacht, dass wir so weit gehen würden. Aber ich verstehe jetzt, wie das funktioniert. Ich glaube nicht, dass es wirklich so schlimm ist, wie die Leute denken. Man meint, dass wir hier alle gespalten sind, aber wenn man die Leute aus dem politischen Bereich herausnimmt und sie alle in denselben Raum setzt, kommen sie durchaus miteinander aus. Die Kluft ist nicht so schlimm, wie sie von der Sensationspresse dargestellt wird. 

Melissa Etheridge: Tourdaten (Auswahl)

23.06. Hamburg, Stadtpark Open Air 

24.06. Berlin, Uber Eats Music Hall 

26.06. München, Tollwood Festival 

27.06. Leipzig, Parkbühne im Clara-Zetkin-Park 

04.07. Österreich, Clam Rock Festival

06.07. Schweiz, Volkshaus Zürich

Hasskriminalität in Österreich: Ein rechtsextremes Netzwerk soll Schwule terrorisiert und erniedrigt haben. Die Verdächtigen sind teils erst 14 Jahre alt. (MANNSCHAFT berichtete)

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