Schwuler Held: Neuer Roman macht Alan Turing zum Hetero

Die queere Community reagiert empört und sieht es als Teil einer Kampagne, LGBTIQ-Geschichte unsichtbar werden zu lassen

Alan Turing
Alan Turing (1912 – 1954) (Bild: Elliott & Fry, Public Domain)

Ein neuer Roman sorgt für Aufregung: Alan Turing wird darin kurzerhand hetero gemacht.

Kritiker*innen sprechen von Geschichtsfälschung und queerer Auslöschung. Schliesslich ist Alan Turing eine Ikone der queeren Geschichte und gleichzeitig ein bekannter Held des Zweiten Weltkriegs, dem nach dem Krieg viel Leid angetan wurde.

Alan Turings Leben – verfilmt mit Benedict Cumberbatch – war geprägt von seiner Genialität und von der brutalen Verfolgung, die er ertragen musste, weil Schwulsein damals bei Strafe verboten war. Nun sorgt ein Debütroman des australischen Verlagsmanagers Nick Croydon für Aufruhr: In «The Turing Protocol» wird der britische Kriegsheld und Computerpionier plötzlich als hetero dargestellt. Erste Leser*innen sprechen von einer «Auslöschung queerer Geschichte».

Alan Turing (1912–1954) half im Zweiten Weltkrieg in Grossbritannien, den Enigma-Code der Nazis zu knacken. Sein Beitrag gilt als entscheidend dafür, dass der Krieg verkürzt und Millionen Leben gerettet wurden. Nach dem Krieg wurde er wegen seiner Homosexualität verurteilt, zu einer Hormonbehandlung gezwungen und verlor seine Sicherheitsfreigabe. Im Jahr 1954 nahm er sich das Leben.

Erst im Jahr 2009, mehr als 50 Jahre später, entschuldigte sich die britische Regierung offiziell, im Jahr 2013 folgte eine royale Begnadigung für Alan Turin. Mit dem «Alan Turing Law» wurden später auch Tausende weitere Männer rehabilitiert, die unter den Anti-Homosexuellen-Gesetzen gelitten hatten.

All das spielt im Roman dagegen keine Rolle. Turing ist Held einer Art Alternativgeschichte, er wird zum Zeitreisenden und Familienvater. Croydon lässt ihn eine Frau namens Joan heiraten, mit der er ein Kind hat. Die Figur ist angelehnt an Joan Clarke, Turings enge Freundin und Kollegin, mit der er tatsächlich einmal verlobt war – bevor er ihr seine Homosexualität anvertraute und die beiden die Beziehung beendeten. Leser*innen kritisieren, dass Croydon damit ausgerechnet Turings Queerness löscht – jenes Element, das für sein Leben und seinen tragischen Tod zentral war.

Besonders heftig ist die Kritik an Croydons Neuschreibung von Turings Tod. Statt der realen, homophob motivierten Verfolgung lässt der Roman ihn durch einen «kommunistischen Mord» sterben. Rezensionen auf Goodreads sprechen von einem «Angriff auf sein Andenken» und einer «Beleidigung seines Leidens und des Leids queerer Menschen damals wie heute». Ein Kommentar auf der Plattform Goodreads bringt es auf den Punkt: «Was stimmt nicht mit Croydon, dass er ausgerechnet eine prominente LGBTIQ-Ikone heimlich hetero macht?»

Die Debatte fällt in eine Zeit, in der queere Geschichte zunehmend unter Druck gerät. In den USA hat Präsident Donald Trump gerade eine umfassende Überprüfung der Smithsonian-Museen angeordnet, um Inhalte zu «korrigieren», die angeblich «spaltend» seien. Betroffen sind unter anderem das National Museum of American History und das National Museum of African American History and Culture. Kritiker*innen sehen darin einen weiteren Versuch, queere und marginalisierte Perspektiven aus der Geschichtsschreibung zu verdrängen.

Die Sprache gehört uns allen und wenn sie sich ändert, bricht Streit aus. Die einen schreien «Gender-Terror», die anderen fordern «Gleichheit». Dabei sollte es längst nicht mehr um das Ob gehen, sondern um das Wie. Und um die Fakten (MANNSCHAFT-Story).

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