Tausende Homosexuelle sollen finanziell entschädigt werden

Ein historischer Schritt!

2020, Alma Zadić an der Pressekonferenz «Hass im Netz» (Bild: Wikimedia Commons)
2020, Alma Zadić an der Pressekonferenz «Hass im Netz» (Bild: Wikimedia Commons)

Justizministerin Alma Zadić präsentierte am Montag die Details für die Entschädigungszahlungen von homosexuellen Menschen, die in der Vergangenheit zu Unrecht verurteilt wurden. Im Staatsbudget sind dafür bis zu 33 Millionen Euro vorgesehen.

Auf diesen wichtigen Schritt haben viele homosexuelle Menschen in Österreich jahrzehntelang gewartet: Justizministerin Alma Zadić (von den Grünen) präsentierte am Montag die Details zu den Entschädigungszahlungen des österreichischen Staates für Homosexuelle, die zu Unrecht strafrechtlich verfolgt und verurteilt wurden.

«Die strafrechtliche Verfolgung homosexueller Menschen war ein dunkles Kapitel der Zweiten Republik und ein grosses Unrecht», sagte Zadić am Montag bei einer Pressekonferenz in Wien.

Die Justizministerin liess erstmals im Juni 2021 zu diesem Thema aufhorchen (MANNSCHAFT berichtete). Sie war in Österreich die erste Ministerin, die sich bei homosexuellen Personen und deren Angehörigen entschuldigte.

Ich möchte mein tief empfundenes Bedauern für das Leid und das Unrecht, das Ihnen widerfahren ist, ausdrücken

«Ich möchte mein tief empfundenes Bedauern für das Leid und das Unrecht, das Ihnen widerfahren ist, ausdrücken», hatte die Ministerin damals erklärte. Dann dauerte es noch einmal mehr als zwei Jahre, bis die Höhe der finanziellen Wiedergutmachung festgelegt wurde.

Wie die Ministerin sagte, werden alle Personen, die in Österreich in der Zweiten Republik wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen strafrechtlich verfolgt oder verurteilt wurden und die ins Gefängnis gehen mussten oder schwerwiegende soziale Nachteile erlitten haben (wie den Verlust der Arbeit), vollständig rehabilitiert und finanziell entschädigt.

Laut Zadić werden alle Urteile in der Zweiten Republik, die aufgrund von Strafbestimmungen erlassen wurden, die einvernehmliche homosexuelle Handlungen unter Strafe stellten werden, aufgehoben. Folglich gelten alle nach so einer Bestimmung verurteilten Personen als zur Gänze rehabilitiert. Die Betroffenen können bei den zuständigen Landesgerichten einen Antrag auf die Bescheinigung der Rehabilitierung stellen.

Die Höhe der Entschädigung richtet sich nach verschiedenen Kriterien:

  • 3’000 Euro bekommen die Betroffenen für jede aufgehobene Verurteilung
  • Waren homosexuelle Menschen wegen der Verurteilung im Gefängnis, gibt es zusätzlich für jedes angefangene Jahr 1’500 Euro.
  • Für jedes eingeleitete und später eingestellte Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit der Homosexualität steht den Betroffenen eine Entschädigung in der Höhe von 500 Euro zu.
  • Wurde den homosexuellen Menschen aufgrund des Ermittlungsverfahren die Freiheit entzogen, werden sie für jedes begonnene Jahr mit 1’500 Euro entschädigt.
  • Wer darüber hinaus durch das Verfahren besondere Nachteile erlitten hat (wirtschaftlich, beruflich, gesundheitlich), erhält ausserdem einmalig 1’500 Euro.

Laut Justizministerin Zadić können die Entschädigungszahlungen das zugefügte Leid «zwar nicht wieder gut machen, aber wir übernehmen als Staat damit Verantwortung für unsere Geschichte». Es sei beschämend, «dass queere Menschen in Österreich bis ins 21. Jahrhundert strafrechtlich verfolgt wurden».

Der Historiker Andreas Brunner, Co-Leiter von QWien (Zentrum für queere Geschichte), sagte am Montag, die Justizministerin habe ein «historisches Zeichen» gesetzt: «Justizministerin Zadić stellte sich schon mit ihrer Entschuldigung vor zwei Jahren gegen historisches Unrecht, das die Minderwertigkeit gleichgeschlechtlicher Beziehungen gesetzlich festschrieb.» Mit ihrem Einsatz für Entschädigungszahlungen setze die Ministerin «ein historisches Zeichen, dass die Duldung von Ungleichbehandlung und Diskriminierung nicht die Handlungsmaxime der Politik sein darf. Weder in der Geschichte noch in Zukunft», so Brunner.

Bis 1971 gab es in Österreich ein Totalverbot von Homosexualität. Demnach wurden von 1946 bis 1971 rund 14’150 Menschen verurteilt, weil sie mit Menschen desselben Geschlechts Sex hatten. Viele von ihnen sind mittlerweile verstorben und können nicht entschädigt werden. Das Unrecht ging allerdings auch nach 1971 weiter.

In den folgenden Jahren wurden weiterhin viele schwule Männer vor Gericht gezerrt. Denn zwischen 1971 und 2002 war Österreich für schwule Beziehungen mit 18 Jahren ein höheres Mindestalter als für heterosexuelle Beziehungen (14 Jahre) vorgeschrieben. Ging damals beispielsweise ein 19-jähriger Mann mit einem 17-Jährigen eine schwule Beziehung ein, riskierte er eine Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren.

Gleichberechtigung ist unverhandelbar, und Liebe triumphiert über Intoleranz

Zwischen 1971 und 2002 wurden wegen des höheren Schutzalters rund 26’500 schwule Männer verurteilt. Dazu gehörte Michael Woditschka. Er war 19 Jahre alt, als er im Jahr 1999 einen 17-jährigen Mann in einer Disco kennenlernte und sich mit ihm anfreundete. Woditschka musste deswegen vor Gericht. Am Montag sagte er: «Die Entschädigung mag meine Vergangenheit nicht ungeschehen machen, aber sie sendet eine klare Botschaft aus: Gleichberechtigung ist unverhandelbar, und Liebe triumphiert über Intoleranz».

Viele Betroffene erzählen, dass damals die Ermittlungsverfahren und polizeilichen Verhöre äusserst erniedrigend waren. Hinzu kam, dass die Gerichtsverfahren öffentlich waren. Besonders schlimm war die soziale Ausgrenzung, die mit den Ermittlungen und mit der Verurteilung verbunden war. Die Unrechtsgesetze führten auch dazu, dass Menschen in den Suizid getrieben wurden.

Das neue Document-Journal zeigt auf dem Cover die lesbische Schauspielerin Jodie Foster. Abgelichtet hat sie dafür der schwule Fotograf Wolfgang Tillmans (MANNSCHAFT berichtete).

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