Neue Doku: «Verbotenes Begehren – Meilensteine queerer Geschichte»
Der ORF zeigt einen neuen LGBTIQ-Dokumentarfilm von Fritz Kalteis
Am Dienstag steht in einer neuen «Universum History»-Doku von Regisseur Fritz Kalteis queere Geschichte in der Zeit zwischen den Weltkriegen im Mittelpunkt.
In einer Pressemitteilung des ORF heisst es: «Die junge Bürgerstochter Margarethe Csonka (Christina Cervenka) ist lesbisch und wird von ihren Eltern zu Sigmund Freud (Karl Markovics) geschickt. Er soll sie von ihrem ‹verbotenen Begehren› einer skandalumwitterten Gräfin und Prostituierten ‹heilen›. Doch Gretl kämpft um ihre Liebe und führt den Psychiater an der Nase herum. Freud kommt zum Schluss, dass Homosexualität weder geheilt werden kann – noch geheilt werden muss.»
Im Rahmen des ORF-Programmschwerpunkts zu «75 Jahre Erklärung der Menschenrechte» zeigt «Verbotenes Begehren – Meilensteine queerer Geschichte» am Dienstag, 5. Dezember 2023, um 23.05 Uhr in ORF 2, wie sich im Wien und Berlin der Zwischenkriegszeit erstmals queeres Selbstbewusstsein entfaltet – nur um bald darauf von den Nazis brutal zerstört zu werden.
«Die queere Kultur ist genau hier erfunden worden», erklärt Robert Beachy (Autor des Buchs «Gay Berlin: Birthplace of a Modern Identity»), einer der Experten des Projekts, «aber hier gab es auch die bis heute schlimmsten Verfolgungen.»
«Unermüdlicher Kampf für Gerechtigkeit» «Queere Geschichte ist Teil der österreichischen Geschichte. Sie ist voll von hart erkämpften Errungenschaften und niederschmetternden Rückschlägen», sagt Caroline Haidacher, ORF-Sendungsverantwortliche. «Ohne die Pionierinnen und Pioniere der ersten Stunde wäre die gegenwärtige Gesellschaft eine andere – ‹Universum History› wirft mit dieser grossangelegten Koproduktion ein Schlaglicht auf den Mut jener Vorreiter*innen und ihren unermüdlichen Kampf für Gerechtigkeit.»
Im Spannungsfeld von Repression und Aufbruchsstimmung hätten Aktivist*innen wie Magnus Hirschfeld Anfang des 20. Jahrhunderts um Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt und gegen Verbote gleichgeschlechtlicher Sexualität gekämpft, heisst es (MANNSCHAFT berichtete). Doch mit der Machtübernahme Adolf Hitlers endet die Illusion der Freiheit. Der NS-Staat verfolgt vor allem schwule Männer, aber auch lesbische Frauen, steckte sie ins KZ, kastrierte oder ermordete sie.
«Gretl Csonka gelingt die Flucht – in ein Leben, in dem sie sich nie wieder die Freiheit nehmen lassen wird zu lieben, wen sie will», so der ORF.
«Skandal vermeiden» Erklärend heisst es weiter: «Anfang des 20. Jahrhunderts droht homosexuellen Menschen in Österreich bis zu fünf Jahre Kerker. Im Gegensatz zu Deutschland gilt das für Frauen ebenso wie für Männer. Gretl Csonkas Familie ist reich, es geht vor allem darum, einen Skandal zu vermeiden.»
«Wenn die Homosexualität von Gretl öffentlich geworden wäre, hätte das schwerwiegende soziale Folgen gehabt», so Andreas Brunner von QWIEN, dem Zentrum für queere Geschichte in Wien (MANNSCHAFT berichtete).
Freud ist zunächst skeptisch. Für ihn ist Homosexualität auch nur «ein Malheur wie jedes andere». Doch die Neugierde drängt ihn schliesslich, sich des Falls der Gretl Csonka anzunehmen.
In Berlin eröffnet derweil im Juli 1919 der Arzt und Sexualforscher Magnus Hirschfeld das Institut für Sexualwissenschaften. Es ist die erste Beratungs- und Anlaufstelle für Menschen jeglicher sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität – aber auch eine WG von Homosexuellen und trans Personen.
«Woke Agenda» «Das Spannende ist ja, dass nicht unsere Gegenwart in den letzten fünf oder zehn Jahren eine Vielfalt an Geschlechtern und sexuellen Orientierungen ‹erfunden› hat», sagt die österreichische Soziologin und Historikerin Hanna Hac. «Es gibt eine historische Phase vom späten 19. Jahrhundert bis in die Zwanzigerjahre, in der neue Begriffe und Blickwinkel was völlig Neues eröffnen gegenüber einer simplen binären, also zweiteiligen geschlechtlichen Logik», so Hacker.
Regisseur Fritz Kalteis pflichtet bei: «Die Diskussion um Queerness und Transidentität ist keineswegs die vermeintlich ‹woke Agenda›, als die sie gegenwärtig oft verunglimpft wird. Das Thema begleitet uns als Menschen schon immer. Nicht zuletzt darauf wollen wir mit diesem Film hinweisen.»
Der Kinofilm «Anders als die Andern» des Wiener Regisseurs Richard Oswald thematisierte 1919 erstmals Homosexualität ganz offen – und wurde zum Skandal (MANNSCHAFT berichtete). Der Film inspirierte ein Lied, das zur ersten Hymne der queeren Bewegung wurde: Das «Lila Lied» mit Musik von Mischa Spoliansky.
Mehr als 100 Jahre später nahm es die bayrisch-österreichische Musikerin Ankathie Koi nun für die Dokumentation neu auf, denn der Song sei nicht nur für sie relevant wie eh und je: «Im Refrain heisst es ja ‹Wir sind, wir sind nun einmal mal anders als die andern›, und ich glaube, dass der Song so vielen Menschen ein Zuhause gibt, die anders sind und diese Andersartigkeit auch zelebrieren», so Koi, die die 100 Jahre alte Melodie in einen modernen Dance-Track verwandelt hat.
«Verbotenes Begehren – Meilensteine queerer Geschichte» entstand als Koproduktion von Vienna Set und Feature Film mit ORF und ZDF/arte in Zusammenarbeit mit ORF Enterprise, gefördert von Fernsehfonds Austria, Filmfonds Wien und Kultur Niederösterreich.
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