Organisationen fordern: Keine Abschiebung von Queers nach Syrien
Die unübersichtliche Lage im Land ist «irreführend, unsensibel und rechtlich nicht haltbar»
Auch nach dem Machtwechsel in Syrien werden homosexuelle Handlungen als verboten eingestuft. Daher dürfen queere Menschen aus Österreich nicht abgeschoben werden, schreiben LGBTIQ- und Menschenrechtsorganisationen.
Nach dem Sturz des Assad-Regimes fordern viele Politiker*innen in Europa, dass geflüchtete Menschen aus Syrien in ihre Heimat zurückkehren sollen. In vielen Ländern wie in Österreich, der Schweiz und Deutschland wurden alle Asylverfahren für Syrer*innen ausgesetzt.
Österreichs Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) kündigte ein «geordnetes Rückführungs- und Abschiebungsprogramm» an. Solche Aussagen sorgen bei queeren Geflüchteten für Unruhe und massive Ängste. Daher betonen nun mehrere Organisationen wie Amnesty International und Queer Base in einer gemeinsamen Stellungnahme, dass eine pauschale Aussetzung der Asylverfahren unzulässig sei.
Die Organisation Queer Base setzt sich in Österreich für geflüchtete Menschen ein, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und ihrer Geschlechtsidentität fliehen müssen. Die Organisation wurde 2015 gegründet und hat ihren Sitz in Wien.
Nach Ansicht von Queer Base und Amnesty International darf es aufgrund der unübersichtlichen Lage in Syrien auch zu keinen pauschalen Abschiebungs- und Aberkennungsverfahren kommen. Dies betrifft unter anderem queere Menschen, die von Syrien nach Europa geflüchtet sind und hier Asyl erhalten haben. Denn homosexuelle Handlungen werden in Syrien als verboten eingestuft.
Wer erwischt wird, muss nach Artikel 520 des syrischen Strafgesetzbuches aus dem Jahr 1949 mit einer Haftstrafe von bis zu drei Jahren rechnen. Eine Aufhebung dieses Gesetzes durch die neuen islamischen Machthaber ist nicht zu erwarten. Denn es waren gerade islamistische Gruppierungen und Fraktionen, die zuletzt in vielen Ländern des Nahen Osten die Verfolgung von queeren Menschen verschärft haben.
Im Irak, einem Nachbarland von Syrien, hat das Parlament erst in diesem Jahr beschlossen, dass für homosexuelle Handlungen eine Gefängnisstrafe von bis zu 15 Jahren gilt (MANNSCHAFT berichtete). Trans Personen werden bis zu drei Jahre eingesperrt. Zahlreiche internationale Organisationen, die EU und die USA protestierten gegen das neue Gesetz. Doch die irakische Regierung hielt daran fest.
Trotz der Verfolgung von queeren Menschen wird der Irak weiterhin von der EU und den USA finanziell unterstützt. Im September wurde ein schwuler Iraker, der in Deutschland um Asyl ansuchte, in seine Heimat abgeschoben (MANNSCHAFT berichtete). Dies sorgte für Proteste bei queeren Organisationen.
Auch in Syrien sind queere Menschen weiterhin massiven Repressalien ausgesetzt. So hatten die islamischen Milizen, die jetzt die Macht über das ganze Land übernommen haben, bereits zuvor in der Rebellenhochburg Idlib das Sagen. Medienberichten zufolge nahm dort der Druck auf homosexuelle Menschen zu.
Nun übernimmt ausgerechnet der bisherige Regierungschef von Idlib die Führung der neuen Übergangsregierung von Syrien, was für queere Menschen nichts Gutes bedeutet.
In den vergangenen Jahren sind zahlreiche queere Menschen von Syrien nach Europa geflohen. Sie haben hier Asyl bekommen. Viele von ihnen sind gut integriert. Ein Aberkennungsverfahren und eine Abschiebung hätte für sie katastrophale Auswirkungen, da sie in Syrien wegen ihrer sexuellen Orientierung und ihrer Geschlechtsidentität verfolgt werden. Es ist zu befürchten, dass die Verfolgung durch die neuen islamischen Machthabern schlimmer werden könnte.
In Österreich betonen daher Vereine wie Queer Base und Amnesty International in einer gemeinsamen Stellungnahme, dass die jüngsten populistischen Forderungen «nach Überprüfung von Asylgewährungen, pauschaler Aussetzung von Asylverfahren und Vorbereitung von Rückführungen nach Syrien» angesichts der aktuellen «unübersichtlichen Lage in Syrien irreführend, unsensibel und rechtlich nicht haltbar» seien.
So verstossen Abschiebung von queeren Menschen gegen das Europarecht. So hat der Europäische Gerichtshof 2013 ausdrücklich festgehalten, dass homosexuelle Menschen, die in ihren Heimatländern wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt werden, in der EU ein Recht auf Asyl haben.
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