«Es geht mir um das Politische in der Liebe»
Christopher Wurmdobler hat mit «Felix Austria» einen Roman über queere Identitätsfindung in schwierigen Zeiten geschrieben
Der in Deutschland geborene und jetzt in Wien lebende Autor Christopher Wurmdobler ist für seine LGBTIQ-Romane bekannt. Sein neues Buch «Felix Austria» handelt von der queeren Identitätsfindung im 20. Jahrhundert.
Er beleuchtet unter anderem das Leben in den USA und die Nachkriegszeit in Wien, in der gleichgeschlechtliche Liebe verboten war. Der Autor zeigt, wie queere Personen angesichts historischer Umbrüche mit ihrer sexuellen Orientierung und Identität ringen.
«Es geht mir um das Politische in der Liebe», sagte Wurmdobler bei der Präsentation des Buches. Der Protagonist in seinem Roman heisst Felix. Dieser wanderte vor dem Zweiten Weltkrieg von Wien-Stadlau in die USA aus. Dort schloss sich Felix einem Zirkus an. Er wurde schnell Teil der Zirkusfamilie. Weil Felix anfangs kein Englisch sprach und nicht viel über sich erzählen konnte, wurde er einfach «Felix Austria» genannt.
Kerle vom Zirkus
Der sportliche Österreicher verliebte sich in den Athleten Jack. Beide verbrachten viel Zeit miteinander, machten aber auch mit anderen Männern herum. «Jack suchte dazu bevorzugt die Waschräume von Tankstellen auf», schreibt Wurmdobler. Auch Felix interessierte sich für schnelle anonyme Begegnungen. «Meist waren es verheiratete Männer, denen die Kerle vom Zirkus gerade recht kamen für ein unverbindliches Techtelmechtel in einer stinkenden Klokabine», heisst es in dem Buch.
«Hätte man diese Männer gefragt, sie hätten wohl allesamt behauptet, brave Familienväter zu sein, jedenfalls keine verdammten Homos.»
Nach dem Krieg wurde die Situation für die Zirkusleute gefährlich, weil sie in den USA für Linke und Kommunisten gehalten wurden. So stand ein Mob von Amerikaner*innen mit Fackeln vor dem Zirkuszaun und veranstaltete eine Hexenjagd. Schwule, Kommunist*innen und Andersdenkende mussten damals in den USA aufpassen (MANNSCHAFT berichtete).
Wien in der Nachkriegszeit
Felix kehrte zurück in das graue Wien der Nachkriegszeit. Doch in seiner Heimat wurden gleichgeschlechtlich liebende Menschen verfolgt. Um nicht aufzufallen, führten manche Schwule eine Scheinehe. Felix lernte Franzi kennen, der 1942 im Römerbad festgenommen wurde, weil er dort mit einem anderen Burschen erwischt wurde.
Das Römerbad war damals in Wien ein bekannter Treffpunkt von Homosexuellen. Franzi wurde wegen «Unzucht wider der Natur» verurteilt und in ein Lager deportiert. «Er hatte ja nichts gestohlen, keinen Einbruch begangen. Er hatte nur in das Herz eines lieben Menschen eingebrochen. Das war sein Vergehen», schreibt Wurmdobler.
Franzi musste als Strafe im Steinbruch arbeiten und wurde schwer krank. Doch er überlebte den Terror der Nazis und das Lager. Franzi vertraute Felix und erzählte ihm seine Geschichte. Jetzt verstand Felix, warum Franzis Körper so dürr und bleich war (MANNSCHAFT berichtete über Schwule in der NS-Zeit). «Opfer blieb er, obwohl er doch nie Opfer hatte sein wollen. Schliesslich lagen er und Felix einander in den Armen und weinten beide. Dann aber lachten sie, weil Franzis Geschichte erzählt worden war und weil sie damit nicht in Vergessenheit geraten würde», schreibt Wurmdobler.
Auch Lesben hatten es damals schwer
Über Täter und Opfer sei im Wien der Nachkriegszeit selten gesprochen worden. Nicht nur Schwule, die als Warme beschimpft wurden, sondern auch Lesben hatten es damals schwer (MANNSCHAFT berichtete). Felix hatte eine Freundin names Helga, die ihm von ihrer grossen Liebe zu einer Frau erzählte, doch diese blieb unerfüllt.
Mit «Felix Austria» hat Wurmdobler einen lesenswerten und nachdenklichen Roman geschrieben, wobei die Handlung nicht nur traurig ist. Der Autor macht deutlich, wie wichtig es für queere Personen ist, mutig zu sein und trotz schwieriger Zeiten zu sich selbst zu stehen. Denn es kann wunderschön sein, sich auf die queere Liebe einzulassen.
Der Roman wurde mit einem Stipendium der Stadt Wien unterstützt.
In England haben über 400 Personen aus der Film- und Fernsehbranche nach dem jüngsten Urteil des Obersten Gerichtshofs einen offenen Brief an die britische Film- und TV-Branche unterzeichnet. Darin setzen sie sich für die Rechte von trans Menschen ein (MANNSCHAFT berichtete).
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