Schutzraum statt Schweigen: Wien eröffnet queere WG für ältere Menschen

Protest kommt - natürlich - von der FPÖ, die das Projekt «unanständig» nennt

Älterer Mann allein auf der Strasse
Symbolfoto (Bild: Mathias Reding/Unsplash)

Queere Senior*innen haben es oft nicht leicht. Sie leiden häufig unter Einsamkeit. In vielen Heimen besteht die Sorge vor Ausgrenzung oder die Notwendigkeit, sich erneut outen zu müssen. Eine Lösung sind eigene Wohnformen für ältere LGBTIQ.

In Wien gibt es jetzt die erste «Wohngemeinschaft Vielfalt» für queere Senior*innen. Die Wohnung bietet Platz für sechs Personen. Sie befindet sich in einer guten Lage in der Stumpergasse im sechsten Wiener Gemeindebezirk.

Der bekannte österreichische Schauspieler, Autor und frühere TV-Moderator Günter Tolar unterstützt das Projekt. Nach dem Motto «endlich gemeinsam daheim statt allein» setzt sich Tolar schon seit vielen Jahren für ein solches Wohnprojekt ein. Doch er stiess in der Vergangenheit auf Ablehnung. Nun wird sein Traum endlich wahr. Tolar weiss, wie schwer es queere Senior*innen oft haben (MANNSCHAFT berichtete).

Der frühere Schauspieler wurde 1939 geboren. «Ich komme aus einer Zeit, in der ich verboten war», so Tolar. Denn bis 1971 wurden in Österreich gleichgeschlechtlich liebende Menschen strafrechtlich verfolgt und zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Queere Seniorinnen haben die frühere Diskriminierung oft verinnerlicht. Sie brauchen daher einen sicheren Raum, in dem ihre Bedürfnisse wahrgenommen und akzeptiert werden.

Die queere Wohngemeinschaft liegt in einem neu errichteten Wiener Gemeindebau. Sie besteht aus sechs Einzelzimmern mit jeweils zwölf Quadratmetern. Hinzu kommen drei Bäder und drei Toiletten. Damit sich die Bewohner*innen wohlfühlen, gibt es grosszügige Gemeinschaftsräume und eine 40 Quadratmeter grosse Terrasse.

Die gesamte Wohnung hat 170 Quadratmeter. Die monatlichen Kosten für eine Person belaufen sich auf 690 bis 780 Euro. Darin sind nicht nur die Miete und die Betriebskosten, sondern auch die Betreuungsleistungen sowie die Reinigung der Gemeinschaftsräume inkludiert. Angeboten wird eine regelmässige Betreuung vor Ort sowie flexible Hilfe, die bei Bedarf individuell abgestimmt werden kann. Einziehen können queere Menschen, die älter als 60 Jahre alt sind und die Wert auf Gemeinschaft, Respekt und professionelle Unterstützung legen.

Hinter dem Projekt steht die Volkshilfe Wien. Die Volkshilfe ist eine grosse gemeinnützige soziale Organisation. «Wir wollen eine Stadt, in der Menschen in Würde, Sicherheit, gewaltfrei, gesund, sozial abgesichert und diskriminierungsfrei leben», lautet das Ziel der Volkshilfe. Unterstützt wurde das Projekt von Ikea, die Möbel für die Gemeinschaftsräume gespendet hat. Bislang haben sich zwei Frauen und ein Mann für die Wohngemeinschaft gemeldet.

Kritik kommt, wenig überraschend, von der queerfeindlichen und rechtsextremen Freiheitlichen Partei (FPÖ). Der Wiener FPÖ-Politiker Paul Stadler sagte, es sei nicht nachvollziehbar, warum queere Menschen lediglich aufgrund ihrer sexuellen Orientierung so massiv entlastet werden: «Das ist eine Ungleichbehandlung, die mehr als ungerecht ist! Die Stadt hat jede Förderung für dieses Projekt sofort einzustellen. Es ist jedem unbenommen, in eine WG mit Seinesgleichen zu ziehen. Dies allerdings aufgrund der sexuellen Ausrichtung so dermassen gefördert zu bekommen, ist geradezu unanständig», so Stadler, der sich über die Förderungen für queere Menschen ärgert: «Viele hunderttausend Euro nur für eine Randgruppe auszugeben, ist inakzeptabel.»

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