Don Bachardy – der Mann hinter Isherwood
Eine neue Oral History über Amerikas berühmtestes schwules Künstlerpaar
Der US-Autor Michael Schreiber veröffentlicht mit «Don Bachardy: An Artist’s Life» eine neue Oral History über den Künstler Don Bachardy – und damit über eine der bedeutendsten queeren Liebesgeschichten des 20. Jahrhunderts.
Bachardy, 91, war über drei Jahrzehnte der Partner des Schriftstellers Christopher Isherwood. Ihre Beziehung war ebenso provokant wie revolutionär – und prägt bis heute das Bild schwuler Identität in der Kunst.
Das Buch erscheint nur wenige Wochen vor der Versteigerung von David Hockneys ikonischem Gemälde «Christopher Isherwood and Don Bachardy» (1968), das mit einem geschätzten Auktionspreis von 43 Millionen Euro für Aufsehen sorgt. Das Bild gilt als Meilenstein: Erstmals wurde ein schwules Paar offen, intim und gleichwertig dargestellt – in einer Zeit, in der Homosexualität in den USA noch gesellschaftlich geächtet war.
Eine Liebe, die Geschichte schrieb «Don Bachardy: An Artist’s Life» ist eine sorgfältig komponierte Oral History – und der Titel spielt augenzwinkernd auch mit der sexuellen Doppeldeutigkeit des Begriffs. Das Buch basiert auf umfangreichen Gesprächen, die Schreiber mit Bachardy im gemeinsamen Haus in Santa Monica führte. Herausgekommen ist ein intimes, manchmal ungeschminktes Porträt eines Künstlers, dessen Leben zwischen Hollywood-Glamour und queerer Selbstbehauptung pendelte.
Neben Liza Minnelli, die in ihrem Vorwort schwärmt: «Believe me, baby, this is not just a book, sugar, it's a marvellous dance with words, enchanting, heady and daring!», steuern auch James Ivory, Simon Callow, Tom Ford, Joel Grey, Sir Ian McKellen, Robert Wagner, Edmund White und Michael York Beiträge bei.
Bachardy erzählt von Begegnungen mit Joan Crawford, Bette Davis, Tennessee Williams und Truman Capote – und von seiner Liebe zu Isherwood, mit dem er 33 Jahre lang zusammenlebte. Ihre Beziehung begann in den frühen 1950er-Jahren, mitten in der McCarthy-Ära – einer Zeit, in der Homosexualität als «staatsgefährdend» galt und schwule Männer in Hollywood systematisch verfolgt, entlassen oder öffentlich diffamiert wurden (MANNSCHAFT berichtete).
Dass Isherwood und Bachardy ihre Partnerschaft dennoch offen lebten, war ein mutiger Akt des Widerstands – nicht nur gegen gesellschaftliche Normen, sondern gegen ein Klima der Angst. Ihr gemeinsames Leben zwischen Kalifornien und England wurde so zu einem stillen, aber beständigen Statement für Selbstbestimmung und Liebe jenseits der Konventionen.
Da schwule Männer in den USA damals nicht heiraten konnten, wählten viele Paare einen alternativen Weg, um sich rechtlich und finanziell abzusichern: die Adoption. Auch Isherwood adoptierte Bachardy – eine in queeren Kreisen jener Zeit weit verbreitete Praxis, da sie die einzige legale Möglichkeit bot, Rechte und Besitz zu vererben. So wurde Bachardy nach Isherwoods Tod 1986 zum Erben des literarischen Nachlasses, einschliesslich der Rechte an den Werken, auf denen auch das Musical «Cabaret» basiert.
Schreiber, der in Los Angeles lebt, ist Kunsthistoriker und Autor. Sein Debüt «One-Man Show: The Life and Art of Bernard Perlin» wurde von der American Library Association mit einem Stonewall Honor Book Award ausgezeichnet und wird derzeit als Spielfilm adaptiert. Neben seiner schriftstellerischen Arbeit begleitet er seit über zwanzig Jahren junge Erwachsene mit Autismus und anderen Entwicklungsherausforderungen.
Von Berlin nach Kalifornien Dass Bachardy und Isherwood in Berlin besonders verehrt werden, liegt auf der Hand: Isherwood hatte in den 1920er-Jahren in der Stadt seine «sexuelle Heimat» gefunden und dort die Vorlage für seine Romane «Goodbye to Berlin» und «Mr. Norris Changes Trains» geschrieben.
Das Schwule Museum widmete dem Paar 2019 die Ausstellung «My Dearest Sweet Love: Christopher Isherwood & Don Bachardy», kuratiert von Kevin Clarke und Katherine Bucknell. Sie zeichnete anhand von Fotografien, Gemälden und Dokumenten das gemeinsame Leben der beiden nach – von ihrem Zusammenzug 1953 bis zu Isherwoods Tod. Gleichzeitig zeigte sie den Weg von Isherwoods literarischer Verschlüsselung hin zu seinem öffentlichen Coming-out im autobiografischen Buch «Christopher and His Kind» (1976).
Besonders spektakulär war die Präsentation zweier Originale von David Hockney: der berühmten Lithografie «Don Bachardy; Christopher Isherwood» von 1976 – das gleiche Motiv wie das Gemälde, das nun versteigert wird – sowie Hockneys jüngster grossformatiger Bachardy-Zeichnung von 2018, die erstmals in Europa zu sehen war. Beide Werke waren mit exorbitanten Versicherungssummen abgesichert, die das Schwule Museum nur dank der Unterstützung der Isherwood Foundation – hinter der Bachardy selbst steht – aufbringen konnte.
Die Schau zeigte zudem Bachardys Porträts amerikanischer LGBTIQ-Aktivist*innen, eine Serie von Männerakten und seltene Aufnahmen des Fotografen Wayne Shimabukuro aus den letzten gemeinsamen Monaten des Paars. An Hörstationen lasen Simon Callow und Alan Cumming aus Liebesbriefen der beiden; ein Kurzfilm zeigte Bachardy in seinem Atelier in Santa Monica.
Zwischen Hollywood und queerer Geschichte Schreibers Buch knüpft nicht direkt an diese Ausstellung an, sondern erzählt Bachardys Geschichte aus seiner eigenen Perspektive – als Mosaik aus Erinnerungen, Anekdoten und künstlerischen Reflexionen. Es zeigt, wie eng Kunst, Liebe und Identität miteinander verwoben sein können.
«Don Bachardy: An Artist’s Life» ist nicht nur ein Dokument der queeren Emanzipationsgeschichte, sondern auch ein Zeugnis von Mut, Zärtlichkeit und kompromissloser Offenheit. Bachardy und Isherwood lebten, was heute selbstverständlich scheint: eine Liebe ohne Tarnung.
Dass diese Geschichte gerade jetzt erzählt wird – in einer Zeit, in der Donald Trump und seine Anhänger queeren Lebensentwürfen erneut den Kampf angesagt haben – ist mehr als Zufall. Es ist ein Signal: Erinnerung kann Widerstand sein, und die Sichtbarkeit von Liebe bleibt politisch.
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