Sie war die gefährlichste Lesbe Wiens

Wanda Kuchwalek bezeichnete sich selbst als «stinkschwul». Sie verbrachte 20 Jahre im Gefängnis wegen brutaler Gewalttaten und Zuhälterei

Wanda Kuchwalek vor Gericht
Wanda Kuchwalek vor Gericht (Bild: Brandstaetter Verlag)

Über die «Wilde Wanda» ist wenig bekannt. Dabei war sie die einzige Zuhälterin Österreichs. Sie führte ein bewegtes Leben. Sie liebte Frauen und schaffte es sogar im Gefängnis, ihre Bewacherinnen zu verführen. Jetzt ist ein Buch über sie erschienen.

Von Zeitgnoss*innen und Bekannten wird Wanda Kuchwalek als «herbe Schönheit» beschrieben. «Dass Wanda schon lange vor der Legalisierung offen lesbisch gelebt hat, birgt tatsächlich etwas Pionierhaftes in sich», schreibt der Journalist und Autor Clemens Marschall, der ein Buch über sie verfasst hat. Es wird am 14. Oktober im Wien Museum vorgestellt. Das Buch liefert spannende Einblicke in die frühere Wiener Unterweltszene und das Rotlichtmilieu.

Die «Wilde Wanda» war voller Widersprüche. Sie schickte ihre Sexpartnerinnen auf den Strassenstrich und schreckte auch vor brutaler Gewalt nicht zurück. Ihr Verhalten war toxisch. Denn sie schadete sich nur selbst, sondern auch andere. Für die Recherchen hat Marschall mit noch lebenden Zeitzeug*innen und Weggefährt*innen gesprochen. Er studierte auch alte Zeitungsartikel. Denn verschiedene Wiener Illustrierte haben Wandas Memoiren als Serie veröffentlicht.

«Nie werde ich einem Mann gehören» Ihre Kindheit und Jugend waren tragisch. Wanda Kuchwalek wurde 1947 als Tochter einer Schlangentänzerin und eines russischen Besatzungssoldaten geboren. Denn Teile Wiens waren nach dem Zweiten Weltkrieg von russischen Soldaten besetzt. Ihren Vater lernte Wanda nie kennen.

Nach einem Diebstahl musste Wanda in ein Heim für schwer erziehbare Mädchen. Dort herrschte ein Klima voller Gewalt. Die Mädchen wurden verprügelt und missbraucht. Doch Wanda hatte auch schöne Momente. Vor allem die Nacht mit Traude blieb ihr in Erinnerung. «Ich kuschle mich an sie, ihre flinken Finger ziehen mir das Nachthemd über den Kopf, suchen meinen Mund, meinen Hals, meine Brüste, gleiten den Bauch hinab, suchen den Eingang zu meiner heiss und feucht werdenden Muschel, die sich ihr entgegendrängt.» Wanda hatte dann den ersten Orgasmus ihres Lebens. «Ganze Lavaströme ergiessen sich über meinen bebenden Körper, der nicht genug kriegen kann von dieser ungestümen Zärtlichkeit.»

Das Buch «Wilde Wanda» von Clemens Marschall
Das Buch «Wilde Wanda» von Clemens Marschall (Bild: Brandstätter Verlag)

Für Wanda sei damit klar gewesen: «Nie werde ich einem Mann gehören, ich bin eine Frau, die nur Frauen lieben kann, und ich brauche mich dessen nie zu schämen.» Wanda bezeichnete sich als «stinkschwul». Ein solches Selbstbewusstsein war damals ungewöhnlich. Denn gleichgeschlechtlicher Sex war in Österreich zu jener Zeit verboten.

Wanda geriet als junge Frau in einen geheimen Sexzirkel von reichen Damen der Wiener High-Society. Dabei habe es sich aber nicht um «waschechte Lesbierinnen» gehandelt, sondern um Damen, die gut geheiratet haben und über viel Tagesfreizeit verfügten. Besonders leidenschaftlich war die 50-jährige Madame G. «Sie ist stinkreich und verwöhnt mich wie eine alte Kokotte ihr Schosshündchen. Im Bett ist sie unersättlich und von erstaunlicher Ausdauer, was meiner eigenen Kondition sehr förderlich ist.»

Dildo aus Kerzenwachs im Gefängnis Auch später im Gefängnis war Wanda begehrt. In dem Buch zitiert Clemens Marschall einen Zeitgenossen, der mit Wanda in einem Gefängnis zu tun hatte: «Ich war Hausarbeiter und hab also der Wanda aus Kerzenwachs einen schönen Dildo gemacht und raufgegeben zu ihr», erzählt der Zeitgenosse. Wanda habe «damit ihre Weiber pudert», nicht nur Häftlinge, auch Justizbeamtinnen. «Die hat sich alle eingebraten, die waren alle verliebt in sie.»

Wanda sei von ihren Liebhaberinnen mit Geschenken, Haftprivilegien und manchen Freiheiten belohnt worden. «Aber eine Justizbeamtin hat sich wegen ihr umgebracht», erzählt der Zeitgenosse.

Wanda konnte sich im Wiener Rotlichtmilieu als Zuhälterin durchsetzen. In einem Wiener Schwulenlokal habe sie beispielsweise Christine kennengelernt. «Sie gehört zu den Mädchen, die nicht von Natur aus lesbisch sind, sondern bisexuell. Durch ihren ständigen Umgang mit meist abartigen Männern sind sie vom anderen Geschlecht bald so abgestumpft, dass sie sexuelle Befriedigung nur noch bei Frauen finden und mit Männern sozusagen nur geschäftlich verkehren.»

Der Autor Clemens Marschall schreibt in dem Buch: «Das Lebensmodell, ihre jeweilige Freundin auf den Strich gehen zu lassen, war kein goldener Käfig, sondern einer aus Blech, dem sie bis zum Schluss nicht entkommen sollte.»

Wanda hatte viele Liebes- und Arbeitsbeziehungen. Wenn die Kunden nicht zahlen wollten, eilte Wanda sofort herbei und drosch auf die Männer ein. Wanda soll viel brutaler gewesen sein als männliche Zuhälter.

Von ihren 57 Lebensjahren verbrachte sie 20 Jahre im Gefängnis, in der Psychiatrie oder in anderen Einrichtungen. Verurteilt wurde sie wegen brutaler Gewalttaten und wegen der Zuhälterei, die verboten war. Im Jahr 2004 starb sie verarmt nach einer schweren Krankheit.

Clemens Marschall: «Wilde Wanda. Wiens einzige Zuhälterin: ein Leben zwischen Emanzipation, Exzess und Zerstörung», Brandstätter Verlag, Wien 2025.

Als erster schwuler Film der Filmgeschichte gilt «Anders als die Andern §175», ebenfalls ein deutsches Werk (Drehbuch: Richard Oswald und Magnus Hirschfeld) (MANNSCHAFT berichtete). Er kam schon 1919 raus, zwölf Jahre vor «Mädchen in Uniform».

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