«Danke, Lars Klingbeil!» - Pride-Fahne vorm Finanzministerium gehisst

Der SPD-Vizekanzler widersetzt sich damit den ausdrücklichen Anweisungen von Koalitionspartner CDU/CSU

Die Regenbogenflagge vorm Bundesfinanzminsterium in Berlin
Die Regenbogenflagge vorm Bundesfinanzminsterium in Berlin (Bild: Instagram/@bundesfinanzministerium)

Seit Wochen wird darüber diskutiert, was es bedeutet, dass Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) verboten hat, zur CSD-Saison in Berlin Regenbogenflaggen am Reichstag zu hissen.

Nun hat Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) vorm Finanzministerium eine Regenbogenfahne neben die Deutschland- und Europafahne hängen hassen. Und das Resultat auf Instagram gepostet.

Darauf weist in einem eigenen Facebook-Post u.a. der Queerbeauftragte des Berliner Senats, Alfonso Pantisano, hin. Denn diese Beflaggung verstösst auch gegen die umstrittene von Kanzler Friedrich Merz vorgegebenen Marschrichtung. Merz hatte in der ARD-Talkshow «Maischberger» zu einer möglichen Regenbogenbeflaggung gesagt: «Der Bundestag ist ja nun kein Zirkuszelt» (MANNSCHAFT berichtete).

Zudem hatte Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) verfügt, dass Bundesministerien nur einmal im Jahr die Regenbogenfahne hissen dürfen. Vorm Finanzministerium hängt sie nun bereits zum zweiten Mal, nach dem 17. Mai als Internationaler Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit (IDAHOBIT). Was man nicht anders denn als klare politische Ansage gegen die CDU/CSU verstehen kann.

«Mehr als ein Symbol» Pantisano schreibt jetzt an seinen SPD-Parteifreund: «Danke, Lars Klingbeil. Während sich viele hinter einem fragwürdigen Flaggenerlass verstecken, hast du Haltung gezeigt und zum zweiten Mal die Regenbogenflagge an Deinem Ministerium gehisst – trotz Verbot. Das ist mehr als ein Symbol. Es ist ein Zeichen von Solidarität und Verantwortung. Und es ist genau das, was wir jetzt als queere Community brauchen!»

Und weiter: «Lars Klingbeil hat gezeigt, was Politik leisten kann, leisten muss: Haltung zeigen, wenn andere sich wegducken. Jetzt ist es an der Zeit, dass weitere Bundesminister*innen aus meiner SPD. diesen Schritt mitgehen. Sichtbarkeit für queeres Leben darf nicht an bürokratischen Vorschriften scheitern. Denn Solidarität misst sich nicht an Verordnungen, sondern am Mut, sich im entscheidenden Moment klar zu positionieren.»

An die Adresse von Bärbel Bas äussert Pantisano: «Du bist nicht nur die neue Arbeitsministerin, sondern auch neue Co-Bundesvorsitzende unserer SPD - gemeinsam mit Lars. Und Du stehst sonst auf der Seite der Queers - so war das doch immer. Bitte überdenke daher Deine Entscheidung. Zeig am Berliner CSD Ende Juli Haltung und hisse die Regenbogenflagge an Deinem Ministerium. Deine queeren Genoss*innen und die grosse Mehrheit der queeren Bundesbürger*innen zählen auf dich! Steht uns zur Seite. Jetzt. Laut. Sichtbar.»

«Der Bundestag ist kein Zirkus, aber Merz lässt sich von den gefährlichen AfD-Raubtieren immer wieder durch die Manege ziehen»

Sven Lehmann, Grünen-Politiker

Beim Regenbogenabend der Grünen im Paul-Löbe-Haus hatte am Freitagabend der Queerbeauftragte der alten Bundesregierung, Sven Lehmann, bei seiner Ansprache noch gesagt: «Wenn die Pride Flagge nicht auf dem Bundestag wehen darf, holen wir sie in den Bundestag.» Und: «Der Bundestag ist kein Zirkus, aber Merz lässt sich von den gefährlichen AfD-Raubtieren immer wieder durch die Manege ziehen.»

Umfragetief der SPD Ob wegen der unterschiedlichen politischen Meinungen zu den Regenbogenflaggen an Ministerien und am Reichstag (MANNSCHAFT berichtete) nun - nach der Klingbeil-Aktion - ein grösserer Koalitionsstreit zwischen CDU/CSU und SPD ausbricht, wird sich zeigen. Ebenfalls zeigen muss sich, ob Klingbeil mit der Flaggenaktion aus seinem persönlichen Umfragetief herauskommt und dem seiner Partei.

Zur Erinnerung: Diese Woche war die SPD im ARD-Deutschlandtrend nur noch bei 13 Prozent gelandet. Und im Beliebtheitsranking der Spitzenpolitiker*innen war Klingbeil im Vergleich zum Vormonat um neun Punkte abgestürzt. Nur noch 30 Prozent der Deutschen sind aktuell mit seiner Arbeit «zufrieden» oder «sehr zufrieden».

Beim SPD-Bundesparteitag war Klingbeil zuletzt mit einem Ergebnis von 64,9 Prozent bei der Wahl zum Parteichef von den Delegierten abgestraft worden – anders als Arbeitsministerin Bärbel Bas, die mit 95 Prozent zur Co-Parteichefin gewählt wurde.

Kann der Regenbogenfahnenprotest und der grosse Zuspruch, den Klingbeil dafür aus weiten Teilen der LGBTIQ-Community bekam, an all dem etwas ändern?

Verstösse gegen Vorgaben aus dem Innenministerium zum Aufziehen von Regenbogenfahnen hatten in der Vergangenheit unter Innenministerin Nancy Faeser (SPD) keine Konsequenzen und führten in Einzelfällen lediglich zu Rügen, etwa als Familienministerin Lisa Paus (Grüne) eine Progress-Pride-Fahne hissen liess, obwohl nur die traditionelle Regenbogenfahne erlaubt war.

Möglicherweise handhabt das Alexander Dobrindt jetzt jedoch anders.

Fahnenkunde mit MANNSCHAFT: Diese Flaggen sind Teil des Regen­bogens. Jede sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität hat ihre eigene Farbe.

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