«Merz sollte die Pride-Flagge auf dem Kanzleramt hissen!»
Kritik kommt auch aus seiner eigenen Partei
Bundeskanzler Friedrich Merz äussert sich zum Hissen der Regenbogenfahne auf dem Bundestag. Berlins Queerbeauftragter hat kein Verständnis für dessen Haltung und dessen Formulierungen. Auch in Merz' CDU gibt es erste kritische Stimmen zum Zirkuszelt-Vergleich.
Nach der ersten Kritik von Die Linke an Merz' Äusserungen zum Hissen der Regenbogenfahne (MANNSCHAFT berichtete) erklärt CDU-Parteifreund Matthias Steuckardt, stellvertretender Bezirksbürgermeister von Tempelhof-Schöneberg und Bezirksstadtrat für Bürgerdienste, Soziales und Senioren, gegenüber MANNSCHAFT:
«Zum lesbisch-schwulen Stadtfest wird auch in diesem Jahr wieder die Regenbogenflagge auf dem Rathaus Schöneberg hängen, ein weithin sichtbares Zeichen für Vielfalt und ein friedliches Miteinander, dessen Anblick mich jedes Jahr wieder stolz macht, genau hier Verantwortung tragen zu dürfen. Der Bundeskanzler sollte es einfach mal ausprobieren und die Flagge auch auf dem Bundeskanzleramt setzen lassen.»
Unionsfraktionschef Jens Spahn sagte dem Tagesspiegel, der Bundeskanzler habe völlig Recht. «Diese tagelangen Symboldebatten dagegen tragen nichts zur Freiheit und Sicherheit von Schwulen und Lesben in Deutschland bei.» Der Vorsitzende des Bundesverbands Lesben und Schwule in der Union (LSU), Sönke Siegmann, nannte die Wortwahl in der taz «unglücklich». Darüber werde man mit dem Kanzler persönlich sprechen, es gebe bereits einen Termin
René Powilleit, der Landesvorsitzende der LSU Berlin, sagte auf MANNSCHAFT-Anfrage: «Eine Regenbogenflagge macht den Bundestag nicht zu einem Zirkuszelt.»
«Ich finde die Formulierung mit dem Zirkuszelt sehr unglücklich, gerade in der jetzigen aufgeheizten Diskussion mit zunehmender Hassgewalt.»
Lisa Knack (CDU)
«Ich finde ehrlicherweise die Formulierung mit dem Zirkuszelt sehr unglücklich, gerade in der jetzigen aufgeheizten Diskussionszeit mit zunehmender Hassgewalt», sagte die queerpolitische Sprecherin der Berliner CDU-Fraktion, Lisa Knack, der dpa. «Da hätte man einfach andere Worte wählen können. Meiner persönlichen Meinung nach wäre das besser gewesen, um deeskalierend unterwegs zu sein.»
Faktisch habe Merz recht: «Natürlich ist der Bundestag kein x-beliebiges Gebäude, wo man jeden Tag eine andere Fahne hisst», sagte Knack. «Ich glaube, darum geht es aber auch nicht.» In diesem Kontext sei das Wort ,Zirkus' einfach sehr unglücklich. In der queeren Community sei die Diskussion darüber natürlich gross.
Knack wies darauf hin, dass die Regenbogenflagge regelmässig am Fahnenmast vor dem Roten Rathaus zu sehen sei. «Ich hätte es auch in Ordnung gefunden, wenn sie auf dem Bundestag gehisst worden wäre. Ich finde schon, dass es ein starkes und wichtiges Symbol ist.»
Merz hatte sich in der ARD-Talkshow «Maischberger» hinter den Kurs von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner zum Christopher Street Day (CSD) gestellt. Der CDU-Chef sagte auf die Frage, wie er es finde, dass Klöckner die Regenbogenfahne zum CSD am 26. Juli nicht auf dem Bundestag hissen will: «Der Bundestag ist ja nun kein Zirkuszelt», auf dem man beliebig Fahnen hisse.
Jeder könne vor seiner eigenen Haustür Fahnen hissen, was er wolle, sagte der Kanzler. «Aber wir reden hier über das deutsche Parlament und im deutschen Parlament werden nicht jeden Tag beliebig irgendwelche Fahnen aufgehängt, sondern die deutsche Nationalflagge und die europäische Flagge.»
Der Queerbeauftragte des Berliner Senats, Alfonso Pantisano, hat die Äusserungen von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zum Hissen der Regenbogenfahne scharf kritisiert. «Wenn die Würde des Menschen unantastbar sein soll, dann halten Sie sich endlich daran, Herr Merz!», postete er auf Instagram. «Queere Menschen sind keine Zirkuspferde!»
Pantisano, offiziell Ansprechperson Queeres Berlin der Landesregierung, findet das inakzeptabel: «Ich bin fassungslos. Nein, falsch - ich bin wütend. Masslos. Und traurig», formulierte er. «In einem Land, in dem queere Menschen täglich beleidigt, bespuckt, getreten, ins Krankenhaus geprügelt werden, erklärt Friedrich Merz also das Symbol unseres Überlebens, unseres Widerstands, unserer Hoffnung zu einer lächerlichen Zirkusnummer.»
«Wer so spricht, giesst Öl ins Feuer des Hasses. Wer so spricht, macht sich mitschuldig an der Verrohung der Gesellschaft», kritisierte Pantisano. «Wer so spricht, legt das rhetorische Pflaster für die nächste zusammengeschlagene Drag Queen, für den nächsten bedrohten CSD-Stand, und wenn es ganz schlimm kommt, auch für den nächsten Toten.»
Kritik kommt auch vom einstigen Queer-Beauftragten des Bundes, Sven Lehmann (Grüne): «Merz spalte lieber, als zu verbinden.»
Die Regenbogenfahne steht für die Vielfalt und das Miteinander, das am CSD gefeiert wird. Ebenso wird an dem Tag der Unterdrückung von homosexuellen, bisexuellen und trans Menschen gedacht - speziell mit Blick auf die Stonewall-Unruhen in der Christopher Street 1969 in New York.
«Bitte arbeite weiter!» – Eva vom queeren Künstler-Paar Eva & Adele ist verstorben. Die beiden waren seit 1991 verheiratet (MANNSCHAFT berichtete).
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