Warnung vor «tödlicher Gefahr»: Lesbische Frau nach Türkei abgeschoben
Ihre Familie versuchte schon, sie zwangszuverheiraten
Die 33-jährige Kiymet. A. aus dem Landkreis Miesbach wurde in die Türkei abgeschoben. Dort drohe der lesbischen Frau nachweislich massive Gefahr für Leib und Leben, wie die Münchner Lesbenberatung Letra mitteilt.
Bereits als Jugendliche versuchte ihre Familie, sie zwangszuverheiraten. Als sie sich widersetzte, wollte ihr Bruder sie töten. Nach seiner Flucht aus dem Gefängnis lebt Kiymet A. bis heute in Angst vor tödlicher Gewalt durch ihre Familie. Zusätzlich ist sie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung in der Türkei gefährdet: Queere Personen werden dort rechtlich nicht geschützt, Pride-Veranstaltungen verboten (MANNSCHAFT berichtete) und queere Menschen regelmässig Opfer von Übergriffen und Hassverbrechen. Frauenrechtsorganisationen dokumentieren jedes Jahr Hunderte von Morden an Frauen, Femizide, viele davon «Ehrenmorde“.
Trotz dieser bekannten Gefährdung wurde Kiymet A. Anfang vergangener Woche in den frühen Morgenstunden von der Polizei abgeholt, ohne ihre persönlichen Sachen packen zu dürfen, und nach Istanbul ausgeflogen. Das teilt die Lesbenberatung Letra mit. Derzeit versteckt sie sich bei Bekannten – ohne Sicherheit, ohne Perspektive und in ständiger Angst vor Entdeckung.
«Die Abschiebung von Kiymet. A. ist ein Skandal und ein menschenrechtliches Versagen. Sie hätte niemals in ein Land abgeschoben werden dürfen, in dem ihr Gewalt, ,Ehrenmord' und queerfeindliche Verfolgung drohen», sagt Julia Serdarov, Beraterin der Geflüchtetenberatung der Letra-Beratungsstelle. «Besonders tragisch ist, dass Kiymet. A. im Asylverfahren aus Angst vor ihren Verwandten in Deutschland nicht offen über ihre Homosexualität sprechen konnte. Bevor sie aber die Chance hatte, mit unserer Unterstützung offen über ihre tatsächlichen Fluchtgründe zu sprechen, wurde sie bereits abgeschoben. Dieses strukturelle Problem kennen wir aus vielen unserer Beratungen.»
Letra, die lesbisch-queere Beratungsstelle mit Sitz in München, berichtet von einem deutlichen Anstieg der Anfragen: «Während wir 2022 keine einzige türkische lesbische, queere oder trans Person in Beratung hatten, betreuen wir aktuell rund 12 – bis auf einen Fall alle mit abgelehnten Asylanträgen», erklärt Serdarov.
Dies sind die Forderungen von Letra:
- Sofortiger Abschiebestopp für lesbische, queere und trans Geflüchtete in die Türkei
- Sensibilisierte Asylanhörung und Zugang zu Übersetzer*innen
- Anerkennung von Femizid-Bedrohungen und queerfeindlicher Gewalt als klare Fluchtgründe
«Queeres Leben ist in der Türkei hoch gefährdet. Wer hier abschiebt, riskiert, dass Menschen getötet werden. Das ist nicht vereinbar mit den Grund- und Menschenrechten, zu denen sich Deutschland bekennt», so Serdarov.
Mehr als 2000 Menschen aus Afghanistan warten auf ihre Ausreise nach Deutschland. Zuletzt wurden Dutzende von ihnen in die Heimat abgeschoben. Queere Menschen warten seit Jahren auf ihre Rettung (MANNSCHAFT berichtete).
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