Andy und die «Handwerker»: Irlands erfolgreichster Pornostar

Die Geschichte des 37-jährigen Dubliners wird in einer neuen Amazon-Prime-Doku und Autobiographie erzählt

Pornodarsteller Andy Lee (Mitte) mit seinen Kollegen Dean C Brne (l.) und Paul the Plumber in «Only Andy»
Pornodarsteller Andy Lee (Mitte) mit seinen Kollegen Dean C Brne (l.) und Paul the Plumber in der Doku «Only Andy» (Bild: Amazon Prime)

Irland ist für viele Dinge bekannt – Naturschönheit, Bier, Pubs, grossen Literaten –, aber sicherlich nicht für seine Pornoindustrie. Oder für irgendwelche überregional bekannte Pornostars.

Umso erstaunter war ich, als ich im vergangenen August mit einem Zug von Irish Rail von Dublin nach Templemore (im tiefsten Tipperary) fuhr und in der Zeitung Irish Mirror diese Überschrift sah: «Ireland’s most successful pornstar tells why he will never move home to a ‹nation of begrudgers›». Was man übersetzen kann als: «Der erfolgreichste Pornostar des Landes erklärt, worum er nie in seine Heimat zurückkehren wird», die er als «Nation der Neider*innen» charakterisiert (MANNSCHAFT berichtete über homophobe Vorfälle in Irland).

Andy Lee, wie er sich auf seiner Webseite präsentiert
Andy Lee, wie er sich auf seiner Webseite präsentiert (Bild: andyleexxx.com)

«My Massive C***»

Mein Interesse war besonders angestachelt von dem Hinweis, dass der aus Dublin stammende Andy Lee – der Mann, um den es hier geht – in der Channel 4-Reality-Show «My Massive C***» mitgemacht hatte, mit seinem XXL-Schwanz 1,2 Millionen OnlyFans-Abonnent*innen gewinnen konnte und nun im Geld schwimme (MANNSCHAFT berichetete über OF-Verdienstmöglichkeiten).

Im Irish Mirror-Artikel sieht man ihn zwar mit seiner Freundin Meghan O’Neill, einer Pornodarstellerin aus Nord Irland, aber als ich den vollbärtigen und volltätowierten Andy Lee online suchte, entdeckte ich schnell, dass alle Sexfilme mit ihm Szenen mit anderen Männern sind – und zwar speziell «Handwerker» wie er selbst. Denn Lee hat ursprünglich eine Ausbildung zum Klempner gemacht und später auf dem Bau gearbeitet.

Ist er also ein Gay-for-pay-Darsteller, die mit Hammer, Bohrer und Helmen agiert und eine ganz bestimmte «schwule» Fantasie bedient? Vielleicht sogar «ausnutzet»?

Hassnachrichten aus der Heimat

Im Irish Mirror wurde darauf hingewiesen, dass es demnächst eine neue Doku bei Amazon Prime geben würde mit dem Titel «Only Andy» über Lees Leben und seine OF-Karriere. Doch diese Doku war nach meiner Rückkehr nach Deutschland, zumindest zu dem damaligen Zeitpunkt, nicht zu finden. Was ich sehr bedauerlich fand, weil mich die kritischen Anmerkungen Lees zu Irland aufhorchen liessen: «Ich liebe es Ire zu sein, aber ich hasse die irische Mentalität, die Menschen hier sind nicht offen. Die Mehrzahl aller Hassnachrichten, die ich erhalte (wegen meiner OF-Arbeit, Anm.) kommt aus Irland.»

«Wir waren mehr als nur arm. Es war eine harte Kindheit»

Andy Lee, Pornodarsteller

Er sei in den vergangenen 15 Jahren nur fünfmal nach Irland zurückgekehrt, wo er als Kind mit fünf Geschwistern in einem Sozialbau mit einer alleinerziehenden Mutter aufgewachsen war. Diese starb bei einem Autounfall, als Lee 12 war. Er und seine Geschwister wurden daraufhin auf Verwandte aufgeteilt.

«Wir waren mehr als nur arm. Ich wurde von Familienmitglied zu Familienmitglied rumgereicht. Es war eine harte Kindheit», so Lee. «Deshalb kann ich meinen heutigen Erfolg so würdigen und bin stolz auf das, was ich tue. Denn ich möchte niemals zu diesen schlechten Zeiten zurückkehren.»

Andy Lee in seiner Badewanne auf seiner Webseite
Andy Lee mit Tattoos in der Badewanne auf seiner Webseite (Bild: andyleexxx.com)

Extrageld für Erotikfotos

Er zog mit 18 nach Australien und wurde später sesshaft in Grossbritannien, wo er auf dem Bau arbeitete. Ein Kollege, der in der Umkleidekabine seinen enormen Penis sah, schlug Lee vor, Pornos und Erotikfotografie auszuprobieren. Für jemanden, der mit minimalem Lohn in einem schäbigen Hostel leben musste, war dieses «Extrageld» willkommen.

Er machte um 2010 Karriere als Model in England, trat in Clubs auf, zierte als Covermodel mehrere Zeitschriften. Bis er mit dem Geld eine eigene Baufirma gründete, die expandierte und sogar öffentliche Aufträge bekam. Aus dem Pornogeschäft zog sich Lee weitgehend zurück und nutze irgendwann nur noch OF, um weiter etwas dazuzuverdienen, zum Beispiel über den Verkauf von alten Arbeitsschuhen, getragenen Bauarbeiterkarohemden, vollgewichsten Unterhosen usw.

Lebensunterhalt im Lockdown

Dann entdeckte ihn jemand bei den Behörden auf OF und erzählte das seinen öffentlichen Auftragsgeber*innen. Die Verträge wurden gekündigt. Kurz darauf brach Corona aus und die Welt erstarrte im Lockdown. Lees Firma ging pleite, er selbst wusste nicht, wie er seinen Lebensunterhalt weiter finanzieren sollte. Und startete nun nochmal neu und grösser bei OF. Er kontaktierte die vielen Leute, mit denen er im Lauf der Jahre gedreht hatte und die wie er Handwerker waren (oder zumindest so aussehen), lud sie ein, frische Inhalte zu kreieren. Und er schaffte es so, sich komplett neu aufzustellen.

Andy Lee in typischer Handwerkermontur in «Only Andy»
Andy Lee in typischer Handwerkermontur in «Only Andy» (Bild: Amazon Prime)

Über die TV-Sendung «My Massive C***» wurde seine Geschichte und damit auch seine OF-Tätigkeit bekannter. «Ich sagte meiner Familie in Irland vor der Ausstrahlung der Sendung Bescheid. Einige meiner Onkel haben daraufhin den Kontakt mit mir abgebrochen. Sie meinten, ich würde Schande über die Familie bringen. Als meine Schwester davon erfuhr, redete sie zwei Jahre nicht mit mir.» Allerdings habe sie ihm dann doch eine Chance gegeben sich zu erklären, und jetzt sei sie sein grösster Fan, so Lee. Denn sie verstehe seine Beweggründe.

An der Stelle endete der Irish Mirror-Artikel. Und genau da setzt die Doku «Only Andy» an, um die Geschichte weiterzuerzählen. Mit grosser zeitlicher Verzögerung ist der 58-Minuten-Film nun doch bei Amazon Prime als Teil des Abos im deutschen Sprachbereich abrufbar. Regie hat Andy Lee selbst geführt.

Kein Opferstatus

In einer zentralen Szene erklärt er, dass er diesen Film drehen wollte, um mit dem Mythos aufzuräumen, alle Pornodarstellenden seien Opfer und würden ausgenutzt, gegen ihren Willen. Das sei keinesfalls so, meint Lee, man habe immer eine Wahl. Und er holt verschiedene seiner Pornokollegen vor die Kamera, die angenehm sachlich und überzeugend erklären, warum sie sich – als Heteros – dafür entschieden haben, MSM-Filme zu drehen.

Einer ist der 34-jährige «Paul the Plumber» aus Newcastle in Nordengland. Auch er hatte er harte Kindheit, sein Vater bläute ihm immer ein, dass er auf keinen Fall in einem Fabrikjob hängen bleiben sollte («Don’t get stuck in a factory»). Das Geld, das er mit MSM-Filmen und mit OF sowie mit dem Verkauf von Kleidung als Fetischobjekten mache, erlaube ihm erstmals ein freies und selbstbestimmtes Leben. Das er in vollen Zügen geniesse, sagt Paul.

Privates Glück trotz Pornokarriere

Er geht auch darauf ein, wie schwierig oder nicht schwierig es sei, als Darsteller in MSM-Pornos privat eine Beziehung mit einer Frau zu führen. Paul-the-Plumber meint, es sei wichtig, mit der Partnerin über alles zu sprechen und genaue Grenzen zu setzen. Dann wäre es möglich, dass es funktioniert.

Dean C Brne aus Derby in der Doku «Only Andy»
Dean C Brne aus Derby in der Doku «Only Andy» (Bild: Amazon Prime)

Dem stimmt «Dean C Brne» aus Derby in den East Midlands nur halbwegs zu. Auch er sei in einem Sozialbau aufgewachsen, habe früh die Schule abgebrochen und eine Handwerkerausbildung gemacht, erzählt er. Wegen der schlechten Bezahlung habe er irgendwann angefangen zu strippen. Und das habe ihn auf den Weg gesetzt, der dahin führte, wo er jetzt sei.

«Ich war schon immer Exhibitionist, ich liebe es, meinen Schwanz rauszuholen», erklärt Dean in der Doku. Er habe sich auch schon immer in seinem Körper wohl gefühlt, keine Probleme damit gehabt, sich nackt zu zeigen. Er scheint glücklich damit, wo er jetzt beruflich steht. Sagt aber auch, dass es viele Hassnachrichten online gäbe, die man «aushalten» müsse. Oft kämen sie von Menschen, die aus irgendeinem Grund «neidisch» seien. Man müsse lernen, damit umzugehen und ein dickes Fell zu entwickeln.

«It’s only work»

Dean geht auch auf die Frage ein, wie private Beziehungen mit seinem Job zusammenzubringen seien (MANNSCHAFT berichtete über das Thema). Er sagt, viele Frauen würden seine Sexszenen mit anderen Männern als «angsteinflössend» sehen, schliesslich böten sie ihm etwas, was die Frauen niemals bieten könnten. Er habe vielfach Mühe zu erklären «it’s only work» – es sei nur Arbeit. Ein Satz, den alle Darsteller in «Only Andy» wiederholen. Und auch wenn sie sagen, dass sie diese Arbeit gern machen würden und die Bezahlung toll fänden, machen sie immer wieder deutlich, dass sie die Arbeit ohne Bezahlung nicht ausführen würden. Pornosex ist kein Sex aus Leidenschaft und Überzeugung.

Spannend ist auch Lees Hinweis, dass grosse Heteropornostudio Männer von Drehs mit Frauen ausschliessen würden, die auch mit anderen Männern in MSM-Szenen filmen. Dabei fänden viele der weiblichen Darstellerinnen solche Kollegen besonders gut, so Lee. Was in der Doku auch seine nordirische Lebenspartnerin bestätigt - mit dem typischen Belfast-Akzent, den ich von meinen eigenen Tanten dort kenne. Was ein seltsames Gefühl beim Anschauen der Doku bei mir auslöste. Auch Lee hat einen deutlichen und charmanten südirischen Akzent, der dieser Doku ihren besonderen akustischen Reiz verleiht.

«Ich hasse es eigentlich, mit Heteromännern zu drehen»

Josh Moore, schwuler Pornodarsteller

In «Only Andy» sieht man Lee teils in luxuriöser Umgebung auf Gran Canaria, wo er sich ein neues Leben und eigenes Filmstudio aufgebaut hat – zusammen mit Paul und Dean (die man wiederholt beim Errichten des Studios sieht). Dieses Studio hat Abteilungen wie «Klassenzimmer», «Schlafzimmer», «Büro» oder «Baustelle». Darstellende aus aller Welt können sich dort einmieten und ihren Content drehen. Einer, der das tut, ist der schwule britische Darsteller Josh Moore.

Der schwule britische Pornodarsteller Josh Moore in Dean C Brne aus Derby in der Doku «Only Andy»
Der schwule britische Pornodarsteller Josh Moore in Dean C Brne aus Derby in der Doku «Only Andy» (Bild: Amazon Prime)

WhatsApp-Gruppe als Netzwerk

Man sieht Moore in der Doku in einem Military-Outfit im interview mit Lee. Er erklärt, dass er es eigentlich hasse, mit Heteromännern zu drehen. Aber Lee sei immer so führsorglich gewesen, dass er zu einem guten Freund geworden sei und Moore deswegen gern mit Lees «Handwerkertruppe» zusammenarbeite. Diese «Handwerker» sind übrigens alle über eine WhatsApp-Gruppe miteinander verbunden und sprechen sich so für Dreharbeiten ab. Lee nennt diese WhatsApp-Gruppe sein «Netzwerk».

Während Lee in den verschiedenen Szenen auf einem Motorboot vor der Küste Gran Canarias umherschippert oder in seinem Bentley mit beige-orangen Ledersitzen sitzt und erzählt, erfährt man, dass das tatsächliche Filmen von MSM-Szenen heute nur den kleinsten Teil seiner Arbeit ausmache. Er habe eine Immobilienentwicklungsfirma gegründet, 2022 sein «PSU»-Studio aufgemacht («Andy Lee – Porn Star University»), mit der Amazon-Prime-Doku und den vielen Interviews, die er drumherum gegeben hat, will er offensichtlich den Leuten in Irland zeigen, dass er sich von ihrer «Kleingeistigkeit» in Bezug auf Sexarbeit und Porno nicht unterkriegen lassen werde. Und natürlich ist all das auch Werbung für seinen Account.

Werbung für ein Event in Andy Lees PSU-Studio
Werbung für ein Event in Andy Lees PSU-Studio (Bild: X / @AndyLeexxx)

Autobiografie «Smelly Kid»

Am 10. März folgt noch seine zusammen mit Dave Taylor geschriebene Autobiografie «Smelly Kid». Auf dem Cover sieht man Lee auch als kleinen Jungen (mit Zahnlücke), und auch hier erzählt er die Geschichte seiner schwierigen Kindheit in Dublin und wie er diese dank OF und MSM-Pornos hinter sich lassen konnte. «Roh, herzerwärmend und letztlich inspirierend, eine Geschichte, die man nicht vergisst», heisst es in der Ankündigung.

Andy Lees 220-seitige Autobiografie «Smelly Kid»
Andy Lees 220-seitige Autobiografie «Smelly Kid» (Bild: UK Book Publishing)

Auf alle Fälle ist Andy Lee eines der extrem seltenen Beispiele, wo eine OF- und Pornopersönlichkeit eine eigene Doku und ein eigenes Buch zu Karriere-und-Leben rausbringt. Und mit Stolz darüber redet, wie er es geschafft hat, ein Millionenimperium aufzubauen mit schwulem Sex und mit «Team Andy».

Laut Grindr-Statistik war Henry Cavill für Nutzer*innen der Dating-App kürzlich der «Hottest Man of the Year» (MANNSCHAFT berichtete).

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