Mein Partner ist Pornostar: Funktioniert das als Beziehung?

Florian Klein wurde als «Hans Berlin» bekannt und wird von vielen begehrt. Aber wie beeinflusst das sein privates Dating-Leben?

Florian Klein als Pornostar «Hans Berlin» in einem typischen Glamour-Shot, der mit dem Privatleben wenig zu tun hat (Foto: Ed Olen Photography)
Florian Klein als Pornostar «Hans Berlin» in einem typischen Glamour-Shot, der mit dem Privatleben wenig zu tun hat (Foto: Ed Olen Photography)

In den 1970er-Jahren galten Darsteller aus Schwulenpornos als Ikonen der Gay Community, die man anhimmelte und mit denen man ins Bett wollte. Aber sie waren gesellschaftliche Aussenseiter, die man nicht seinen Kolleg*innen und Heterofreund*innen im «normalen» Leben vorstellte, geschweige denn seinen Eltern zum Adventskaffeetrinken. Seither hat sich viel verändert.

Prominente wie Modemacher Marc Jacobs hatten öffentliche Beziehungen mit Pornodarstellern. Neue Pornogötter wie Blake Mitchell werden heute teils wie Popikonen behandelt, mit hunderttausenden Followern auf Instagram und Twitter, sie klagen aber gleichzeitig in «Ich bin einsam»-Videos darüber, wie schwer es ist, in der Pornobranche zu arbeiten, diesen «ungewöhnlichen Ruhm» zu geniessen und parallel dazu eine romantische private Beziehung aufrecht zu erhalten, bei der sich der Partner emotional nicht ausgeschlossen fühlt, wenn man ständig auf Reisen ist und dann die Filme online auftauchen, in denen man «performativen Sex» mit anderen hat – der nach Spass aussieht, auch wenn’s nur ein gut ausgeführter «Job» ist, der die Miete zahlt. (Zu Mitchells «I’m lonely»-YouTube-Video von 2018 gibt es inzwischen über 1.800 Kommentare, von mitfühlend bis vulgär.)

Lassen sich die Welten wirklich nicht vereinen? Ist das Stigma von einst tatsächlich überwunden, und gehen wir innerhalb und ausserhalb der LGBTIQ-Community mit Menschen respektvoll um, die als Darsteller*innen in Sexfilmen unterwegs sind? Und was sagen die potenziellen Schwiegermütter oder Kolleg*innen heutzutage, wenn man seinen Pornstar-Boyfriend mitbringt zur Weihnachtsfeier und diese ihn erkennen? MANNSCHAFT fragte nach bei Florian Klein, der von Deutschland aus in die USA ging und dort als «Hans Berlin» international Karriere machte. Er spricht bei einem Kaffee auf dem Hollywood Boulevard verblüffend ehrlich über sein kompliziertes Dating-Leben innerhalb und ausserhalb der Branche.

Hallo Florian! Viele schwule Männer lieben es, sich als «Pornodarsteller» zu inszenieren. Sie denken, das mache sie begehrenswerter. Aber wenn sie Pornos tatsächlich zum Beruf machen, so wie du, funktioniert das mit der Begehrlichkeit anders, sobald es nicht mehr «nur» um Sex geht, sondern um Beziehung und gemeinsamen Alltag. Oder? Ich kann hier nur für mich sprechen und von meinen persönlichen Erfahrungen. Mein Dating Life war schon beschissen, bevor ich Pornos gemacht habe, und es wurde danach nicht einfacher. (lacht) Es gibt jedoch etliche berühmte Pornopaare, die zusammenbleiben über viele Jahre, Männer, die sich als Mitarbeiter in der Branche gefunden haben. Ich habe kürzlich eine Szene gedreht mit Mason Lear und Brian Bonds. Die haben sich in der Pornoindustrie kennengelernt und irgendwann lieben gelernt. Nach jahrelanger Beziehung hat Brian dann, direkt nach einem Gang Bang für Raw Fuck Club mit acht weiteren Darstellern, mit einem Ring um die Hand von Mason angehalten. Die beiden sind seither verlobt. Das war 2018 gross in der Presse, weil das Ganze nach dem Gang Bang passierte, wo alle noch verschwitzt und voll Sperma waren. (lacht)

Hast du dich auch schon mal in einen anderen Pornodarsteller verliebt – wie du das in deinem autobiografischen Musical «Shooting Star» beschreibst? Ich habe immer wieder Darsteller kennengelernt, wo es anfangs Interesse an einer Beziehung gab. Bei meinem allerersten Szenenpartner dachte ich damals, völlig blauäugig, wir könnten so etwas wie «Brangelina of Gay Porn» werden. (lacht) Aber wie sich herausstellte, wollte er das nicht. Ich nenne jetzt mal besser keine Namen…

Florian Klein als Porno-Weihnachtsmann «Hans Berlin», wie er sich dieser Tage auf Facebook zeigt (Foto: Privat)
Florian Klein als Porno-Weihnachtsmann «Hans Berlin», wie er sich dieser Tage auf Facebook zeigt (Foto: Privat)

Ist es schwierig, wegen der Konkurrenz? Klar, wenn du mit einem anderen Pornodarsteller zusammen bist, ist das wie in Hollywood. Reese Witherspoon beispielsweise war mal mit Ryan Philippe zusammen, beide waren junge aufstrebende Stars, das perfekte Glamourpaar. Aber dann wurde sie immer erfolgreicher, während seine Karriere den Bach runterging. Irgendwann haben sie sich getrennt. Sowas kann passieren. Trotzdem: Wenn du mit jemandem zusammen bist, der selbst in der Pornowelt arbeitete, versteht er dich möglicherweise besser als jemand, der damit gar nichts zu tun hat.

Kommen Menschen, die dich nur aus deinen Sexfilmen kennen, mit einer falschen Erwartungshaltung auf dich zu? Ja, das gibt’s, dass sich manche die ganz grosse Zirkusnummer ausmalen, wenn sie mit mir ins Bett gehen. (lacht) Manche, mit denen ich mich privat verabrede, schauen sich vorher meine Hans-Berlin-Videos an und haben dann bestimmte Vorstellungen, wie unser Date ablaufen sollte. Aber die Ära der echten Pornolegenden – wie einst Jeff Stryker, mit dem jeder ins Bett wollte und erwartete, von seinem Riesenschwanz durchgevögelt zu werden –, diese Ära ist in Zeiten von «Only Fans» vorbei.

Heute kann jeder sein eigener Self-Made-Pornostar sein, und viele nutzen diese Möglichkeit auch, sowohl um Geld zu verdienen, als auch für den Kick. Die Folge: Es gibt momentan so unendlich viele «Pornostars», dass man den Überblick verliert und das schon fast so alltäglich ist, wie im Supermarkt an der Kasse zu sitzen. Na ja, fast. (lacht) Jemand, der via Only-Fans-Seiten in die Pornowelt will, bekommt instant gratification, weil er begehrt und beliebt ist und auf Sozialen Medien unendliche «Likes» erhält. Aber es kommt auch im Jahr 2020 noch ein Stigma dazu, selbst wenn viele schwule Beziehungen heute immer offener werden und oft fortschrittlicher sind, als Heterobeziehungen.

Aber es kommt auch 2020 noch ein Stigma dazu, selbst wenn viele schwule Beziehungen heute immer offener werden und oft fortschrittlicher sind, als Heterobeziehungen

Was ist, wenn du jemanden von völlig ausserhalb der Branche triffst und erzählst, dass du Pornos drehst, professionell, nicht als «Only Fans»-Account? Es ist schon eine Herausforderung jemanden zu treffen, der damit keine Probleme hat. In Los Angeles spielte im Januar 2020 Wesley Woods in einer Theaterproduktion mit. In der Garderobe lernte ich seinen Freund kennen, der kein Pornodarsteller ist. Und Wesleys Eltern, die auch zur Premiere gekommen waren. Sie gingen alle sehr entspannt miteinander um, ich fand das rührend. Und ich war fast etwas neidisch!

Ist das die Ausnahme? Gute Frage. (lacht) Ich weiss es nicht. Bei mir war es bisher definitiv nie so. Meine Vorgeschichte ist allerdings, dass ich für Beziehungen kein glückliches Händchen habe. Deshalb werde ich vermutlich irgendwann alleine sterben. (lacht)  Ob das aus mir eine tragische Figur macht, sei mal dahingestellt. Aber bei meinem Ex G. war es geradezu klassisch: Er wollte mich damals kennenlernen und poppen, weil ich Pornos drehe. Als daraus eine Beziehung wurde, hatte er dann doch später Probleme damit.

Florian Klein mit seinem deutschen Ex-Partner G. (Foto: Alexander Deeg)
Florian Klein mit seinem deutschen Ex-Partner G. (Foto: Alexander Deeg)

Was war das Problem? Zum einen konnten wir nie über meine Arbeit reden, weil da ständig Eifersucht reinspielte. Aber letztlich will und muss jeder Mensch über seine Arbeit mit dem Partner sprechen können, schliesslich ist das ein wichtiger Teil des Lebens, was Finanzen angeht, Kontakte, Zeit. Vielleicht spielte auch Neid eine Rolle. Wenn du mit einem Pornodarsteller zusammen bist, hast du ständig einen visuellen Beweis dafür, dass dein Freund mit anderen Leuten Sex hat. Manche finden das geil, andere stört es. Vielleicht, weil sie selbst auch gern Sex mit diesen Männern hätten.

Wie haben denn die Freund*innen und Kolleg*innen von G. auf dich reagiert? Die wussten ja von Anfang an Bescheid und haben G. bestimmt gehänselt, als sie mir online immer wieder beim Ficken zugucken konnten – schliesslich surft ja heute jeder mehr oder weniger regelmässig durch Online-Pornowelten. Beendet hat er die Beziehung allerdings erst, als seine Mutter herausfand, dass ich kein «normaler» Schauspieler bin. Für sie war das ein Riesenproblem und eine Frage der «Treue». Ich habe ihr damals einen Brief geschrieben und sie daran erinnert, dass sie mich mochte, als sie mich kennenlernte. Und dass ich ihren Sohn liebe. Aber es hat nichts genutzt. Das hat die Beziehung schliesslich vollkommen kaputt gemacht. Was ich sehr bedauere.

MANNSCHAFT-Autor Kevin Clarke (r.) mit Florian Klein beim Interviews in Los Angeles (Foto: Privat)
MANNSCHAFT-Autor Kevin Clarke (r., nach 12 Stunden Flug) mit Florian Klein bei Teil 1 dieses Interviews in Los Angeles, im Januar 2020 (Foto: Privat)

Wenn du beruflich die ganze Zeit Sex hast, wie ist das dann, wenn du nach Hause kommst? Ich habe schon gerne viel Sex. (lacht) Für mich ist Sex als körperlicher Akt einfach schön, aber ich will auch in den Armen von jemandem einschlafen. Das ist genauso wichtig. Ohne grosse Zirkusnummer. Ausserdem habe ich selbst in meinen besten Pornozeiten nur drei bis vier Tage im Monat gedreht, da ist also viel Zeit für Privatleben, wo es um andere Dinge gehen sollte. Viele schwule Beziehungen sind heute so, dass sie Sex mit anderen zulassen, ohne dass dies die Nähe zwischen den Lebenspartnern schmälert. Für mich ist eine offene Beziehung die einzige Möglichkeit für eine lange Beziehung. Sex mit anderen ja; aber Monogamie des Herzens. Und meist denke ich so wie mein Mitbewohner, der auch Single ist, obwohl er keine Pornofilme dreht: Irgendwo da draussen ist mein Mann, und irgendwann werde ich ihn auch treffen. (Pause) Ich habe allerdings auch dunkle Momente, wo ich den Glauben an die Liebe verliere.

Ich habe allerdings auch dunkle Momente, wo ich den Glauben an die Liebe verliere

Andererseits habe ich diesen Glauben in ein romantisches Musical gesteckt mit dem Titel «Shooting Star». Es feiert 2019 in Los Angeles erfolgreich Premiere, nachdem es eine Arte Probedurchlauf in New York gab und eine allererste öffentliche Lesung im Schwulen Museum Berlin, im Rahmen der Ausstellung «Porn That Way». Im Stück male ich mir plastisch aus, wie eine perfekte Beziehung aussehen könnte, in der Porno und Liebe miteinander harmonieren, wo Familie und Freunde und Kollegen ohne Stigma miteinander umgehen. Und wo es ein Happy End gibt zu den Klängen von Thomas Zaufkes Musik. (MANNSCHAFT berichtete.)

Gibt’s so etwas nur im Musical? Nein, es gibt viele positive Beispiele von Paaren, wo einer oder beide in der Pornobranche arbeiten. Was ich hier erzählt habe, ist vermutlich genau das, was die meisten Menschen erwarten und hören wollen: Tragik! (lacht) Neulich habe ich mit der Regisseurin Mr. Pam gesprochen, die sagte: Wenn man so lange als Single gelebt hat, dann ist es schwer, sich auf einen Partner einzulassen und an einem gemeinsamen Alltag zu arbeiten. Denn natürlich machen Beziehungen Arbeit, sie laufen niemals über Jahre und Jahrzehnte harmonisch, ohne dass man Kompromisse aushandelt. Das gilt auch für Beziehungen mit einem Pornodarsteller, der in seiner Karriere Hochs und Tiefs durchläuft, sich fragt, wie’s weitergeht, wie er mit dem Älterwerden umgehen soll usw.

Wie sieht denn dein Mr. Right aus? Da bin ich ziemlich offen. Meist connecte ich besser mit Jüngeren, weil viele Männer in meinem Alter schon so sehr gesettelt sind und den Hunger – die Leidenschaft! – fürs Leben verloren haben. Wichtig ist mir auch, dass mein Partner sich ums politische Weltgeschehen kümmert, recycelt und offen für Abenteuer ist. Und er muss auf jeden Fall verstehen, dass die Hauptfigur in meinem Leben mein Musical ist. Das ist mein Baby. Und das kommt immer an erster Stelle.

Dass wir jetzt in der Corona-Lockdown-Phase ein Video drehen konnten, wo Leute vom Broadway, aus der Pornobranche, queere Ikonen und viele andere mehr einen «Shooting Star»-Clip aufnehmen und präsentieren konnten, ist fast so etwas wie mein ganz persönliches Happy End. Der Theaterlockdown gibt mir zudem viel Zeit für Rewrites. Ausserdem hatte ich schon einige Meetings wegen eine möglichen Filmfassung. Die ganzen Streaming-Plattformen sind hungrig nach Content, und dank Pionieren wie Ryan Murphy gibt es da auch immer mehr queere Inhalte, auch in Musicalformat. Also schön die Daumen drücken. (lacht)

Derweil haben Brian Bonds und Mason Lear übrigens erklärt, dass sie auch nach der Hochzeit weiter Pornos drehen und eine Familie mit Kindern gründen wollen. Das gibt es offensichtlich auch: etwas anders als man’s normalerweise in der Zeitung liest, aber trotzdem Teil der queeren zeitgemässen Beziehungsoptionen.

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