Leopold Museum würdigt den schwulen Künstler Max Oppenheimer

Wiederentdeckung eines beinahe vergessenen Protagonisten des Expressionismus

Ausschnitt aus Oppenheimers «Die Geisselung» von 1913 (Foto: Leopold Museum, Wien/ Lisa Rastl)
Ausschnitt aus Oppenheimers «Die Geisselung» von 1913 (Foto: Leopold Museum, Wien/ Lisa Rastl)

Die grossangelegte Retrospektive im Wiener Leopold Museum unterstreicht, auf welch innovativen Pfaden sich der für die Moderne so bedeutende jüdische und homosexuelle Künstler Max Oppenheimer stets bewegte.

Die umfassende Präsentation zeigt, wie radikal der in Wien geborene Maler und Grafiker immer wieder seine künstlerische Handschrift transformierte und einen substanziellen Beitrag zur Kunst der Moderne leistete. Mit rund 180 Exponaten beleuchtet die Ausstellung «Max Oppenheimer. Expressionist der ersten Stunde» sein weitgehend unbekanntes Werk und erschliesst seinen vielseitigen Motivschatz, der von Porträts und religiösen Themen über Stillleben bis hin zu Musiker*innendarstellungen reicht.

Max Oppenheimer um 1925 (Foto: Archiv Museum Langmatt, Stiftung Langmatt Sidney und Jenny Brown, Baden, Schweiz)
Max Oppenheimer um 1925 (Foto: Archiv Museum Langmatt, Stiftung Langmatt Sidney und Jenny Brown, Baden, Schweiz)

Bereits früh erlangte der 1885 in Wien geborene Oppenheimer Aufmerksamkeit und stellte seine Werke europaweit aus. Seine erfolgreiche Karriere führte ihn zwischen 1912 und 1932 mehrfach ins Ausland, wobei er immer wieder nach Wien zurückkehrte.

Der Künstler machte Bekanntschaft mit zahlreichen Protagonist*innen der Moderne wie Oskar Kokoschka, Egon Schiele, Paul Cassirer, Adolf Loos oder Sigmund Freud und setzte sich mit zukunftsweisenden Kunstströmungen auseinander, so u. a. mit Kubismus oder Futurismus. 1938 musste Oppenheimer vor den Nationalsozialist*innen über die Schweiz in die USA fliehen. In New York, wo er 1954 verstarb, war es ihm nicht möglich an frühere Erfolge anzuknüpfen.

«Man verharrt niemals in Ruhe» «Bei Oppenheimer sollte sich folgendes Diktum, formuliert in seinem Manuskript ‹Aus meinem Leben›, als Grundeinstellung manifestieren: ‹Man verharrt niemals in Ruhe, keine Einförmigkeit zwingt zur Untätigkeit, man treibt rastlos neuen Ereignissen, unbekannten Himmeln entgegen›», sagt Hans-Peter Wipplinger, Direktor des Leopold Museum und Kurator der Ausstellung.

Plakat für Oppenheimers erste Einzelausstellung in der Modernen Galerie 1911 (Foto: Wien Museum/ Birgit und Peter Kainz)
Plakat für Oppenheimers erste Einzelausstellung in der Modernen Galerie 1911 (Foto: Wien Museum/ Birgit und Peter Kainz)

Und weiter: «Angesichts seiner eingeschlagenen innovativen Pfade und seines erfolgreichen Karriereweges ist es verwunderlich, dass Max Oppenheimer die entsprechende Anerkennung in den letzten Jahrzehnten versagt geblieben, ja sein Schaffen nahezu in Vergessenheit geraten ist. Umso erfreulicher ist es, dass nun diese grossangelegte, retrospektive Schau im Leopold Museum die Möglichkeit bietet, Oppenheimers weitgehend unbekanntes und gleichermassen überraschendes Œuvre neu zu erschliessen und diese für die Moderne so wichtige Künstlerpersönlichkeit wiederzuentdecken.»

Antisemitismus und Hetzkampagnen gegen Homosexuelle Mythologisch aufgeladene Arbeiten wie «Simson» (1911), «Die Geisselung oder Beweinung» (1913) zeigen, wie sich der Künstler aufgrund von erlittenen Verletzungen durch Hetzkampagnen, wegen des aufkommenden Antisemitismus, aber auch seiner Homosexualität, die gesellschaftliche Ächtung erfuhr, als Leidender inszenierte.

Nach anfänglicher Hoffnung auf eine klärende Kraft des Ersten Weltkriegs erkannte auch Oppenheimer diese als illusorisch an und begab sich 1915 als überzeugter Pazifist ins Schweizer Exil, wo es zu einer vertieften malerischen Auseinandersetzung mit musikalischen Themen kam, welcher zwei Museumssäle gewidmet sind. Auch seiner herausragenden Kunstfertigkeit als Grafiker sowie seiner wiederholten Auseinandersetzung mit der Stilllebenmalerei widmet sich die Schau mit zahlreichen Werken.

Egon Schieles Porträt von Max Oppenheimer, 1910 (Foto: Albertina, Wien)
Egon Schieles Porträt von Max Oppenheimer, 1910 (Foto: Albertina, Wien)

1925 übersiedelte der Künstler erneut nach Berlin. In einer von Gegensätzen geprägten Epoche – Resignation und Anklage auf der einen, Sehnsüchte und Lebenslust auf der anderen Seite – vereinte Oppenheimer in seinen Abbildern von Amüsements der Grossstadtgesellschaft, wie «Sechstagerennen» (1929), neusachliche Aspekte mit futuristischen Stilmitteln.

Verfemdung und Exil Im Zuge des Aufstiegs des Nationalsozialismus wurde der Maler ob seiner jüdischen Wurzeln in Deutschland als «entarteter Künstler» verfemt, seine Werke wurden aus öffentlichen Sammlungen konfisziert und er kehrte 1932 zurück in seine Geburtsstadt Wien. Durch den Einmarsch der deutschen Truppen in Österreich 1938 war er gezwungen zu fliehen und emigrierte über die Schweiz in die USA. Zahlreiche Werke wurden vernichtet, andere gelten als verschollen. Für Oppenheimer erwies sich das Exil als prekäre Situation. Die Entwurzelung fern der Heimat hatte Apathie und einen weitgehenden Stillstand seiner Kreativität zur Folge.

Max Oppenheimer verstarb 1954 vereinsamt und verarmt in New York.

Oppenheimers «Operation» von 1951 (Foto: Sammlung Oesterreichische Nationalbank)
Oppenheimers «Operation» von 1951 (Foto: Sammlung Oesterreichische Nationalbank)

Begleitend zur Ausstellung ist ein umfangreicher, zweisprachiger Katalog mit Beiträgen von Markus Böggemann, Alfred Fehringer, Kerstin Jesse, Lisa Smit, Aline Marion Steinwender, Hans-Peter Wipplinger sowie einer Künstlerbiografie von Lena Scholz erschienen.

Österreichische Aktivist*innen fordern, dass im Schulunterrichte mehr LGBTIQ-Themen behandelt werden müssen (MANNSCHAFT berichtete).

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