Im 2. Anlauf: Koalition plant wichtige Verbesserungen für LGBTIQ

Stärken wollen ÖVP, SPÖ und Neos u.a. die Rechte gleichgeschlechtlicher Paare

Chefs von den 3 Parteien SPÖ, ÖVP und Neos auf Presse-Konferenz
Koalitionspartner*innen in spe (Bild: Helmut Fohringer/dpa)

Die konservative Volkspartei (ÖVP) hat sich im 2. Anlauf mit SPÖ und den liberalen Neos auf die Bildung einer neuen Regierung geeinigt (MANNSCHAFT berichtete). Im Regierungsprogramm, das MANNSCHAFT vorliegt, gibt es wichtige Verbesserungen für LGBTIQ.

In ihrem Programm haben sich die konservative ÖVP, die Sozialdemokraten (SPÖ) und die liberalen Neos auf wichtige Verbesserungen für LGBTIQ geeinigt. MANNSCHAFT liegt das Regierungsprogramm vor. Es hat 211 Seiten. Darin sind einige wichtigen Forderungen der queeren Community enthalten. So heisst es im Regierungsprogramm, dass ein Verbot von Konversationstherapien umgesetzt werden soll.

«Einseitige pseudowissenschaftliche Umerziehungen, die auf die Geschlechtsinkongruenz (ICD-11) abzielen, werden untersagt.» Des weiteren sind «klare Regelungen zum Schutz intergeschlechtlicher Minderjähriger vor gesundheitlich nicht-notwendigen Eingriffen» geplant. Dabei sollen die Selbstvertretungsorganisationen von inter Menschen (wie VIMÖ und AGS) einbezogen werden. Diesbezüglich soll es auch einen Ausbau der Sensibilisierungsmassnahmen für das Gesundheitspersonal geben. Das Gesundheitspersonal soll besser über Intergeschlechtlichkeit aufgeklärt werden.

Das Regierungsprogramm beschäftigt sich auch mit der medizinischen Behandlung von minderjährigen trans Personen. Hier sind folgende Massnahmen geplant: Zunächst soll es eine Erhebung und ein «Monitoring von Daten (quantitativ und qualitativ) und des Status quo in Bezug auf Behandlungen sowie Erstellung von Langzeitstudien für Minderjährige mit Geschlechtsinkongruenz» geben. Weiters planen ÖVP, SPÖ und Neos eine «wissenschaftliche Prüfung der Behandlungsrichtlinien für eine strengere Handhabung bei Pubertätsblockern, sofern diese medizinisch nicht notwendig sind». In diesem Punkt gibt es ein Entgegenkommen der ÖVP. Denn Teile der ÖVP haben sich in der Vergangenheit gegen Pubertätsblocker für minderjährige trans Personen ausgesprochen. Nun soll es in diesem Bereich eine wissenschaftliche Prüfung geben.

Stärken wollen ÖVP, SPÖ und Neos auch gleichgeschlechtliche Paare. Angekündigt wird hier im Regierungsprogramm die «Prüfung einer Rechtsbereinigung». Damit sollen «vielfältige Familienkonstellationen, wie gleichgeschlechtliche Paare und Alleinerziehende, rechtlich besser» anerkannt und gleichstellt werden. Umgesetzt werden soll auch die Möglichkeit der Umwandlung einer vor Anfang 2019 geschlossenen eingetragenen Partnerschaft in eine Ehe. Auch soll eine bestehende Lücke im Internationalen Privatrechtsgesetz geschlossen werden. «Dadurch werden Adoptionen durch gleichgeschlechtliche Paare auch dann rechtlich abgesichert, wenn ein Partner keine österreichische Staatsbürgerschaft besitzt», heisst es im Regierungsprogramm.

Auch soll das Reproduktionsrecht überarbeitet werden, «sodass etwaige bürokratische Hürden für lesbische Paare abgebaut werden». Auch soll ein Gesetzesvorschlag erarbeitet werden «für ein Datenschutz- und grundrechtskonformes Eizellen- und Samenspendenregister». Dieser Satz befindet sich im Kapitel zu LGBTIQ-Rechten. Ein solches Eizellen- und Samenspendenregister würde aber nicht nur queere Personen betreffen.

«LGBT-feindliches Verhalten ist in bestimmten migrantisch geprägten Gruppen weit verbreitet. Dem muss entgegengewirkt werden»

Des weiteren kündigen ÖVP, SPÖ und Neos an, dass der LGBTIQ-Gesundheitsbericht «qualitativ verbessert, dauerhaft implementiert und dem Parlament vorgelegt» werden soll. Auch wird es die kostenfreie Prep in der Regelversorgung für alle Versicherten geben. Prep steht für Präexpositionsprophylaxe und ist neben der Verwendung von Kondomen eine weitere Präventionsmassnahme zum Schutz vor HIV. Unter ärztlicher Aufsicht beugt eine tägliche und konsequente Einnahme des Medikaments eine Infektion mit HIV vor. Die kostenfreie Prep ist in Österreich schon seit 2024 erhältlich. Nun erfolgt diesbezüglich eine Klarstellung von ÖVP, SPÖ und Neos.

Im Kapitel über Integration heisst es, dass «religiös und kulturell motivierte Homophobie» bekämpfen werden soll. «LGBT-feindliches Verhalten ist in bestimmten migrantisch geprägten Gruppen weit verbreitet. Dem muss mit gezielten Massnahmen entgegengewirkt werden», betonen ÖVP, SPÖ und Neos.

Auch ist in Österreich ein nationaler Aktionsplan gegen «Hate Crime» geplant. Hier sind eine «wissenschaftliche Erhebung und Erstellung zielgruppenspezifischer Massnahmen" geplant, um negative Entwicklungen einzudämmen. Dabei soll es unter anderem um eine religiös-kulturell-motivierte «Homo- und Transphobie, insbesondere in migrantisch geprägten Communities und patriarchalen Gruppierungen» gehen.

Im Kapitel über Sport betonen ÖVP, SPÖ und Neos, dass eine Fortsetzung der Massnahmen im Kampf gegen Homophobie geplant ist. Im Kapitel über Schulen sind Anti-Diskriminierungsmaßnahmen und die Bekämpfung von radikalen Strömungen vorgesehen. Konkret heißt es dazu im Regierungsprogramm: "Entgegentreten allen Tendenzen, die die religionsneutrale Rechtsordnung zu untergraben versuchen oder durch die antidemokratisches, antisemitisches, frauenfeindliches, homophobes oder totalitäres Gedankengut transportiert wird».

Am Regierungsprogramm haben queere Politiker*innen von ÖVP, SPÖ und Neos mitgewirkt. Bei der SPÖ gibt es mit Mario Lindner einen schwulen Politiker, der sich im Parlament besonders stark für die queere Community engagiert. Lindner ist Bundesvorsitzende der sozialdemokratischen LGBTIQ-Organisation Soho. Bei den liberalen Neos sind gleich mehrere Abgeordnete queer: Henrike Brandstötter, Yannick Shetty und Johannes Gasser. Die ÖVP hat sich in der Vergangenheit nicht wirklich für queere Anliegen eingesetzt, obwohl die Partei mit Nico Marchetti einen offen schwulen Nationalratsabgeordneten hat. Marchetti konnte in seiner Partei erreichen, dass diese queerfreundlichen Punkte in das Regierungsprogramm aufgenommen werden.

Für die queere Community waren die vergangenen Monate eine emotionale Achterbahnfahrt. Denn bei den Parlamentswahlen im vergangenen Herbst stieg die rechtsextreme und queerfeindliche FPÖ zur stimmenstärksten Partei auf. Die FPÖ verhandelte seit Jahresbeginn mit der konservativen ÖVP über die Bildung einer neuen Regierung. Die queere Community befürchtete Schlimmes. Denn die FPÖ möchte zahlreiche queerfeindliche Gesetze wie in Russland und in Ungarn beschliessen.

In einem Entwurf für das Regierungsabkommen wollten FPÖ und ÖVP in Österreich ein binäres Geschlechtersystem festschreiben. Das hätte bedeutet, dass es in Österreich nur noch zwei Geschlechter (männlich und weiblich) geben darf. Das hätte eine massive Schlechterstellung für trans, inter und nicht-binäre Menschen bedeutet. Wochenlang demonstrierten queere Menschen gegen ein Regierungsbündnis mit der FPÖ. Doch dann scheiterten die Gespräche zwischen ÖVP und FPÖ (MANNSCHAFT berichtete).

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