FPÖ und ÖVP nur einig über 2 Geschlechter? Regierungsbildung gescheitert

Neuwahlen sind nicht ausgeschlossen

12 February 2025, Austria, Vienna: Freedom Party of Austria (FPOe) leader Herbert Kickl arrives to the FPOe headquarters in Vienna.
FPÖ-Chef Herbert Kickl (re) (Bild: Helmut Fohringer/APA/dpa)

Nie hat eine Regierungsbildung in Österreich so lange gedauert. Nun sind die Koalitionsgespräche von FPÖ und ÖVP gescheitert. Erneute Wahlen müsste die queerfeindliche FPÖ nicht fürchten.

Einen Kanzler Kickl wird es zunächst aber nicht geben. Aus LGBTIQ-Sicht eine gute Nachricht.

«Nachdem Österreich einem rechtsextremen Bundeskanzler haarscharf entkommen ist, müssen wir jetzt die Chance nutzen und eine Bundesregierung auf den Weg bringen, die sowohl unsere Vielfalt als auch die soziale Sicherheit in Österreich schützt», erklärte der SoHo-Bundesvorsitzende und SPÖ-Gleichbehandlungssprecher Mario Lindner auf MANNSCHAFT-Anfrage.

«Aus queerer Sicht geht es gerade jetzt umso mehr darum, ein selbstbestimmtes und sicheres Leben für alle Menschen in unserem Land sicherzustellen.»

Mario Lindner, SPÖ

«Aus queerer Sicht geht es gerade jetzt umso mehr darum, ein selbstbestimmtes und sicheres Leben für alle Menschen in unserem Land sicherzustellen: Dazu gehört ein bundesweites Vorgehen gegen Hate Crime und Hate Speech genauso wie endlich auch den vollen Schutz vor Diskriminierung im Gesetz! Und natürlich müssen wir endlich jene Ziele umsetzen, die der Nationalrat bereits in der letzten Legislaturperiode beschlossen hat – das Verbot aller Konversionstherapien und den gesetzlichen Schutz intergeschlechtlicher Kinder. Aber egal welche Regierung kommt, angesichts von Teuerung und Krisen brauchen wir vor allem eine Politik, die soziale Absicherung, gute Gesundheitsversorgung und ein sicheres Leben in den Fokus rückt!»

In Österreich standen die Koalitionsgespräche von rechter FPÖ und konservativer ÖVP unter zunehmend schwierigen Vorzeichen. Ein Verhandler der ÖVP säte kurz vor einer neuen Verhandlungsrunde Zweifel an einer Einigung. «Wer nicht konsensbereit ist und sich nur im Machtrausch befindet, der ist möglicherweise nicht regierungsfit», sagte ÖVP-Verhandler Harald Mahrer der Kronen Zeitung in Richtung FPÖ.

Am späten Dienstagvormittag setzten FPÖ und ÖVP ihre Gespräche auf Spitzenebene fort (MANNSCHAFT berichtete). FPÖ-Chef Herbert Kickl und ÖVP-Vorsitzender Christian Stocker hätten noch zahlreiche offene Punkte zu besprechen. Kickl zeigte sich trotz der Unstimmigkeiten zuversichtlich: «Ich war letzte Woche optimistisch, ich bin diese Woche optimistisch», sagte der 56-Jährige.

Nun sind die Gespräch gescheitert. Die FPÖ habe laut Tagesschau einen Kompromissvorschlag zur Verteilung der Ministerien abgelehnt und die Konservativen für die Blockade der Gespräche verantwortlich gemacht. Beide Parteien beanspruchten das Innenministerium für sich. Als Kompromiss hatte die ÖVP vorgeschlagen, die Themen Migration und Asyl in ein eigenes FPÖ-geführtes Ministerium auszulagern. Doch dies wies Kickls FPÖ zurück.

Angenähert hatten sich die Parteien offenbar beim Thema Geschlecht: «Es ist völlig skurril, dass laut Meldegesetz die Auswahl zwischen sechs Geschlechtsbezeichungen möglich ist. Biologisch gesehen gibt es zwei Geschlechter», ist den Verhandlungsprotokollen zu entnehmen, aus denen das Nachrichtenmagazin Profil jetzt zitierte. Man streite aber noch, ob man gendergerechte Rechtschreibung in Schulbüchern beibehalten oder abschaffen wolle.

Abschaffen wollte die FPÖ laut Profil das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW), das sich wissenschaftlich mit Österreichs Nazi-Vergangenheit und Rechtsextremismus in der Gegenwart beschäftigt.

Die Konservativen verlangten von den Rechtspopulisten unter anderem noch, dass die neue Regierung ein «konstruktiver und verlässlicher» Partner in der EU sein müsse. Die FPÖ ist äusserst EU-kritisch. Auch müsse eine Koalition den russischen Angriff auf die Ukraine verurteilen und Moskau als Bedrohung einstufen, heisst es in einem Papier, das die ÖVP der FPÖ nun vorlegte. Die FPÖ ist gegen die EU-Sanktionen, die Russland für die Aggression bestrafen sollen.

Viele österreichische Medien spielten schon Anfang der Woche Szenarien nach einem etwaigen Abbruch der Gespräche durch. Als Alternative zu Neuwahlen könnte Bundespräsident Alexander Van der Bellen auch eine Übergangsregierung einsetzen, so der Tenor. Die sozialdemokratische SPÖ, die Grünen und die liberalen Neos haben unterdessen signalisiert, dass sie eine solche Regierung gegebenenfalls in bestimmten Fragen unterstützen würden.

Erneute Wahlen müsste die FPÖ nicht fürchten. Nach ihrem Sieg bei den Parlamentswahlen im Herbst 2024 mit knapp 29 Prozent könnten die Rechtspopulisten laut Umfragen inzwischen mit etwa 34 Prozent rechnen. ÖVP und SPÖ kämen den Demoskopen zufolge auf jeweils rund 20 Prozent, die Neos auf rund 10 Prozent, die Grünen auf etwa 8 Prozent der Stimmen. Bis zur Bildung einer neuen Regierung bleiben die bisherigen Minister aus ÖVP und Grünen im Amt.

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