Van der Bellen beauftragt FPÖs Kickl mit Regierungsbildung
Zäsur in Österreich
Es ist ein historischer Einschnitt in Österreich: Erstmals könnte ein Vertreter der queerfeindlichen und rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei (FPÖ) Kanzler werden.
Was das für LGBTIQ bedeutet.
Für queere Menschen stehen in Österreich schlimme Zeiten bevor. Am Montagmittag beauftragte Bundespräsident Alexander Van der Bellen FPÖ-Chef Herbert Kickl mit der Regierungsbildung. Damit steht dem Land ein queerfeindlicher neuer Bundeskanzler bevor.
Die Situation kommt teils überraschend. Denn in den vergangenen Monaten hatte die ÖVP eine Zusammenarbeit mit Kickl noch kategorisch ausgeschlossen. Doch am Wochenende waren die Gespräche zwischen ÖVP, den Sozialdemokraten und den liberalen Neos über die Bildung einer Regierung gescheitert (MANNSCHAFT berichtete) und es fand ein Umdenken statt.
Daraufhin trat ÖVP-Chef und Bundeskanzler Karl Nehammer zurück. Sein Nachfolger als ÖVP-Chef wird Christian Stocker. Dieser kündigte an, dass er «ernsthafte Gespräche» mit der FPÖ führen werde und wollte damit Neuwahlen verhindern – die hätten der Partei nach neuestemn Umfragen nämlich nochmals Auftrieb gegeben.
Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen öffnete Kickl die Türe. Er lud den FPÖ-Chef am Montag zu einem Gespräch in die Wiener Hofburg ein. Der Präsident verlangte zuvor in einer Ansprache, dass eine neue Regierung die Menschen- und Minderheitenrechte, freie und unabhängige Medien sowie die EU-Mitgliedschaft garantieren müsse.
Das Resultat ist nun bekannt. «Herr Kickl traut sich zu, Lösungen zu finden“, sagte Van der Bellen in einem kurzen Statement. Der FPÖ-Chef soll die Regierung bilden und den Bundespräsidenten fortlaufend informieren. Damit könnte die FPÖ erstmals in Österreich das Kanzleramt übernehmen.
Kickl habe ihm versichert, dass er sich die Aufgabe als Kanzler zutraue. «Der Respekt vor dem Wählervotum gebietet es, dass der Bundespräsident die Mehrheit achtet», auch wenn er selbst möglicherweise andere Wünsche und Vorstellungen habe. «Ich habe mir diesen Schritt nicht leicht gemacht», sagte er.
Die FPÖ hatte Ende September die Parlamentswahlen gewonnen und war zur stimmenstärksten Partei aufgestiegen, mit grosser Beliebtheit auch bei Queers (MANNSCHAFT berichtete). Auf Platz zwei lag die konservative Österreichische Volkspartei. Beide Parteien haben in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Fragen viele Gemeinsamkeiten. Während die FPÖ im Wahlkampf mit queerfeindlichen Aktionen für Schlagzeilen sorgte, gibt es auch in der ÖVP viele konservative Kreise, die bei queeren Themen den Rückwärtsgang einlegen.
Es ist davon auszugehen, dass queere und zivilgesellschaftliche Organisationen in den nächsten Tagen zu Demonstrationen gegen eine FPÖ-ÖVP-Regierung aufrufen werden. «Wir müssen jetzt alles daran setzen, die hart erkämpften Rechte unserer Community zu verteidigen», betonen Vertreter*innen queerer Vereine.
Die FPÖ will die Rechte von queeren Menschen in mehreren Bereichen einschränken. Vorbild für die Partei sind dabei Russland, Georgien und Ungarn, wo bereits ähnliche Gesetze umgesetzt wurden oder geplant werden. Die FPÖ fordert in Österreich ein Ende des «Regenbogenkults» und das Aus von «queeren Experimenten». Die Partei verlangt eine Verfassungsbestimmung, wonach es in Österreich nur noch zwei Geschlechter geben darf. Sie verwehrt sich gegen die «permanente Transgender-Gehirnwäsche, die letztlich nur auf eine Zersetzung unserer gesellschaftlichen Grundlagen abzielt».
Im FPÖ-Programm heisst es: «Gerade für Kinder ist die traditionelle Familie mit Vater und Mutter unumstritten der beste Rahmen, um in Geborgenheit aufzuwachsen. Wer meint, die Anzahl der Geschlechter beliebig festsetzen oder das Geschlecht beliebig wechseln zu können, missachtet das Wesen des Menschen», so die Rechtspopulisten.
«In Deutschland werden bereits Lehrbücher für Volksschüler empfohlen, in denen vermittelt wird, dass es mehr als zwei Geschlechter gebe und Transsexualität völlig normal sei», warnt die FPÖ. «Wir setzen uns für den Schutz unserer Kinder ein und lehnen die Indoktrinierung mit Transgender-Ideologie entschieden ab.»
Ausserdem verlangt die FPÖ eine Meldestelle gegen politisierende Lehrer*innen: «Immer häufiger missbrauchen Lehrer*innen ihre Tätigkeit für die politische Beeinflussung der Schüler*innen, zumeist in Richtung des linken Mainstreams.» Um die gebotene Neutralität im Unterricht zu gewährleisten, soll in Österreich eine Meldestelle gegen politisierende Lehrer*innen eingerichtet werden. Im Wahlkampf sorgte ein FPÖ-Politiker für Aufregung, weil er in einem Wahlspot eine Regenbogenfahne in den Müll warf (MANNSCHAFT berichtete). FPÖ-Chef Kickl lehnt Regenbogenparaden als «Zeichen der Dekadenz» ab.
Derweil mischt sich X-Chef Elon Musk kräftig in den deutschen Wahlkampf ein und verharmlost AfD-Co-Chefin Alice Weidel (MANNSCHAFT berichtete).
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