Ist queere Liebe möglich in Zeiten des Ukraine-Krieges?
Wie leben und lieben queeren Menschen im Krieg? Das fragt sich die Initiative Munich Kyiv Queer und zeigt eine Reihe von ukrainischen Kurzfilmen.
«Viele Filme verbinden persönliche Geschichten mit politischen oder sozialen Themen», sagt Christina Parficheva, Kuratorin einer Reihe ukraninischer Filme, die bei Munich Kyiv Queer gezeigt werden. Diese Initiative ist Teil des Schwulen Kommunikations- und Kulturzentrums Sub in München. Munich Kyiv Queer agiert als Schnittstelle zwischen den Communities aus München und Kiew. An diesem Sonntag (18. Mai) findet bei ihnen ein Filmabend statt, bei dem mehrere queere Kurzfilme von ukrainischen Regisseur*innen gezeigt werden.
Die Themen der einzelnen Filme sind dabei breit gestreut. Individuelle Identität, Selbstfindung, Flucht und Migration gehören ebenso zum Repertoire wie Verlust, Erinnerung, Widerstand und Aktivismus. Ebenfalls seien Aspekte wie Diskriminierung und Akzeptanz wesentliche Aspekte der einzelnen Filme, so Christina gegenüber MANNSCHAFT.
Allen Filmen gemeinsam ist, dass sie die Lage für queere Menschen in dem Land darstellen - inmitten, aber auch unabhängig vom derzeitig stattfindenden Krieg. So habe es in den letzten Jahrzehnten einerseits Fortschritte in der Akzeptanz queerer Menschen in der Ukraine gegeben, sagt Christina, andererseits hätten aber auch Rückschritte durch Krieg und die russische Besatzung stattgefunden (MANNSCHAFT berichtete). «Queere Ukrainer*innen sind gefangen zwischen der Wahl, um Sichtbarkeit zu kämpfen und Widerstand zu leisten oder die Flucht zu ergreifen.»
Die einzelnen Filme verarbeiten diese Aspekte auf ganz unterschiedliche Weise. So geht es in dem Film «Queer Fighters of Ukraine» darum, dass Menschen neben ihrer Diskriminierung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität nun zusätzlich mit den Gefahren des Krieges umgehen müssen. Vor dem russischen Angriff von 2022 bereits war das subversive Kollektiv Rebel Queers in der Ukraine aktiv und kämpfte gegen heteronormative und patriarchalische Regeln, indem es Kyivs Wände mit Slogans wie «Queer Sex» oder «Make Queer Punk Again» besprühte. Nach der Invasion startete diese Gruppe ein Filmprojekt, das die Erfahrungen queerer Ukrainer*innen während des Krieges sammeln sollte und aus dem der Film «Queer Fighters of Ukraine» hervorgegangen ist.
Auch wenn es in diesem Krieg immer wieder Lichtblicke gibt (MANNSCHAFT berichtete), werden queere Orte vielerorts bedroht oder zerstört. Davon handelt auch der Film «Simeiz». So gab es bis zum russischen Überfall das LGBTIQ-Resort in Simeiz, das nun nicht mehr existiert. In diesem Ort auf der Halbinsel Krim gab es schon zu Sowjetzeiten einen queeren Ort, der sich bis in die 90er Jahre immer mehr etablierte. Seit der russischen Besatzung ab 2014 wurde diesem Freiheitsdrang aber schlagartig ein Ende bereitet. Anton Shebetko versucht mit seinem Film, die Erinnerung daran lebendig zu halten.
Der Filme «Lost» thematisiert Flucht und Migration und was es bedeutet, sein Land zu verlassen und in eine ungewisse Zukunft zu gehen. Er zeigt, wie eine junge Frau aus der Ukraine nach Deutschland flieht, weil ihre Heimatgesellschaft ihre Beziehung zu einer anderen Frau nicht akzeptiert. Dem gegenüber fragt der Film «Apocalypse Yesterday» danach, wie Solidarität und Widerstand innerhalb der Ukraine in der Community und unter den verbliebenen Aktivist*innen funktionieren kann.
Dieser Film zeigt diese Themen jedoch in Form einer fiktionalen Erzählung und ist nicht dokumentarisch. So geht es darum, dass innerhalb kürzester Zeit die Erde verbrennen soll und es nur noch wenige Tickets für ein Raumschiff gibt, das Menschen evakuieren kann. Bodia und Max bekommen welche, doch Max nimmt beide für sich, weil er mit seinem Freund fliehen will. Bodia jedoch lässt sich dies nicht gefallen.
Wieder andere Filme beleuchten ukrainische Subkulturen, und was es bedeutet, dort queer zu sein. So geht es etwa in «Chacho» um ein Leben in konservativen Milieus. Die Hauptfigur des Films, Yanush, kommt aus einer Roma-Familie, die queeres Leben ablehnt. Eigentlich soll er eine Frau heiraten, er aber ist in einen anderen Mann verliebt. Daraufhin plant er, mit seinem Freund zu fliehen.
Der Film «I Am Michelle» zeigt das Leben einer trans Person. Sie kehrt in ihren Heimatort zurück, in dem die Menschen sie noch als Jungen kennen. Sie weiss nicht, wie die Menschen reagieren werden. Es geht hierbei auch im die Spannung zwischen Beliebtheit und Zuspruch in sozialen Medien und der Einsamkeit in der realen Welt.
Das Sub in München zeigt diese Filme am Sonntag. Dorthin kommen dann auch drei der Regisseur*innen für Interviews. An diesem Abend anwesend sein werden Veronika Havrykova mit ihrem Film «Lost», Olena Siyatovska , die «I am Michelle» gemacht hat, und Bohdan Kolesnyk, von dem «Apokalypse Yesterday» stammt. Für all diejenigen, die nicht nach München kommen können, besteht auch die Möglichkeit, einige davon kostenpflichtig online zu sehen. Auf der Plattform Takflix können die Filme «Chacho», «Aftertaste», «I Am Michelle» und «Simeiz» abgerufen werden.
«Wir freuen uns ausserdem über Spenden für queere Menschen in der Ukraine, für die wir seit Kriegsausbruch 2022 sammeln», so Conrad Breyer von Munich Kyiv Queer gegenüber MANNSCHAFT. Im Krieg seien queere Menschen eine besonders vulnerable Gruppe. «Wir unterstützen die, die aufgrund der russischen Angriffe ihren Job, ihre Heimat, Freund*innen und/oder Familie verloren haben, oder auf der Flucht sind», sagt Conrad. Mit 200 Euro kämen die Leute etwa einen Monat durch. Die gesammelten Summen würden sie dann nach eingehender Prüfung einmalig an Bedürftige schicken, erklärt er.
Gleichzeitig sei Munich Kyiv Queer Teil der Queeren Nothilfe Ukraine, der 40 LGBTIQ-Organisationen in Deutschland angehörten. Diese unterstützen LGBTIQ*-Organisationen in der Ukraine, die unter widrigsten Umständen ihre Arbeit fortsetzen. «Aber nicht alle queeren Menschen sind an solche Organisationen angebunden, deshalb freuen wir uns über Support für die Einzelfallhilfe», sagt Conrad. Unter diesem Link kann man ukrainischen queeren Menschen über Munich Kyiv Queer helfen.
Fotoband: Elska - Die Männer aus Odessa (MANNSCHAFT berichtete).
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