Swisscom, Amorelie, Nivea: Pinkwashing oder echtes Engagement?

Unter Pinkwashing versteht sich symbolisches LGBTIQ-Engagement ohne echte Taten.
Unter Pinkwashing versteht sich symbolisches LGBTIQ-Engagement ohne echte Taten. (Bild: Adobe Firefly)

Nivea verteilt zur Pride bunte Cremedosen im Bahnhof – davon profitiert finanziell die SBB und nicht die Community. Wir schauen uns das LGBTIQ-Engagement dreier Firmen genauer an.

In vielen Ländern ist die Politik nach rechts gerückt – der Umgangston gegenüber LGBTIQ-Personen ist rauer geworden. Spätestens seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump und seinen radikalen Kürzungen im Bereich der Diversity, Equity und Inclusion (DEI) ist dieser Kurs auch bei vielen Firmen angekommen. Einige Unternehmen haben Ausgaben für Vielfalt gekürzt oder ganze Programme in Marketing und HR gestrichen. Mit Roche und der UBS zogen auch zwei prominente Grosskonzerne in der Schweiz nach (MANNSCHAFT berichtete).

Das hat direkte Folgen für Pride- und CSD-Organisator*innen, etwa in Köln und Zürich, die auf Sponsorengelder angewiesen sind. In Grossbritannien wurde die Liverpool Pride unter anderem auch aus finanziellen Gründen abgesagt (MANNSCHAFT berichtete). Auch auf Social Media ist zu sehen: Zum Start des Pride-Months werben deutlich weniger Firmen mit Regenbogenfarben als im Vorjahr.

Wer es trotzdem tut, fällt umso mehr auf. Dazu gehören unter anderem Swisscom, Amorelie und Nivea. Wir haben das zum Anlass genommen, um ihr Engagement etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.

Swisscom: internes Engagement Die Swisscom – grösster Telekommunikationsanbieter der Schweiz – ruft im Pride-Month zu mehr Respekt auf Social Media auf. Laut Mediensprecherin Annina Merk moderiert Swisscom ihre Social-Media-Kanäle nicht nur im Juni, sondern das ganze Jahr über. «Hass und Diskriminierung haben bei Swisscom keinen Platz – online wie offline», sagt sie. Auf dem Instagram-Kanal bleiben jedoch vereinzelt diskriminierende Kommentare auch nach einer Woche noch stehen – etwa einer, in dem von «kranker Ideologie» die Rede ist.

Hassrede bleibt beim Instagram-Account der Swisscom auch nach einer Woche stehen.
Hassrede bleibt beim Instagram-Account der Swisscom auch nach einer Woche stehen. (Bild: Screenshot instagram.com/swisscom)

Mit knapp 20'000 Mitarbeitenden gehört die Swisscom zu den grössten Arbeitgebern der Schweiz und ist mit dem Swiss LGBTI-Label für eine inklusive Unternehmenskultur ausgezeichnet. Das interne LGBTIQ-Netzwerk «Proud @ Swisscom» zählt fast 400 Mitglieder, pflegt Partnerschaften mit anderen Unternehmen und organisiert Events. Swisscom bietet zudem einen internen Lernpfad an, den Mitarbeitende selbst mitgestaltet haben. Die interne Anlaufstelle «Care Gate» bietet Beratung zu Gesundheit, Wohlbefinden und Themen wie Diskriminierung, Mobbing oder sexueller Belästigung. «An diesem Engagement wird sich nichts ändern», so Merk. «Wir halten an unseren bestehenden Massnahmen rund um DEI fest.»

Auf unsere Nachfrage nennt Swisscom keine finanzielle Unterstützung für externe LGBTIQ-Organisationen.

Amorelie: Unterstützung von Kölner Jugendzentrum Auch der Berliner Erotikversand Amorelie will den Pride Month für öffentliche Sichtbarkeit nutzen. Am 4. Juni veröffentlichte das Unternehmen Einblicke aus dem hauseigenen «Sexreport» sowie einen Ratgeber zu sexuellen Stellungen für gleichgeschlechtliche Paare. Zu jeder Stellung gibt es eine Produktempfehlung für passendes Spielzeug. Queeres Engagement sei kein saisonales Thema, sagt Brand- und PR-Managerin Zisan Bay gegenüber MANNSCHAFT. «Deshalb verzichten wir bewusst auf kurzfristige Aktionen wie eine temporäre Umfärbung des Logos oder einen CSD-Wagen in einer Stadt», erklärt sie. Stattdessen wolle man queere Perspektiven ganzjährig in Kommunikation, Kampagnen und Produktentwicklung mit einbeziehen. In Deutschland sei 2025 kein Sponsoring von Prides oder CSDs geplant, so Bay weiter.

Amorelie unterstützt die LGBTIQ-Community auch finanziell. Dafür müssen allerdings zuerst die Kund*innen in die Tasche greifen. Das «Big Bang Shirt» trägt die Aufschrift «Adam & Steve / Ada & Eve» und ist für 29.90 Euro/Franken im Onlineshop erhältlich. Pro verkauftes Shirt spendet Amorelie 10 Euro/Franken an das queere Jugendzentrum Anyway in Köln.

Die Spende ist jedoch an den Verkauf gekoppelt – das Unternehmen leistet den Beitrag nicht unabhängig vom Konsum.
Spende ist an Verkauf gekoppelt: Amorelie leistet den Beitrag nicht unabhängig vom Konsum. (Bild: Screenshot amorelie.de)

Nivea: Spende an LGBTIQ-Helpline Nivea ist eine Marke des deutschen Konzerns Beiersdorf und vertreibt auch dieses Jahr ihre ikonische blaue Hautcreme-Dose im Regenbogen-Look. Letztes Jahr wurde diese zusammen mit anderen Artikeln kostenlos am Tag der Zurich Pride im Zürcher Hauptbahnhof verteilt, dieses Jahr während der Geneva Pride im Bahnhof von Genf. Auffällig: Nivea unterstützte beide Veranstaltungen nicht finanziell. An der Werbeaktion im Bahnhof verdiente stattdessen die SBB. Wie ein Blick auf den Kostenrechner zeigt: Ein Sampling beim Zürcher Hauptbahnhof kostet 6050.- Franken für einen halben Tag, im Bahnhof von Genf 3550.- Franken.

Wie Simone Döbelin, Brand Manager von Nivea, auf Anfrage von MANNSCHAFT erklärt, habe das Unternehmen eine finanzielle Spende von 5000 Franken an die LGBTIQ-Helpline getätigt. Bei einer grossen Tageszeitung schaltete Nivea zum Eurovision Song Contest im Mai eine «Mini-LGBTIQ-Kampagne».

Intern organisiert Nivea Schweiz einen Pride Brunch und engagiert sich bei verschiedenen Initiativen rund um das Thema Diversity. «Innerhalb von Beiersdorf Global gibt es eine LGBTIQ-Community, die verschiedene Themen vorantreibt», so Döbelin weiter. Zudem plant das Unternehmen, sich 2026 mit dem Swiss LGBTI-Label zertifizieren zu lassen.

Der Regenbogen bleibt Marketingstrategie Weniger Logos in Regenbogenfarben – und dennoch einige Unternehmen, die den Pride-Month nutzen, um Haltung zu zeigen. Swisscom punktet mit einem starken internen Netzwerk und DEI-Trainings, bleibt jedoch extern vage und nennt keine finanzielle Unterstützung für queere Organisationen. Bei Nivea bleibt der Regenbogen auf der Dose, während die Unterstützung von Prides vor Ort ausbleibt – immerhin geht eine Spende an die LGBTIQ-Helpline. Amorelie verzichtet bewusst auf Regenbogen-Logos und Pride-Präsenz und setzt stattdessen auf Aufklärung. Im Gegensatz zu Nivea erfolgt die finanzielle Unterstützung der Community nicht in erster Linie durch Amorelie, sondern ist an den Verkauf eines Produkts gebunden.

Was auffällt: Sichtbarkeit ist weiterhin Teil der Markenstrategie, doch echtes, finanziell hinterlegtes Community-Engagement bleibt selten – besonders, wenn es über die eigenen Firmenstrukturen hinausgehen soll.

Am Ende entscheidet jedes Community-Mitglied selbst, was echtes Engagement ausmacht – ob in Form glaubwürdiger und gelebter Firmenwerte, finanzieller Unterstützung einer Pride oder durch Spenden an queere Organisationen. Und nicht zuletzt bleibt anzuerkennen, dass diese Unternehmen im Gegensatz zu vielen anderen an der Sichtbarkeit von LGBTIQ-Themen festhalten – in einer Zeit, in der sich viele andere davon abwenden.

Mehr: Wirbel um Jobcenter Düsseldorf: CSD-Verbot für Fussgruppe? (MANNSCHAFT berichtete)

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