Prides in Not: «Wenn der Trend anhält, wird es schwierig»

Wir haben u.a. bei Veranstalter*innen in Bern, Hannover und Leipzig nachgefragt

Teilnehmende der Zurich Pride 2018.
Symbolbild (Bild: Renato Richina, Pixxpower.photography)

CSD-Events in den Metropolen hängen auch stark am Sponsoring grosser US-Konzerne. Prides in kleineren Städten jedoch finanzieren sich eher regional.

200'000 Euro weniger sind es bei der Berlin Pride in diesem Jahr an Spendengeldern, wie die Veranstaltenden vor einigen Wochen bekannt gegeben haben. Dies hat sehr stark damit zu tun, dass amerikanische Unternehmen auf die neue Politik aus dem Weissen Haus reagieren, nach der Diverstität und Offenheit keine erstrebenswerten Ziele mehr seien (MANNSCHAFT berichtete). Viele Unternehmen handeln dann dementsprechend, indem sie Spendengelder für CSDs in Europa zurückziehen. Bei anderen ist es noch unsicher wie sie sich entscheiden, wieder andere halten an ihrem Engagement fest (MANNSCHAFT berichtete). Zwar sei der diesjährige CSD finanziell gesichert, doch die Zukunft ist ungewiss, heisst es auch Berlin.

In München bemerkt man ebenfalls, dass sich etwas ändert. «Auch bei uns geht das Sponsoring aufgrund des US-amerikanischen Einflusses zurück,» sagt ein Pressesprecher der Münchener Pride gegenüber MANNSCHAFT. «Aktuell kommen wir noch klar damit, aber wenn der Trend anhält, wird es schwierig.» Zwar habe man in der bayerischen Hauptstadt nach wie vor US-Firmen, die teilnähmen, doch spüre man eine veränderte Form des Engagements. Es seien beunruhigende Entwicklungen, wenn sich Supporter*innen aus der queeren Community zurückzögen, so die Münchener Veranstaltenden. Weniger Support bedeutete weniger Verbündete und weniger Mittel. «Prides drohen kleiner und weniger vielfältig zu werden und das wiederum hat zur Konsequenz: es gibt weniger Sichtbarkeit», beklagen die Müchener. Die eingebrochene Summe bewege sich im sechsstelligen Bereich.

«Wir fordern Firmen aus Deutschland auf, sich gerade jetzt noch stärker für Vielfalt und Gleichstellung einzusetzen.»

Orga-Team des Hamburger CSD

In der nördlichsten deutschen Millionenstadt hat sich der Einfluss Trumps ebenfalls bemerkbar gemacht. «Uns sind in Hamburg, genau wie anderen CSD-Vereinen in Deutschland auch, US-Firmen und -Institutionen als Sponsoren der CSD-Demo weggebrochen. Der Hintergrund ist offensichtlich Trumps Anti-Vielfalt-Politik» (MANNSCHAFT berichtete), sagt ein Sprecher des Hamburger CSDs gegenüber MANNSCHAFT. Die Finanzierung der Demo in Hamburg 2025 sei aber sichergestellt. Dennoch seien sie in Hamburg darüber besorgt, dass sich Trumps Politik auch auf deutsche Unternehmen auswirken könne. «Wir fordern Firmen aus Deutschland auf, sich gerade jetzt noch stärker für Vielfalt und Gleichstellung einzusetzen – in ihren inneren Strukturen, aber auch nach aussen etwa durch die Unterstützung queerer Vereine und Projekte,» so das Orga-Team des Hamburger CSD.

Gleichzeitig ist man in der Stadt an der Elbe auch schon aktiv geworden. Denn infolge der finanziellen Einbrüche habe man die US-Ausfälle durch neue Sponsoren-Partnerschaften mit deutschen Unternehmen kompensiert. Weiterhin warten die Hamburger*innen noch immer gespannt darauf zu erfahren, ob und wenn ja in welchem Ausmass sich US-Unternehmen dieses Jahr überhaupt mit Fussgruppen oder Wagen für die CSD-Demo in Hamburg anmelden würden.

Jenseits dieser Millionenstädte stellt sich die Situation für die CSDs in anderen Städten jedoch etwas anders dar. Denn auch wenn sie medial weniger häufig vorkommen, mit weniger Gästen rechnen müssen und geringere Geldsummen zur Verfügung haben, gereicht ihnen doch eines nun zum Vorteil: sie hängen eben auch nicht so stark von Konzerngeldern ab.

So etwa in Leipzig. «Wir sind aktuell zum Glück nicht davon betroffen, da wir keine Kooperationen mit grossen internationalen oder amerikanischen Unternehmen haben», sagt ein Sprecher des dortigen CSDs zu MANNSCHAFT. «Wir beim CSD Leipzig finanzieren uns zu einem sehr geringen Anteil über Sponsorings oder ähnliches. Unsere grösste Stütze sind Fördermöglichkeiten, die wir vor allem über die Stadt Leipzig oder das Bundesland Sachsen jedes Jahr beantragen, in der Hoffnung auch Gelder zu bekommen,» so ein Sprecher. Förderung über diese Möglichkeit machten bei ihnen etwas über 50 Prozent aus. «Es ist jedes Jahr mit viel Hoffen und Bangen verbunden, wie viele Gelder dann tatsächlich zur Verfügung stehen werden für den CSD Leipzig.»

Hier stellt sich allerdings ein anderes Problem, nämliche die politische Lage vor Ort. So wie sich die politische Situation in Sachsen derzeit entwickele, in der Gelder gestrichen oder Förderprogramme zurückgefahren würden, wüssten die Leipziger Verantwortlichen auch nicht, mit welchen Mitteln man den CSD Leipzig 2026 finanzieren und in welcher Form er stattfinden könne. Mit Spenden oder Werbung generiere man lediglich 10 Prozent der eigenen Einnahmen.

Auch in Stuttgart ist man ähnlich strukturiert wie in Leipzig. «Der grösste Teil unserer Sponsoringpartner*innen kommt aus Stuttgart oder Baden-Württemberg, eher weniger aus dem US-Ausland. Wir kooperieren mit grossen Konzernen und kleineren regionalen Unternehmen», so ein Sprecher des Stuttgarter CSD gegenüber MANNSCHAFT. Mit den meisten dieser Partner*innen arbeite man schon seit vielen Jahren zusammen, das mache die Zusammenarbeit sehr nachhaltig und den CSD einigermassen unabhängig von potentiellen Budgetkürzungen.

Die Entwicklung in den deutschen Millionenstädten beobachte man aber mit grosser Sorge. «Die finanzielle Unterstützung einer Pride-Veranstaltung ist gerade in Zeiten des Rechtsrucks und des Erstarkens einer gesichert rechtsextremistischen Partei eigentlich so wichtig wie schon lange nicht. Nur so bleiben wir wirklich sichtbar», so das Stuttgarter Orga-Team.

Genauso sieht man es auch in Hannover. «Da wir in der Vergangenheit keine amerikanischen Unternehmen als Sponsor*innen hatten, sondern bisher auf lokale bzw. regionale Unternehmen gesetzt haben, merken wir im Gegensatz zu den grösseren CSDs wie Berlin oder vermutlich auch Köln keinen Unterschied», heisst es von den dortigen Veranstaltenden gegenüber MANNSCHAFT.

Solcherlei Kürzungen bringen manche Veranstaltenden aber auch immer wieder dazu, neue Wege zu gehen. Weil man auch in Bern einen Rückgang der Sponsoringbereitschaft bemerkt habe, ist man dort kreativ geworden. Es gibt nun dort ein Crowdfunding, um die dortige Pride zu unterstützen, erklärt ein Sprecher der Pride Bern gegenüber MANNSCHAFT. So kann die Community selbst durch kleine Beträge vieler Menschen die eigenen Veranstaltungen unterstützen.

In Zürich profitiert man derzeit noch von einer vertraglich günstigen Position. Denn «da wir die meisten Sponsoring-Verträge bereits Ende 2024 abgeschlossen haben und bis jetzt kein Sponsor abgesagt hat, ist für dieses Jahr noch alles gesichert,» sagt eine Sprecherin der Zürich Pride gegenüber MANNSCHAFT. Grundsätzlich merke man aber einen Rücklauf am Interesse daran, queere Vereine finanziell zu unterstützen.

So könne man zwar dieses Jahr das Zürich Pride Festival und die Demonstration noch finanzieren, «aber», so die Züricher Verantwortlichen - und das ist ein Gefühl, das wohl auch auf viele andere Organisator*innen zutreffen dürfte - «wer weiss, wie es nächstes Jahr aussieht.» (MANNSCHAFT berichtete)

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