Sponsoring bei der Zurich Pride: «Uns fehlen rund 150'000 Franken»

Ronny Tschanz ist Co-Präsident des Vereins Zurich Pride Festival.
Ronny Tschanz ist Co-Präsident des Vereins Zurich Pride Festival. (Bild: Zug)

Nach Unternehmen in den USA geben auch einige Firmen in der Schweiz ihr Bekenntnis zu Vielfalt und Inklusion auf. Die Zurich Pride denkt für das Festival nun über alternative Finanzierungsmodelle nach.

Mit der Zurich Pride steht in drei Wochen der grösste LGBTIQ-Event der Schweiz auf dem Programm. Trotz grossen Anstrengungen konnten die Organisator*innen keinen Hauptsponsoren finden und nicht alle Co-Sponsoring-Partnerschaften vergeben. Co-Präsident Ronny Tschanz macht unter anderem die Wirtschaftslage und die Entwicklungen in den USA dafür verantwortlich.

Ronny, seit Herbst leitest du mit Canan Uguroglu das Präsidium der Zurich Pride. Wie war der Einstieg? Das erste halbe Jahr war intensiv. Es dauerte, bis ich die Strukturen, Stärken und Schwächen im Vorstand verstanden hatte. Im Januar haben wir in einem Workshop zentrale Baustellen identifiziert und erstmals gemeinsame Werte definiert – das hatten uns die LGBTIQ-Dachverbände nahegelegt. Das war ein wichtiger Schritt und zugleich ein Neuanfang für den Verein.

Zwischen der Zurich Pride und den Dachorganisationen lief es nicht immer reibungslos. Die Fronten waren in den letzten Jahren verhärtet. Daher ist der Austausch richtig und wichtig, auch wenn er nicht immer einfach ist. Er trug auch schon Früchte: Gemeinsam mit den Dachorganisationen und anderen Schweizer Prides organisierten wir unsere vereinte Teilnahme bei der ESC-Eröffnungszeremonie in Basel. Das ist eine Zusammenarbeit, wie Canan und ich sie uns wünschen.

Für die diesjährige Zurich Pride fehlen euch Sponsoren. Was ist der Grund? Die wirtschaftliche Lage ist angespannt, viele Firmen sind zurückhaltend. Zudem haben Firmen wie etwa die UBS ihre Diversity-&-Inclusion-Programme gestrichen, was bei uns Fragen aufwirft. Um bei uns als Partner aufzutreten, ist eine Zertifizierung mit dem Swiss LGBTI-Label notwendig. Und ein Commitment zu Vielfalt am Arbeitsplatz gehört zu den Voraussetzungen, um als Firma das Label zu erhalten. Die Entwicklung in den USA beobachten wir mit Beunruhigung, auch wenn sie hierzulande nicht so gravierend ist – jedenfalls noch nicht.

Wie gross ist das finanzielle Loch? Uns fehlen rund 150'000 Franken – unter anderem, weil ein Hauptsponsor und ein Co-Partner nicht gefunden werden konnten. Das trifft uns hart, zumal die Absagen trotz grossem Einsatz unseres Teams zugenommen haben.

Wir sehen die finanzielle Herausforderung auf mehreren Ebenen: Neben fehlenden Sponsoren steigen auch die Grundkosten – für dieselben Leistungen wie in früheren Jahren. Hinzu kommen neue oder aufwändigere Auflagen. Das alles führt dazu, dass ein Festival dieser Grösse heute viel schwerer finanzierbar ist – selbst bei gleichbleibendem Konzept.

«Dieses Jahr bleibt der Eintritt frei, damit das Festival auch für Menschen mit wenig beschränkten Mitteln zugänglich ist.»

Ronny Tschanz, Co-Präsident Zurich Pride

Droht das Aus für das kostenlose Festival? Dieses Jahr bleibt der Eintritt frei, damit das Festival auch für Menschen mit wenig beschränkten Mitteln zugänglich ist. Aber langfristig müssen wir über neue Modelle nachdenken. Die WC-Infrastruktur allein kostet uns 100’000 Franken – mit den aktuellen «WC-Bändeli» decken wir davon nur die Hälfte. Kombitickets mit freiwilliger Spende wären eine Option. Wenn wir die Finanzierungslücke nicht schliessen, könnte es die letzte Zurich Pride in dieser Form gewesen sein. Dieses Jahr streben wir eine schwarz Null an.

Langfristig brauchen wir neue Modelle – und Mitstreiter*innen. Wer will, dass es die Zurich Pride auch morgen noch gibt, kann uns heute aktiv unterstützen: finanziell, logistisch oder mit Know-how. Die Community ist stark – und wir zählen auf sie.

Welche Sparmassnahmen setzt ihr um? Wir haben bei Bühne, Technik, Zelten und internationalen Acts stark gekürzt. Aber gewisse Posten wie Sicherheit (110’000 Franken), WC oder Platzmiete sind fix. Das Grundgerüst kostet rund eine Million. Je nach Wetter kann das Festival kaum kostendeckend durchgeführt werden. Auch der Standort wird hinterfragt – die Landiwiese ist teuer, aber zentral. Alternative Locations sind in Prüfung.

Erhält die Zurich Pride Unterstützung von der Stadt? Letztes Jahr hat die Stadt uns finanziell unterstützt, dieses Jahr ist es noch offen. Neu erhalten wir aber einen Beitrag vom Bund, da LGBTIQ-Themen nun als schützenswert beim Fedpol gelten – ein wichtiges Signal in Zeiten wachsender Anfeindungen.

«Ich finde es bedenklich, wenn sich Schweizer Firmen dem Druck aus den USA beugen.»

Ronny Tschanz, Co-Präsident Zurich Pride

Firmen schmückten sich jahrelang mit der Pride und fuhren sogar bei der Demonstrationsroute mit. Heuchelei? Das muss man differenziert und im Einzelfall betrachten. Manche Unternehmen zeigen intern weiter Engagement, verzichten aber auf öffentliche Zeichen wie das Regenbogenlogo. Mitarbeitende sagen uns, dass sich bei der Akzeptanz am Arbeitsplatz nichts geändert hat. Ich finde es bedenklich, wenn sich Schweizer Firmen dem Druck aus den USA beugen.

Gerade jetzt wäre es wichtig, dass Firmen nicht aus Angst vor Shitstorms in den USA auf Sichtbarkeit verzichten. Wenn Diversity intern wirklich gelebt wird, darf man das auch öffentlich zeigen – sonst bleibt es eine Worthülse

Du bist selbst Polizist. Wie gehst du mit der Kritik an der Polizei bei der Pride um? Ich verstehe das Misstrauen. Aber ich engagiere mich mit Herzblut – sowohl im Verein als auch innerhalb der Polizei, etwa durch Vernetzungstreffen und Aufklärungsarbeit. Vertrauen aufzubauen ist ein beidseitiger Prozess und wir können gegenseitig voneinander lernen. Brücken sind nötig – und möglich.

Was tut die Zurich Pride konkret gegen Diskriminierung auf dem Festival? Wir setzen auf ein Awareness-Team, das bereits letztes Jahr aktiv war. Betroffene können sich dort melden – auch anonym und unabhängig von der Polizei. Es geht uns darum, einen sicheren Raum für alle zu schaffen.

Mehr: Mit dem Slogan «Speak up. Fight back!» ruft Pink Cross die Community zum Einsatz gegen Queerfeindlichkeit auf. Prominentes Aushängeschild ist Schwinger Curdin Orlik (MANNSCHAFT berichtete).

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