Der Verleih fürs Pride-Outfit: «Von Sträfling bis Seepferdchen»

Zu Besuch in einem queeren Kostümladen in Wien

Auch Dragqueen Candy Licious war am Prideshopping im Kostümlaen Witte mit dabei
Auch Dragqueen Candy Licious war beim Pride-Shopping dabei (Bild: zVg)

Im Kostümladen Witte in Wien schlägt jedes Verkleidungsherz Purzelbäume. Inhaber Günther Haas hat den traditionsreichen Laden ohne grossen Plan übernommen und bietet Dinge an, die niemand wirklich braucht, aber allen Spass machen – zum Beispiel zum Pride-Shopping am 23. Mai.

Günther, was machst du gerade? Ich beschäftige mich mit Bestellungen. Ich schaue, was letztes Jahr verkauft wurde, was noch auf Lager ist, wie ich das Sortiment anpasse.

Viel Zahlenspielerei, aber auch lustig, weil ich oft nachsehen muss, was für Artikel das genau sind, mir dabei denke: «Wie nett, was wir alles verkaufen.»

Kostümladen Witte in Wien (Bild: zVg)

Kostümladen Witte

Wer: Günther Haas Wo: Wien, Österreich Seit: 1863, im Januar 2023 von Günther übernommen Was: Fachhandel für Kostüme, Zubehör, Accessoires, Schminke sowie Feuerwerk – witte.at

Wie entwickelst du dein Sortiment? Als Fachhandel fürs Feiern und Verkleiden führe ich ein Standardsortiment – klassische Kostüme wie Polizist, Priester, Nonne. Dann gibt es Trends oder neue Ideen, die ich ausprobiere, wie Seepferdchen. Ich beobachte, was aktuell ist: politische Themen, Popkultur.

Hast du ein Lieblingsoutfit? Verkleidest du dich gerne? Fast nur für Interviews. Denn an Halloween bin ich im Verkauf und am Ende des Tages müde. Doch wenn ich dazu komme, dann probiere ich unterschiedliche Kostüme aus – zuletzt ein Barockkostüm, eines als Sträfling oder Seepferdchen.

Vor zwei Jahren übernahm Günther (mitte) das Traditionsgeschäft Witte – ohne grossen Plan
Vor zwei Jahren übernahm Günther (mitte) das Traditionsgeschäft Witte – ohne grossen Plan (Bild: zVg)

Wie bist du dazu gekommen, den Kostümladen zu übernehmen? Das Geschäft gibt es seit 160 Jahren. Die Vorbesitzenden, ein Ehepaar über 70, lernte ich durch meinen Job in einer Kinderorganisation kennen. Sie suchten eine Nachfolge. Es wäre schade gewesen um das eingesessene Geschäft, also habe ich es einfach versucht. Ohne grossen Plan, dafür mit umso mehr Neugierde.

Und wie läuft es? Es ist ein spannendes Geschäft mit saisonalem Kaufverhalten. Die Hochzeiten sind Halloween, Fasching, Silvester mit Feuerwerksverkauf. Pride wird auch immer grösser, das habe ich bewusst aufgenommen. Es schwankt stark, das macht es spannend, aber auch schwierig. Ich pflege viel Austausch mit den Vorbesitzenden, die mir mit Rat und Tat zur Seite stehen. 

Was macht dein Geschäft besonders? Die Dinge, die wir verkaufen, braucht niemand. Die Menschen kommen aus Spass. Und das bedeutet, dass sie meistens gut gelaunt sind, lustig, probieren Dinge aus, freuen sich auf ihre Feier. Dadurch herrscht eine schöne Stimmung im Laden. Selbst zu Halloween, wenn hunderte Leute anstehen, überwiegt die Vorfreude. Und das ist etwas Besonderes im Einzelhandel.

Begeisterte Kund*innen am Prideshopping im Kostümladen Witte
Begeisterte Kund*innen am Prideshopping im Kostümladen Witte (Bild: zVg)

Erinnerst du dich an einen besonderen Outfitwunsch? Ein Pärchen ging als Verkehrsunfall: Er mit einer Rehmaske, sie mit einem Lenkrad in der Hand. Kein klassisches Kostüm, aber kreativ. Wir konnten zumindest das Reh beisteuern.

«Ich hoffe, dass lokale Geschäfte weiter aufgesucht werden, dass Kund*innen den Mehrwert von Beratung schätzen, etwas ausprobieren, anfassen, die Farben betrachten.»

Günter Haas

Was wünschst du dir für die Zukunft des Geschäfts? Dass es gut weiterläuft. Das Geschäft ist 161 Jahre alt, und ich will nicht die Person sein, die es beendet. Ich hoffe, dass lokale Geschäfte weiter aufgesucht werden, dass Kund*innen den Mehrwert von Beratung schätzen, etwas ausprobieren, anfassen, die Farben betrachten. Wir führen günstigere und hochwertigere Produkte. Online-Shopping ist praktisch, aber ich wünsche mir, dass der stationäre Handel weiterhin fester Bestandteil unseres Konsumverhaltens bleibt.  

Riccardo: «Man zahlt immer einen Preis dafür, man selbst zu sein» – Im exklusiven MANNSCHAFT-Interview spricht er über die Herausforderungen der Sichtbarkeit, das Ringen um Anerkennung und über fehlende Vor­bilder in der Jugend. Ein Gespräch über Träume, Widerstände und die Kraft, zu sich selbst zu stehen.

Entdecke weitere Beiträge in unserem Online-Magazin:

Unterstütze LGBTIQ-Journalismus

Unsere Inhalte sind für dich gemacht, aber wir sind auf deinen Support angewiesen. Mit einem Abo erhältst du Zugang zu allen Artikeln – und hilfst uns dabei, weiterhin unabhängige Berichterstattung zu liefern. Werde jetzt Teil der MANNSCHAFT!

Das könnte dich auch interessieren

Kommentare