Kerstin Ott: «Nicht mehr zu rauchen, war am härtesten»

Die Schlagersängerin tourt ab Oktober

Kerstin Ott: «Nicht mehr zu rauchen, war am härtesten»
Kerstin Ott (Bild: Nona Studios)

Kerstin Ott ist eine der erfolgreichsten Schlagerstimmen. Auf ihrem fünften Album «Für immer für dich» verbindet die 43-Jährige Lebensfreude, Melancholie und Sixties-Soul. Wir sprachen mit ihr über Heimwerken, Ehrgeiz und den Abschied von alten Süchten.

Kerstin, du kommst gerade von einem Auftritt in Bayern zurück. Was tust du als erstes, wenn du nach einer Reise durch die Haustür kommst? Auspacken und Wäsche waschen. Ich kann es nicht leiden, wenn die Sachen überall rumliegen. Wahrscheinlich hat mich da meine Kindheit geprägt. Ich bin in einer Pflegefamilie aufgewachsen, wo Ordnung halten sehr wichtig war.

Deine Töchter sind 21 und 16. Bist du mit deinem Lebensweg eine Inspiration für sie? Mir liegt es sehr am Herzen, dass die Mädchen ihren Weg gehen und ihn selbstbewusst meistern. Wir drängen sie zu nichts. Die Grosse macht eine Ausbildung zur Automobilkauffrau. Uns ist wichtig, dass sie die Ausbildung abschliesst, und dann kann sie machen, was sie will.

Hat sie dir schon ein Auto verkauft? (lacht) Nee, noch nicht.

«Für immer für dich» ist ein ehrliches und ungeschöntes Liebeslied für deine Frau Karolina. Absolut. Ich finde, wir haben so viel zusammen geschafft und aufgebaut, da kann man ruhig auch mal besingen, was wir schon alles erlebt und bewältigt haben. Auch bei uns gibt es nicht die ganze Zeit rosa Wolken und rote Rosen, aber unser Fundament ist wirklich sehr, sehr stabil.

Im Song «Das letzte Hemd hat keine Taschen» redest du dir selbst gut zu, das Leben noch mehr zu geniessen. Warum ist das so schwer? Weil man einfach in diesem Trott drin ist. Wir haben Familie, ein Haus, das muss alles gepflegt und verwaltet werden. Manchmal geht mir das tierisch auf die Nerven, immer der Möhre hinterherzurennen.

«Es fällt mir allerdings nicht so leicht, mich mal rauszunehmen und zu sagen ‹Ich bin jetzt drei Tage lang für niemanden zu erreichen›».

Kerstin Ott

Das Leben hat wahrlich mehr zu bieten, als immer nur Geld zu verdienen und alles abzuarbeiten, was einem vor die Füsse fällt. Es fällt mir allerdings nicht so leicht, mich mal rauszunehmen und zu sagen «Ich bin jetzt drei Tage lang für niemanden zu erreichen».

Wie ehrgeizig bist du, was die Karriere betrifft? Ich bin ehrgeizig, aber ich bin auch zufrieden mit dem, was ich habe. Man vergisst viel zu oft, sich selbst zu loben, wenn man etwas gut gemacht hat.

Wobei kannst du entspannen? Nicht, indem ich die Füsse hochlege oder im Bett bleibe. Ich erhole mich am besten, wenn ich mit meiner Frau und unserem Hund spazieren gehe. Oder wenn ich in meiner Werkstatt was arbeite.

Du hast eine Werkstatt? Als es mit der Musik losging, habe ich mir jeden Monat eine Maschine gekauft, weil ich dachte, ich werde irgendwann wieder in meinem Job als Malerin und Lackiererin arbeiten. Und jetzt habe ich eine sehr gut ausgestattete Werkstatt mit Akkuschraubern, Sägen und vielem mehr. 

Wie weit kommst du mit deinem handwerklichen Geschick? Schon recht weit. Ich kann eigentlich alles ausser Elektrik. Eine Trockenwand hinstellen, das bekomme ich auf jeden Fall hin. Auch mit Holzarbeiten kenne ich mich recht gut aus. Dadurch, dass ich zwanzig Jahre auf Baustellen gearbeitet habe, konnte ich mir viele Dinge selbst beibringen.

Ab wann wusstest du, dass du deinen alten Beruf nur noch hobbymässig ausüben würdest? Das war ein fliessender Prozess. Die Angst, irgendwann als Musikerin nicht mehr erfolgreich zu sein, wurde mit jedem Jahr kleiner, und ich selbst fühlte mich immer sicherer in diesem Beruf. Mittlerweile mache ich mir keinen Stress mehr. So lange ich meine Familie ernähren kann, ist alles gut.

Im Song «Rockstar», den du zusammen mit Peter Plate und Ulf Leo Sommer geschrieben hast, heisst es: «Bleib sonderbar». Ist das ein Plädoyer für alternative Lebensentwürfe? Vor allem ist es ein klarer Aufruf, an dich zu glauben und dein Ding zu machen, auch wenn es schwierig wird. Ich denke, es ist besser, deinen eigenen Weg zu gehen als den, der dir von deinen Eltern oder der Gesellschaft aufgezeigt wird. Es ist besser, das zu machen, was man fühlt.

Und nicht das, was die anderen von einem erwarten. Gegenwind inklusive. Es heisst ja immer «Sei einzigartig». Aber wenn du es dann bist, dann haben manche Leute Schwierigkeiten damit.

Nimmst du es in Kauf, auch mal anzuecken? Klar. Es gibt genug Menschen, denen mein Äusseres nicht gefällt oder die es witzig finden, mich «Karsten» zu nennen. Dass diese Leute mit mir ein Problem haben, ist wiederum nicht mein Problem. Die meiste Zeit geht mir das auch total am Allerwertesten vorbei.

Hast du ein dickes Fell? Ich denke schon. Zum Glück interessieren mich die sozialen Medien ohnehin nicht sehr stark, ich gucke nicht ständig dort nach, was wieder über mich geschrieben wurde. Ich kann allerdings echt nachvollziehen, dass es quälend sein kann, wenn irgendwelcher Mist über dich geschrieben wird.

Kann man sich dagegen schützen? Ich habe die Kommentarfunktion bei Instagram abgestellt. Ich will nicht, dass andere bewerten, was ich gerade so mache.

Du lebst dein Leben, auch deine Beziehung, recht offen. Kannst du nachvollziehen, dass etwa ein Hape Kerkeling sagt, er gehe wegen der blöden Sprüche und Pöbeleien nicht mehr Händchen haltend mit seinem Mann durch Berlin? Das kann ich verstehen, und ich finde es traurig. Meine Frau und ich sind jedoch ohnehin nicht die Leute, die sich in der Öffentlichkeit abknutschen. Wir mögen unsere Liebe nicht zur Schau stellen – nicht, weil es eine homosexuelle Liebe ist, sondern weil sie privat bleiben soll.

Du stehst für Vielfalt und eine diverse Gesellschaft. Denkst du, es hat sich einiges bewegt, seit du am Start bist? Ich merke auf jeden Fall, dass die Schlagerszene offener geworden ist. Hinter den Kulissen gab es schon immer viele queere Menschen. Aber jetzt werden es langsam auch auf der Bühne mehr. Ob das mit an mir liegt, das weiss ich nicht.

Ist es richtig, dass du mit dem Rauchen aufgehört hast? Ja, vor anderthalb Jahren. Ausserdem bin ich Veganerin geworden, und seit mehr als einem Jahr habe ich keinen Alkohol mehr getrunken. Ich weiss, das sind viele Veränderungen auf einmal, und es war schon ziemlich krass, das alles durchziehen. Ich kann aber sagen, dass es sich langsam auszahlt und das gesündere Leben Spass zu machen beginnt.

Welches Laster war am schwersten loszuwerden? Nicht mehr zu rauchen, war am härtesten. Ich habe seit meinem elften Lebensjahr geraucht. Mir das abzugewöhnen, war eine Katastrophe. Sehr geholfen haben mir Nikotinkaugummis. Doch auch damit ist Schluss. Inzwischen nehme ich nur noch normale Kaugummis.

Angeblich hast du dich auf einer Pilgerreise in Portugal dazu entschieden, vegan zu leben. Was hat es damit auf sich? Diese Reise wollte ich unbedingt machen, weil ich dachte, ich stecke in der Midlife-Crisis. Ich war immer müde und ausgelaugt, das eine oder andere Wehwehchen kam dazu. Also beschloss ich, die vegane Ernährung mal auszuprobieren, vegetarisch hatte ich mich ja schon länger ernährt. Ich bin zehn Tage gelaufen, ganz alleine, jeden Tag so 15 bis 25 Kilometer. Ich habe die Landschaft genossen und mich ausgepowert.

Und wo du schon mal dabei warst, hast du auch noch dem Alkohol abgeschworen? Genau. Das war eine krasse Umstellung, nichts mehr zu trinken. Vor allem gesellschaftlich. Speziell in der Musikbranche wird viel getrunken. Und wenn ich Alkohol getrunken habe, dann immer sehr viel. Danach hatte ich zwei Tage einen krassen Kater. Irgendwann überlegst du dir, ob du das wirklich brauchst. Und die Antwort ist: nein.

Machst du jetzt mehr Sport? Ja. Ich gehe regelmässig joggen. Das macht mir Spass, auch wenn ich noch nicht besonders schnell bin. Aber mein Wohlbefinden hat definitiv stark zugenommen.  

Mit nur 24 Jahren setzt Lukas von Horbatschewsky sensible Themen wie Suizidalität, Orientierungslosigkeit und Selbstsuche in Szene. Hier spricht er über seinen neuen Film, die Verantwortung als Schauspieler und seine besondere Methode der Figurenarbeit (MANNSCHAFT-Interview).

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