Noch eine letzte Party: Das SchwuZ schliesst im November

Die Insolvenz des Kultclubs stellt das Vollgut-Areal insgesamt auf die Probe – und mit ihm auch drei wichtige LGBTIQ-Archive

Party im SchwuZ kurz nach dem Umzug
Party im SchwuZ kurz nach dem Umzug (Bild: Sandra Kaliga/CC BY 2.0)

Jetzt ist es offiziell: Das Berliner SchwuZ schliesst. Zum 1. November endet nach fast 50 Jahren die Geschichte eines Ortes, der weit mehr war als ein Nachtclub.

Das traditionsreiche «Schwulen-Zentrum», einst aus der Homosexuellen Aktion Westberlin hervorgegangen, wurde 1977 in einer Fabriketage in Schöneberg gegründet. Später zog es in die Hasenheide am Kreuzberger Südstern und 1995 gemeinsam mit dem Schwulen Museum in den Mehringsdamm 61. Seit rund zwölf Jahren war das SchwuZ schliesslich in der ehemaligen Kindl-Brauerei in Neukölln beheimatet – ein Ort, der queere Clubkultur mit gesellschaftlichem Engagement verband. Auch Künstler*innen wie Rosenstolz nutzten die Räume zwischenzeitlich für Proben und TV-Auftritte.

Ende Juli meldete der Trägerverein Insolvenz an. Man habe, so hiess es, «die Reissleine ziehen müssen, bevor die Zahlungsunfähigkeit eintrete». Trotz Sparmassnahmen und struktureller Veränderungen sei die wirtschaftliche Lage ernster als erwartet gewesen. Bereits im Mai hatte der Verein einem Drittel der Belegschaft – damals rund 100 Mitarbeitende – kündigen müssen (MANNSCHAFT berichtete).

Eine Spendenkampagne sollte 300'000 Euro für die Rettung einbringen, tatsächlich kamen etwas über 50'000 Euro zusammen. Doch auch das konnte den Club nicht mehr retten: Im September lag das Defizit bei rund 70'000 Euro.

In einem emotionalen Statement auf Instagram schrieb das Team am Donnerstagabend, das Schreiben dieser Zeilen falle unglaublich schwer, doch leider müsse man mitteilen, dass das SchwuZ schliessen werde. Nach monatelangen Hoffnungen und Gesprächen mit potenziellen Investor*innen habe sich keine Partei gefunden, die den Club übernehmen könne. Man habe alles versucht, «doch am Ende hat es nicht gereicht».

Zugleich rief das Team die Community auf, die letzten gemeinsamen Wochen zu nutzen, um «noch einmal zusammenzukommen, zu tanzen, zu lachen, zu weinen und Erinnerungen zu teilen» – als Abschied und grosses Dankeschön an alle, «die seit 1977 mit Herzblut, Kreativität und Ausdauer das Abenteuer SchwuZ möglich gemacht haben».

Ein Projekt mit Signalwirkung Das SchwuZ war Teil des Vollgut-Areals in Neukölln, das als Vorzeigeprojekt für gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung gilt. Getragen von der Edith-Maryon-Stiftung und verwaltet durch eine Genossenschaft, sollen dort dauerhaft bezahlbare Räume für Kultur- und Sozialprojekte gesichert werden.

Neben dem SchwuZ sollten dort drei bedeutende queere Archive unterkommen:

  • Das FFBIZ – Feministisches Archiv (gegründet 1978), das die Geschichte der feministischen Bewegung in Deutschland dokumentiert.
  • Der Spinnboden – Lesbenarchiv und Bibliothek, dessen Ursprünge bis 1973 reichen und der 1983 offiziell als Verein gegründet wurde – das älteste und grösste Lesbenarchiv Europas.
  • Die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft (gegründet 1982), die das Erbe des Sexualwissenschaftlers Magnus Hirschfeld bewahrt und ein umfangreiches Archiv zur Geschichte der Homosexuellenbewegung betreibt.

Sie alle bewahren queere Geschichte und kollektives Wissen – und stehen nun ebenfalls vor einer ungewissen Zukunft. Mit dem Wegfall des SchwuZ, einem kulturellen Anker des Areals, stellt sich die Frage, wie sich die Struktur und Finanzierung des Projekts langfristig sichern lassen.

So sollen die Räumlichkeiten des queeren Archivzentrums in Berlin aussehen
So sollen die Räumlichkeiten des queeren Archivzentrums in Berlin aussehen (Bild: Betterplace.org)

Zur Erinnerung: Die Archive hatten gemeinsam die Vollgut eG gegründet, eine Genossenschaft, die ein Erbbaurecht über 99 Jahre erwerben will, um ihre Sammlungen dauerhaft an neuem Ort zu sichern. Doch auch dieser Prozess hängt von Spenden und finanzieller Unterstützung ab. «Jeder Beitrag hilft», betont das Spinnboden-Team – ohne zusätzliche Mittel könnten zentrale Teile der Sammlungen gefährdet sein.

Queere Räume unter Druck Für Berlin ist der Verlust des SchwuZ ein Symbol für eine breitere Entwicklung: Die ökonomischen Rahmenbedingungen für queere Kultur verschlechtern sich spürbar. Clubs, Archive und Initiativen kämpfen zunehmend mit steigenden Mieten, Bürokratie und fehlender öffentlicher Förderung.

«Das SchwuZ war nie nur ein Club – es war ein Ort, an dem queere Identität selbstverständlich gelebt wurde», sagt ein Mitglied des Trägervereins. «Dass so ein Ort verschwindet, zeigt, wie fragil unsere Strukturen geworden sind.»

Auch Szenejournalistin Manuela Kay sieht in der Schliessung mehr als nur das Ende eines Clubs. In ihrem Kommentar «Ein Leben ohne SchwuZ ist möglich – aber sinnlos» schreibt sie im LGBTIQ-Stadtmagazin Siegessäule: «Ihr könnt die Partys im SchwuZ doof finden, die Drinks zu teuer, dem alten oder dem neuen Management Misswirtschaft vorwerfen und dann schmollend auf dem Sofa bleiben. Oder ihr könnt helfen, etwas zu retten, das einzigartig in der Welt ist und ohne dessen Existenz wir kulturell und queer-politisch verarmen.» Diese Rettungsaktion ist nun endgültig gescheitert.

Neuanfang an anderem Ort? Das Bezirksamt Neukölln betont, man wolle die Arbeit am Vollgut-Areal fortsetzen. Bezirksstadtrat Jochen Biedermann (Grüne) sprach zuletzt von einem «Ort, an dem Kultur, Nachbarschaft und Gemeinwohl zusammenkommen sollen». Doch der Verlust des SchwuZ zeigt, wie dringend queere Räume politische und finanzielle Absicherung brauchen.

Ob das SchwuZ eines Tages an einer anderen Stelle wieder aufersteht, bleibt derzeit offen. Der Verein prüft mit Hilfe der Spenden, ob ein Neuanfang möglich wäre. Sollte dies scheitern, sollen die Mittel an andere queere Projekte fliessen, heisst es.

Die Berliner Clubcommission reagierte betroffen. Das SchwuZ sei für viele Menschen weit mehr als ein Club gewesen – «es war ein Zuhause, ein Schutzraum, ein Stück Berliner Identität». Die wirtschaftliche Lage vieler Clubs sei angespannt. Gerade Orte wie das SchwuZ bräuchten gezielte politische Unterstützung. Die Schliessung des Schwuz stehe in einem eklatanten Widerspruch zum Selbstverständnis Berlins als «Regenbogenhauptstadt».

Opposition kritisiert den Senat Auch der Fraktionschef der Grünen im Abgeordnetenhaus, Werner Graf, sprach von einem Schock. Dass einer der ältesten queeren Clubs Europas schliessen müsse, sei ein Armutszeugnis für den Senat. Statt zu unterstützen, habe Regierungschef Kai Wegner (CDU) «nur zugesehen». Es brauche eine dauerhafte Strukturförderung für queere Orte und Clubkultur.

Ähnlich äusserte sich der frühere Kultursenator Klaus Lederer (Linke). Das Ende des SchwuZ sei ein Weckruf für die Landespolitik. Ein echtes Bemühen des Senats zur Rettung des Clubs sei für ihn nicht erkennbar gewesen. Trotz aller auch hausgemachter Probleme dürfe man als Senat von Berlin einen solch bedeutenden Ort «nicht einfach sehenden Auges sterben lassen».

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