«Die sexuelle Gesundheit unserer Community steht auf dem Spiel»
Am Dienstag setzten Vertreter*innen von 48 Organisationen ein Zeichen gegen die geplanten Kürzungen bei der Prävention im Bereich der sexuellen Gesundheit. Vor Ort war auch Andreas Lehner, Geschäftsleiter der Aids-Hilfe Schweiz.
Mit Transparenten, Redebeiträgen und einem pinken Kondom-Maskottchen machten die Organisationen vor dem Bundeshaus in Bern auf drohende Budgetkürzungen im Bereich der sexuellen Gesundheit aufmerksam. Besonders im Fokus: das nationale Programm NAPS, mit dem die Schweiz bis 2030 HIV- und Hepatitis-Neuansteckungen stoppen will. Auch für die Präventionsarbeit in der LGBTIQ-Community hätte ein Rückbau erhebliche Folgen.
Das «Nationale Programm Stopp HIV, Hepatitis B-, Hepatitis C-Virus und sexuell übertragene Infektionen» (NAPS) baut gemäss dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf fast vier Jahrzehnten erfolgreicher Präventionsarbeit auf. Es verfolgt das Ziel, die Übertragungen von HIV sowie den Hepatitis-Viren B und C bis 2030 ganz zu beenden und die Zahl anderer sexuell übertragbarer Infektionen wie Syphilis oder Gonorrhoe zu senken. Damit setzt die Schweiz auch die Vorgaben der Weltgeundheitsorganisation WHO um.
Diese Arbeit ist gemäss Sexuelle Gesundheit Schweiz, Dachorganisation der Beratungsstellen für sexuelle Gesundheit, gefährdet: Das BAG kündigte im Februar an, dass aufgrund von Sparmassnahmen Budgetkürzungen bei NAPS und im Bereich gesundheitlicher Chancengleichheit vorgesehen sind (MANNSCHAFT berichtete). «Die angekündigten Kürzungen stehen in völligem Widerspruch zu den Zielen, die sich die Schweiz gesetzt hat», warnt Léonore Porchet, Präsidentin von Sexuelle Gesundheit Schweiz in einer Medienmitteilung.
Ein Rückschritt mit Folgen für queere Menschen Für die LGBTIQ-Community sind die geplanten Kürzungen besonders brisant. Männer, die mit Männern Sex haben (MSM), gehören gemäss BAG nach wie vor zu den Gruppen mit erhöhtem Risiko für HIV und andere STIs. Viele von ihnen sind zudem mit Stigmatisierung und Diskriminierung im Gesundheitssystem konfrontiert – Barrieren, die NAPS gezielt abbauen will.
«Die sexuelle Gesundheit unserer Community steht auf dem Spiel», sagt Andreas Lehner, Geschäftsleiter der Aids-Hilfe Schweiz, der ebenfalls auf dem Bundesplatz anwesend war. Die Organisation betreibt mit «Dr. Gay» eine der bekanntesten Informations- und Testplattformen für queere Menschen. «Wir sorgen dafür, dass alle up to date sind mit dem Wissen rund um HIV und STI. Das trägt dazu bei, dass wir HIV-Neuansteckungen reduzieren und bis 2030 stoppen können. Dafür brauchen wir Geld. Ein Teil kommt von Spenden, aber ein grosser Teil vom Bund.»
Prävention spart Kosten Lehner betont, dass Kürzungen an der falschen Stelle geschehen würden: «Je mehr man in Prävention steckt, umso weniger Geld brauchen wir später für die Behandlung. Das hilft uns allen.» Tatsächlich gilt die Schweizer Präventionspolitik international als Erfolgsmodell. Dank flächendeckender Information, Test- und Beratungsangebote konnte eine Ausbreitung der HIV- und Hepatitis-Epidemien in die Gesamtbevölkerung gemäss BAG verhindert werden.
Die 48 Organisationen fordern deshalb vom Parlament, NAPS von Kürzungen auszunehmen. Denn die Ziele seien nicht nur gesundheitlich, sondern auch gesellschaftspolitisch relevant: Prävention stärkt Gleichberechtigung, schützt marginalisierte Gruppen und fördert den sozialen Zusammenhalt.
Queere Solidarität gefordert Auch innerhalb der LGBTIQ-Community ruft Lehner zu Solidarität auf: «Es ist an der Zeit, dass wir wieder mehr zusammenstehen und gemeinsam etwas bewegen – zum Beispiel jetzt für die sexuelle Gesundheit.» Unterstützung könne jede*r leisten: «Für dasselbe Geld, womit man in den schwulen Ausgang geht, können wir 20 Plakate drucken. Einmal etwas weniger angetrunken nach Hause kommen und so auch der Community etwas Gutes tun.»
Ob die Aktion vor dem Bundeshaus Wirkung zeigt, wird sich in der Wintersession zeigen. Dann beraten National- und Ständerat über das Budget, einschliesslich der Mittel für die Prävention im Bereich der sexuellen Gesundheit.
Mehr: Nach über 20 Jahren zieht das alternative queere Partylabel «Offstream» einen Schlussstrich (MANNSCHAFT berichtete)
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