Selbstbestimmung statt rechtem Kulturkampf: «Grund zu feiern»

Österreich bekommt eine queerfreundliche Regierung

Mario Lindner
Mario Lindner (Bild: Parlamentsdirektion/Johannes Zinner)

Mario Lindner ist SPÖ-Sprecher für Gleichbehandlung, Diversität und LGBTIQ im Nationalrat und Bundesvorsitzender der queeren sozialdemokratischen Organisation Soho. In seinem Gastbeitrag für MANNSCHAFT erklärt er den Erfolg der Koalitionsvereinbarung.

Was lange währt wird endlich gut – dieses Sprichwort trifft nicht nur auf die Bildung der neuen Bundesregierung in Österreich zu, sondern tatsächlich endlich einmal auch für die Zukunft der LGBTIQ-Politik in unserer Republik. Schaute es vor wenigen Wochen noch so aus, als würde Österreich mit Herbert Kickl seinen ersten FPÖ-Kanzler bekommen, so ist jetzt klar, dass es stattdessen eine Dreier-Regierung geben wird, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Vielfalt verteidigen wird (MANNSCHAFT berichtete).

Vollkommen zu recht sorgten sich viele Menschen darum, was ein Kanzler Kickl mit seinen Vertrauten in der Bundesregierung alles anrichten könnte. Die letzten Jahre setzten die Freiheitlichen auf die billigste Form von Kulturkampf: Mit Hass gegen marginalisierte Gruppen, die LGBTIQ-Community und ganz besonders gegen trans Personen wurde versucht, von den blauen Angriffen auf den Rechts- und Sozialstaat abzulenken. Statt dieser Politik bekommt Österreich jetzt aber eine Regierung, die (neben vielen anderen Errungenschaften) auch das grösste LGBTIQ-Programm der 2. Republik in ihrem Koalitionsabkommen festgeschrieben hat. Dafür haben gerade wir in der SPÖ lange, Seite an Seite mit der Zivilgesellschaft gekämpft!

Es ist das allererste Mal, dass ein österreichisches Regierungsprogramm ein eigenes Kapitel zur LGBTIQ-Community hat. Im Zentrum stehen dabei der Abbau von Diskriminierungen und die Förderung einer selbstbestimmten Gesellschaft: Wir wollen Regenbogenfamilien stärken, das gesamte Rechtssystem auf Nachbesserungs-Potenziale durchleuchten und auch queere Familien aus Ländern gleichstellen, in denen es keine Ehe für Alle oder Adoptionsmöglichkeiten gibt. Gleichzeitig werden Menschenrechte und die Selbstbestimmung unserer Community auch in Bereichen wie der Aussenpolitik oder im Bildungssektor besser verankert!

All das kann sich schon einmal sehen lassen. Selbstbestimmung ist im neuen österreichischen Regierungsprogramm aber auch dort die Leitlinie, wo wir besonders großen Nachholbedarf haben: Das Verbot von Konversionstherapien wird kommen! Nachdem die letzte Bundesregierung trotz zweier Nationalratsentschliessungen daran gescheitert ist, verpflichtet sich die neue Regierung, diese Praktiken endlich zu verbieten. Damit untersagen wir solche hochgefährlichen «Therapien» nicht nur wegen der sexuellen Orientierung, sondern schützen auch vor pseudowissenschaftlichen Umpolungstherapien aufgrund von Geschlechtsinkongruenz, also gegen trans Personen. Ausserdem wollen wir intergeschlechtliche Kinder und Jugendliche besser vor medizinisch nicht-notwendigen Operationen schützen, intergeschlechtliche Selbstvertretungsorganisationen besser einbinden und vor allem medizinisches Personal besser ausbilden.

Doch nicht nur im eigenen LGBTIQ-Kapitel konnten wir grosse Erfolge feiern, sondern auch mit dem klaren Bekenntnis zu einem Nationalen Aktionsplan gegen Hass. Damit verpflichtet sich die nächste Bundesregierung dazu, Hasskriminalität in jedem Bereich unserer Gesellschaft den Kampf anzusagen: Wir werden Polizei und Verwaltung besser schulen, Meldestellen stärken und die Zivilgesellschaft besser einbinden. Die gesamte Gesetzeslage soll evaluiert werden, um klarzumachen, wo gegen Hass und Diskriminierung besser vorgegangen werden kann.

Zusätzlich wird ein jährliche Hate-Crime-Bericht künftig alle relevanten Daten einbinden und öffentlich diskutiert werden. Vor allem aber macht die Bundesregierung klar, dass Hass, Ausgrenzung und Gewalt gegen LGBTIQ-Personen und andere Gruppen niemals toleriert werden kann – egal ob sie von Rechtsextremen, aus patriarchalen Gruppen oder wegen religiöser Motive passiert. Statt Ausreden und Scheuklappen nennen wir die Probleme beim Namen und werden alle Kraft in echte Lösungen stecken. Denn kein Mensch darf im Jahr 2025 in einem Land wie Österreich Angst vor queer-feindlicher oder irgendeiner anderen Form von Gewalt haben müssen!

«Ganz persönlich muss ich mich nicht nur über die vielen Erfolge freuen, sondern auch über das, was wir gemeinsam verhindern konnten.»

Ganz persönlich muss ich mich aber nicht nur über die vielen Erfolge freuen, sondern auch über das, was wir gemeinsam verhindern konnten: Gerade die immer stärker werdenden Angriffe auf trans, nicht-binäre und intergeschlechtliche Menschen haben wir gemeinsam abgewehrt. Statt einer Kulturkampf-Politik, die geschlechtliche Vielfalt verbieten und gerade jungen trans Menschen das Leben schwer machen wollte, wird es in Zukunft mehr wissenschaftliche Aufarbeitung, mehr Monitoring und mehr Einbindung von Betroffenen geben, wenn es um die gesundheitliche Versorgung von trans Personen geht.

Und ganz allgemein haben wir bei der Förderung queerer Gesundheit viel erreicht: Die Prep, die auf Druck der SPÖ seit letztem Jahr gratis verfügbar ist, soll zur Kassenleistung werden – zugänglich für alle und ohne umständliche Rückerstattungen (MANNSCHAFT berichtete). Ausserdem wird der LGBTIQ-Gesundheitsbericht inhaltlich verbessert und künftig regelmässig erscheinen.

Ja, dieses Regierungsprogramm ist für die LGBTIQ-Community ein Grund zum Feiern. Aber haben wir damit alles erreicht, wofür die Community und auch ich persönlich seit Jahren kämpfen? Nein! Es gibt noch viele Kämpfe, die vor uns liegen – vom vollen Diskriminierungsschutz bis zur Selbstbestimmung von trans, nicht-binären und intergeschlechtlichen Personen. Diese Kämpfe werden wir gemeinsam mit Aktivist*innen in ganz Österreich und unseren Allies in der Zivilgesellschaft auch in Zukunft mit voller Kraft führen. Heute steht aber auch fest, dass es noch nie so viele Erfolge für LGBTIQ-Personen in einem Regierungsprogramm gab – und darauf bin ich sehr stolz!

Das Pentagon will trans Menschen aus dem US-Militär rauswerfen. «Der Dienst dieser Individuen ist nicht im besten Interesse der Streitkräfte», heisst es (MANNSCHAFT berichtete).

Das könnte dich auch interessieren

Kommentare