Kritik an Gewerkschafter Wendt: «Abstossende Diffamierung der queeren Szene»
Rainer Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, meint, dass LGBTIQ anderen ihre Identität «aufdrängen» wollten und «aggressive Forderungen nach permanenter Sichtbarkeit» stellten. Die Vereinigung Better Police nennt Wendt einen «ewig gestrigen Populisten». Es gibt noch mehr Kritik.
Rainer Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) und Sachbuchautor, hat im rechtspopulistischen Onlineportal Tichys Einblick beklagt, dass LGBTIQ anderen Menschen ihre Identität «aufdrängen» wollten und mit «aggressiven Forderungen nach permanenter Sichtbarkeit» strebten.
Roland Tichy ist selbst CDU-Kanzler Merz zu rechts: Laut Handelsblatt hatte es Merz 2018 abgelehnt, den Ludwig-Erhard-Preis der gleichnamigen Stiftung anzunehmen, weil er nicht mit dem Stiftungsvorsitzenden Tichy auf einer Bühne auftreten wollte.
In einer Rezension für ein Buch des umstrittenen Polizisten und CDU-Politikers Manuel Ostermann, der zwischenzeitlich der Werteunion angehörte, beklagt Wendt nun auf Tichys Portal, dass die Polizei und andere Behörden falsche Schwerpunkte setzten.
In seinem Text beklagt Wendt auch eine Stigmatisierung der Polizei und ihrer Beschäftigten – das liege am «dauerhafte Narrativ des angeblichen strukturellen Rassismus». Linke Parteien hätten «ohnehin ein gestörtes Verhältnis zu Ordnung und Rechtsstaatlichkeit». Das Buch von Ostermann sei «ein Weckruf für all diejenigen, die glauben, es könne so weitergehen, wie bisher».
Sibylle Krause ist Mitglied des geschäftsführenden Bundesvorstands der Gewerkschaft der Polizei (GdP), die über 200'000 Mitglieder hat und damit doppelt so viele wie Wendts DPolG. Krause, zuständig für den Themenbereich Diversität, erklärte gegenüber MANNSCHAFT: «Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) verurteilt entschieden die Äusserungen von Rainer Wendt, die die berechtigten Anliegen aller queerer Menschen herabsetzen. Wendts Rhetorik widerspricht den fundamentalen Werten von Vielfalt, Gleichheit und Respekt.
In Zeiten eines alarmierenden Anstiegs queerfeindlicher Hasskriminalität ist es unsere Pflicht, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu wahren und die Grundrechte aller Menschen zu schützen, einschliesslich der queeren Gemeinschaft. Auch queere Polizeibedienstete verdienen Anerkennung und respektvolle Behandlung, um eine gerechte und inklusive Arbeitsumgebung zu gewährleisten.»
Krause weiter: «Es ist erschütternd, dass die DPolG, unter Wendts Führung, eine spalterische Rhetorik befördert, die Vorurteile und Hass verstärkt. Auch die damit verbundene Unsichtbarmachung queerer Bediensteter untergräbt nicht nur unsere Grundrechte, sondern gefährdet auch den sozialen Zusammenhalt.
Symbole wie die Regenbogenfahne stehen für unser Engagement für Inklusion und Gerechtigkeit. Dies ist kein Kniefall, sondern starke Bekundungen unserer Entschlossenheit, für Vielfalt und gegen Diskriminierung und Hass einzustehen. Sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu bekennen und sie aktiv zu schützen - das sind Worte unseres Diensteides, die eine klare Haltung erfordern!
Wir setzen uns weiterhin für eine Polizei ein, die die Prinzipien Gerechtigkeit, Gleichheit und Menschenwürde hochhält. So erhalten wir das Vertrauen der Menschen und bewahren die Werte unserer demokratischen Gesellschaft.»
Zu den Äusserungen des DPolG-Bundesvorsitzenden erklärt Oliver von Dobrowolski, Gründer und Sprecher der Vereinigung Better Police, einem Netzwerk für eine offene und kritische Auseinandersetzung mit der Polizei, gegenüber MANNSCHAFT: «Es spricht für sich, dass Rainer Wendt für seine abstossende Diffamierung der queeren Szene ausgerechnet ein rechtspopulistisches Medium wählt. Nahezu folgerichtig ist auch, dass er nach jahrelanger Hetze gegen migrantisierte Personen und Forderungen nach einer progressiven Öffnung der Polizei nun gegen weitere Communities austeilt.»
«Im Stile der Menschenfeinde von Rechtsaussen fallen seine Äusserungen zu einer Zeit, in der selbst die Bundestagspräsidentin der Regenbogenflagge die Neutralität abspricht und Rechtsextreme offen gegen queere Sichtbarkeit kämpfen.»
Oliver von Dobrowolski, Better Police
Von Dobrowolski weiter: «Im Stile der auf einem Allzeithoch befindlichen Menschenfeinde von Rechtsaussen fallen seine Äusserungen zu einer Zeit, in der selbst die Bundestagspräsidentin der Regenbogenflagge die Neutralität abspricht und Rechtsextreme offen gegen queere Sichtbarkeit kämpfen. Zweifelsohne gibt dieser derzeitige gesellschaftliche Kurs ewig gestrigen Populisten wie Rainer Wendt Oberwasser.»
Better Police kritisiert menschenfeindliche und ausgrenzende Statements wie die von Wendt scharf. «Mehr denn je gilt es auch und insbesondere für die Polizei, auf Weltoffenheit und Toleranz zu setzen, um dem aktuellen Rechtsruck in Deutschland entschieden und wertebasiert entgegenzutreten.
Hetze und jegliche Form von Ausgrenzungen und Anfeindungen aus der Polizei heraus werden dem Anspruch einer rechtsstaatlichen Exekutive nicht gerecht. Die Polizei kann in einer pluralistischen Demokratie nur dann erfolgreich wirken, wenn sie die Vielfalt der Gesellschaft anerkennt, ohne bestimmte Gruppen zu exkludieren.
Und wie stets bei allen Äusserungen vom DPolG-Vorsitzenden gilt: Rainer Wendt spricht nicht für die Polizei!», so der Polizist und Aktivist von Dobrowolski.
Leon Dietrich aus dem Bundesvorstand des LSVD+ Verband Queere Vielfalt erklärt gegenüber MANNSCHAFT: «Die Äusserungen von Rainer Wendt sind nicht nur erschreckend, sondern auch unverantwortlich. Sie zeugen von einer gefährlichen Ignoranz gegenüber den ehrfurchtgebietenden sozialen Realitäten, mit denen queere Menschen konfrontiert sind, besonders in Anbetracht des alarmierenden Anstiegs queerfeindlicher Hasskriminalität», so Dietrich, der von Beruf Polizeihauptkommissar in Niedersachsen ist.
«Diese unverantwortlichen Kommentare ignorieren bewusst die zunehmende Queerfeindlichkeit und vernachlässigen die historische Verantwortung der Polizei wegen der systematischen Verfolgung queerer Menschen. Auch nach dem Ende des NS-Regimes fand die Diskriminierung durch den §175 StGB weiterhin statt, mit einer oft schädlichen Mitwirkung der Polizei.»
Die Polizei habe die Pflicht, Diskriminierung und Queerfeindlichkeit entschieden zu bekämpfen und sich für den Schutz und auch queerer Menschen einzusetzen. «Queere Menschen sind verstärkt Diskriminierung und Hassgewalt ausgesetzt, daher ist es entscheidend, dass staatliche Institutionen für ihren Schutz aktiv einstehen. Es ist besonders wichtig, Queer-und Diversitätsbeauftragte innerhalb der Polizei zu unterstützen, die versuchen wichtige Arbeit zur Bekämpfung von Diskriminierung und Queerfeindlichkeit zu leisten und interne und externe Präventions-Opferschutzarbeit betreiben. In einigen Bundesländern bestehen diese wichtige Strukturen nicht flächendeckend, so dass solche Äusserungen inakzeptabel und realitätsfern sind.»
Auch Marco Klingberg, Vorsitzender des LGBTIQ-Mitarbeiternetzwerks in Polizei und Justiz, (VelsPol) Berlin-Brandenburg, übt gegenüber MANNSCHAFT scharfe Kritik an Wendt: «Er versteht in keinster Weise,worum es eigentlich geht, wenn man mehr Sichtbarkeit und Akzeptanz fordert und für diese auch einsteht. Es geht darum, dass alle egal welche Hautfarbe, welchen Glauben, welche sexuelle Orientierung oder welche geschlechtliche Identität man hat gleichberechtigt in unserer Gesellschaft leben wollen.»
Klingberg weiter: «Seine Äusserungen zur Regenbogenfahne und deren hissen vor Polizeidienststellen strotzen von einer derartigen Ignoranz und sind ein Schlag ins Gesicht aller Polizistinnen und Polizisten, die sich seit Jahrzehnten für eine vielfältige und offene Polizei einsetzen. Sei es die vielen Ansprechpersonen für LSBTIG in den Landespolizeien und der Bundespolizei. Auch wird die bundesweite Arbeit des bundesweit agierenden queeren Netzwerkes VelsPol von ihm missachtet und ignoriert.»
«Neutralität bedeutet politische Unparteilichkeit und keine Wertneutralität. Die Regenbogenfahne steht für Werte wie Vielfalt, Toleranz und Gleichberechtigung. Werte, welche fest in unserem Grundgesetz verankert sind.»
Marco Klingberg (VelsPol)
Das Zeigen der Regenbogenflagge durch die Polizei verstosse in keinster Weise gegen das Neutralitätsverbot, auf das sich Herr Wendt auch wieder beruft. «Die Neutralität bedeutet politische Unparteilichkeit und keine Wertneutralität. Die Regenbogenfahne steht für Werte wie Vielfalt, Toleranz und Gleichberechtigung. Werte, welche fest in unserem Grundgesetz verankert sind.
Herr Wendt sollte sich wieder einmal vergegenwärtigen: Auch er hat einst seinen Eid auf unsere freiheitlich demokratische Grundordnung und auf das Grundgesetz abgelegt und somit auch ein Einstehen für diese Werte als sein Handeln versprochen.
Wenn sich Herr Wendt die Worte von Margot Friedländer ,Seid Menschen' ins Gedächtnis ruft, vielleicht versteht er dann, um was es geht.»
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