Kerzenlicht statt Bierdusche: Der 2:0-Sieg der Schweiz beim Public Viewing

02.07.2025, Schweiz, Basel: Fußball, Frauen: EM, Schweiz - Norwegen, Vorrunde, Gruppe A, 1. Spieltag. Schweizerinnen, unter anderem Lia Wälti (l) und Alisha Lehmann, gehen nach dem Spiel über das Feld.
Das Schweizer Frauenteam (Bild: Sebastian Christoph Gollnow/dpa )

Seit knapp einer Woche läuft die Frauenfussball-EM 2025 in der Schweiz. Für queere Fans gibt es zahlreiche Gelegenheiten zum Public Viewing. Unsere Autorin hat das Spiel Schweiz gegen Island in Basel gesehen.

Am Sonntagabend hat die Schweizer Nationalmannschaft in Bern ein packendes Spiel gegen Island mit 2:0 für sich entschieden und damit für Stimmung ausserhalb des Stadions gesorgt. Die Fussball-Europameisterschaft der Frauen läuft und wird in der Schweiz als Fussballfest gefeiert. Bereits das Eröffnungsspiel stellte mit rund 34'000 Zuschauer*innen einen neuen Rekord für ein Frauenfussballspiel in der Schweiz auf.

Die EM 2025 gehört zu den sichtbarsten LGBTIQ-relevanten Grossereignissen im Sport. Rund ein Fünftel der Spieler*innen sind offen queer, wie Outsports berichtet. Damit spricht das Event auch eine queere Fanbase an, die mitfeiert.

Mit dabei beim Public Viewing: das Humbug, ein queerer Space in Basel. Letzte Woche bereits mit der Lesbenorganisation LOS eröffnet, werden die Spiele bis zum Finale gezeigt. Der Veranstaltungsort organisiert regelmässig Programm mit gesellschaftspolitischen Schwerpunkten und dient gerade den Personengruppen, welche ansonsten oft ausgeschlossen werden.

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Public Viewing im Humbug (Bild: Elena Löw)

Die Stimmung hat sich dabei ganz dem Wetter angepasst. Statt 35 Grad, Sonne und grossen Menschenmassen wurde beim Regen die Übertragung nach drinnen verlegt mit Einzeltischen, Sofas und Kerzenlicht. Nicht die typische Fussball-Fanszenerie, aber gerade deshalb schön zum Geniessen an einem Sonntagabend. Wer auf die eher klassische Fussballmeute mit Bierduschen und hitziger Stimmung verzichten will, ist hier gut aufgehoben.

Der Jubel und die gute Stimmung haben natürlich trotzdem nicht gefehlt und die Stühle waren alle besetzt. Das Publikum ist komplett durchmischt, das Spiel wird von allen aufmerksam verfolgt, dazwischen wird geraucht, geredet und gelacht. Niemand drängt zur erzwungenen stillen Konzentration auf das Spielgeschehen. Der Fokus liegt nicht auf dem Gewinnen, sondern auf dem gemeinsamen Schauen mit Raum für Gespräche und Diskussionen als kollektives Erleben vom Sport.

Die Spielerinnen auf dem Feld haben sich im Regen tapfer geschlagen und die Spannung war während des gesamten Spiels deutlich spürbar. Nach der Auftaktniederlage gegen Norwegen letzte Woche sorgte der Sieg für Erleichterung und Euphorie. Das positive Gefühl für die Qualifikation ins Viertelfinale steigt.

Besonders als beide Tore in den letzten 20 Minuten fallen, erreicht die Stimmung ihren Höhepunkt. Die Zuschauer*innen jubeln, stehen auf, umarmen sich.

Im Publikum ging es nicht nur um Fussball: Die Regenbogenarmbinde der Kapitänin Lia Wälti. Im Publikum kommt die Binde gut an: Dass die UEFA die Binde nicht verboten hat, wird begrüsst; zugleich schwingt bei einigen Besucher*innen Unverständnis mit, dass ein Verbot überhaupt je zur Diskussion stand, wie in der Vergangenheit.

Auch die Inklusion von trans Personen und Cornrows als kulturelle Aneignung sind ein Thema. Bei letzterem handelt es sich um eine traditionelle afro-diasporische Frisur, deren Verwendung durch weisse Personen immer wieder Anlass für Diskussionen gibt. Ein schöner Beweis dafür, dass Fussball nicht apolitisch sein muss. Auch beim Geniessen darf kritisch hinterfragt und zugleich gefeiert werden.

Eine der wohl engagiertesten Zuschauer*innen (22) an diesem Abend sagt dazu: «Ich war bis jetzt nicht gerade fussballbegeistert. Meine Freundin schon! Aber so macht es Spass und vor allem bin ich hier, weil ich Frauen liebe und unterstützen will.»

Fussballkultur muss nicht immer gleich aussehen. Sie darf entspannt oder mitfiebernd sein, politisch oder sportlich fokussiert, mit Kerzenlicht oder auf Bierbänken. Es ist für alle etwas dabei bei der EM und jede*r darf sich den Space aussuchen, der am besten passt. Hauptsache, es fühlt sich richtig an.

Die lesbische Schwimmerin Diana Nyad schaffte mit 64 Jahren das Unmöglichgeglaubte und schwamm von Kuba nach Florida. Ein Film erzählt die bewegende Geschichte der New Yorkerin, die sich von Frauenfeindlichkeit und Altersdiskriminierung nicht abschrecken liess (MANNSCHAFT-Story).

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