Blinde Zerstörungsaktion? Trump streicht Mittel für HIV-Prävention
Es geht um die US-Entwicklungshilfebehörde USAID und ihre vermeintlich «woke» Agenda
Im Rahmen seiner grossen Umstrukturierung der US-amerikanischen Politik und Gesellschaft hat Präsident Donald Trump seine Behörden angewiesen, auch Forschungsgelder und Hilfsprogramme im Zusammenhang mit HIV/Aids zu streichen bzw. einzufrieren.
Für die US-Entwicklungshilfebehörde USAID sollen ab dem Wochenende Berichten zufolge nur noch wenige Hundert Mitarbeiter*innen tätig sein. Die Regierung von US-Präsident Donald Trump werde die Zahl der Bediensteten von mehr als 10‘000 auf etwa 290 Stellen reduzieren, berichtete die New York Times unter Berufung auf drei Personen mit Kenntnis der Pläne.
Der Sender NPR berichtete, dass US-Aussenminister Marco Rubio eine Liste mit rund 600 Mitarbeiter*innen vorgelegt worden sei, deren Arbeit weltweit als wesentlich erachtetet werde. Rubio habe jedoch weniger als 300 von der Freistellung ausgenommen.
Zerschlagung und Entlassungen Zwei Arbeitnehmervertretungen verklagten unterdessen Trumps Regierung im Namen der USAID-Mitarbeiter*innen, wie mehrere Medien übereinstimmend berichteten. Die Kläger*innen argumentierten, dass der Personalabbau und die Kündigung internationaler Hilfsverträge verfassungswidrig seien und die Gewaltenteilung verletzten. Nur der US-Kongress könne die Entwicklungshilfebehörde auflösen. Mit der bei einem Bundesgericht in Washington eingereichten Klage wollen die Gewerkschaften die Zerschlagung von USAID und die Entlassungen stoppen, wie es weiter hiess.
Trump hatte bereits im Januar die Gelder für die Behörde während einer internen Überprüfung einfrieren lassen. Er erklärte mehrmals, USAID werde von radikalen «Wahnsinnigen» geführt, die das Geld von Steuerzahlern verschwendeten. Diese Woche kündigte die US-Regierung an, vom Wochenende an einen Grossteil ihrer Mitarbeiter*innen freizustellen. Alle direkt angestellten Mitarbeiter*innen seien ab Freitag, 23.59 Uhr (Ortszeit Washington) beurlaubt - mit Ausnahme von Beschäftigten auf unverzichtbaren Posten und in bestimmten Programmen. Wer von Ausnahmeregelungen betroffen sei, erfahre dies einen Tag vorher, hiess es.
Grösstes Geberland weltweit Für die Behörde arbeiten rund 10‘000 Menschen, zwei Drittel davon ausserhalb der USA. Im vergangenen Jahr wurden rund 50 Milliarden US-Dollar (48 Mrd. Euro) in Entwicklungshilfeprojekte gesteckt. Der plötzliche Wegfall der US-Entwicklungshilfe würde schwer wiegen. Die USA gelten als das grösste Geberland weltweit. Die kleine Gruppe der verbleibenden Mitarbeiter*innen umfasst der New York Times zufolge Bedienstete, die auf Gesundheit und humanitäre Hilfe spezialisiert sind.
Auf diese Aktion reagieren auch in Deutschland Organisationen wie die Deutsche Aids-Gesellschaft (DAIG) oder die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI). In einem gemeinsamen Statement heisst es: «Die aktuellen Entwicklungen in der Gesundheitspolitik der USA können katastrophale Folgen für Menschen mit HIV und anderen Infektionskrankheiten haben.»
Und weiter: «Die Behörde USAID, die unzählige humanitäre Hilfsprogramme verwaltet, steht offenbar vor der Auflösung, Prävention durch Impfungen wird unterminiert. (…) Klar ist: Die Entscheidungen der Regierung Trump gefährden die globale Gesundheit. Grosses menschliches Leid, Krankheit und Tod werden die Folge sein» (MANNSCHAFT berichtete).
«Ideologisch verblendete Einflussnahme auf Wissenschaft und Medizin» Die infektiologischen Fachgesellschaften und Verbände DGI, DAIG, dagnä (Deutsche Arbeitsgemeinschaft ambulant tätiger Ärztinnen und Ärzte für Infektionskrankheiten und HIV-Medizin) und die DGPI (Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie) warnen vor dem immensen Schaden, den eine «ideologisch verblendete Einflussnahme auf Wissenschaft und Medizin» anrichten kann. «Wir appellieren an die deutsche Politik, ähnliche Entwicklungen zu verhindern und die Freiheit der Wissenschaft zu schützen», heisst es.
Prof. Dr. Leif Erik Sander, Direktor der Klinik für Infektiologie und Intensivmedizin an der Berliner Charité, sagt: «Die jüngsten gesundheitspolitischen Entwicklungen in den USA betrachten wir als infektiologische Fachgesellschaften mit grosser Sorge. Neben der Pausierung lebenswichtiger medizinischer Hilfsprogramme werden wichtige Gesundheitsinformationen zensiert – darunter medizinische Leitlinien zu HIV und anderen Infektionskrankheiten, die von den Webseiten der Gesundheitsbehörde CDC entfernt wurden. Diese gravierenden staatlichen Eingriffe gefährden die medizinische Versorgung von vulnerablen Patientinnen und Patienten weltweit. Zudem greift die Regierung massiv in die Wissenschaftsfreiheit ein. Auch in Deutschland und Europa sind ähnliche autoritäre und wissenschaftsfeindliche politische Strömungen erkennbar.»
«Die Wut der Disruptoren» Prof. Dr. Christoph Spinner, Klinikum der Technischen Universität München (TUM Klinikum) ergänzt: «Überall dort, wo man den Bereich der Evidenz verlässt und sich auf Ideologien und Populismus stützt, ist es sehr wahrscheinlich, dass für Patientinnen und Patienten Rückschritte, wenn nicht gar lebensbedrohliche Komplikationen, eintreten können. Wir haben in den vergangenen Jahren in der HIV-Forschung sowie bei der Behandlung vieler anderer Infektionskrankheiten so viel erreicht, es konnten viele Leben gerettet werden. Diese Erfolge stehen nun auf dem Spiel. (…) Deutschland muss weiter in die globale Forschung investieren und im Kampf gegen HIV aktiv bleiben. Der evidenzbasierte Ansatz in der Therapie und Prävention von HIV und anderen STI muss das Mass aller Dinge bleiben.»
In einem Kommentar zu den Entwicklungen schreibt die Berliner Zeitung: «Was wie das blinde Zerstörungswerk eines hyperaggressiven Kindes anmutet, sinnlos und inhuman, besitzt dennoch einen strategischen Kern. In den Augen der Trump-Gemeinde ist USAID eine Medaille mit zwei Seiten: einer hellen, dem Licht zugewandten, in deren Namen Amerika die Ärmsten der Welt mit Nahrung und Medizin versorgt. Aus der Trump-Perspektive gibt es eine zweite, dem Licht abgewandte Seite, die Wolfsseite im Schafspelz. Es geht um USAID-Zahlungen und andere Auslandshilfen, die weder Kranken noch Hungernden zugute kommen, sondern politisch-ideologischen Zielen. Es liegt auf der Hand, dass sich die Wut der ‹Disruptoren› um den US-Präsidenten und seinen Mitstreiter Elon Musk in erster Linie gegen die ‹woke›, linksliberale Agenda richtet, die dem rechten Amerika seit Jahren als Objekt von Hass und Verachtung dient.» (mit dpa)
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