Lesbenpaar wird von Jugendlichen angegriffen – und soll Strafe zahlen

Der Fall der zwei Frauen in Bad Waldsee sorgt für Kopfschütteln und schwere Vorwürfe gegen die Behörden

Symbolfoto
Symbolfoto eines Survivalmessers (Bild: Markus Spiske/Unsplash)

Ein lesbisches Elternpaar mit zwei Kindern im oberschwäbischen Bad Waldsee wurde von Jugendlichen mehrmals attackiert – und dann selbst angezeigt.

Es geht um die trans Frau Michaela Reuter, die nach ihrer Transition mit ihrer Ehefrau verheiratet blieb. Sie wurde laut Stuttgarter Zeitung schon vor einem Jahr wiederholt als «Schwuchtel» beschimpft von Jugendlichen. Damals sagte sie der Zeitung: «Ich bin nicht schwul. Ich bin eine Frau, die in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung lebt.»

Später gingen die queerfeindlichen Beleidigungen der Jugendlichen in ihrer Kleinstadt weiter. Demnach sollten die aggressiven Jugendlichen das Haus der Familie im Juni 2024 mehrmals mit Eiern beworfen haben. Danach tauchte, laut Stuttgarter Zeitung, einer der Jugendlichen mit Motorradhelm auf dem Grundstück auf und verletzte die Ehefrau von Michaela Reuter «mit einem Survivalmesser» an der Stirn. Die Wunde sei mit sieben Stichen im Krankenhaus genäht worden, heisst es. (MANNSCHAFT berichtete über weitere Messerattacken gegen LGBTIQ.)

11'000 Euro Strafe Die beiden Frauen zeigten die ihnen bekannten Jugendlichen an. Allerdings konnte nicht ermittelt werden, wer der Messerstecher war. Doch dann kam es zu einer überraschenden Wendung in dem Fall: denn die Staatsanwaltschaft Bad Waldsee schickte Michaela Reuter und Ehefrau zwei Strafbefehle in Höhe von insgesamt 11‘000 Euro.

Was war passiert? Die Frauen hatten laut Staatsanwaltschaft die mutmasslichen Täter an einem Supermarktparkplatz aufgespürt und wollte sie festhalten, bis zum Eintreffen der Polizei. Auf diese Weise hofften die Frauen zu erfahren, wer der Messerstecher war.

Die Jugendlichen flohen jedoch und ginge dann ihrerseits juristisch gegen die Frauen – also ihre mutmasslichen Opfer - vor. Laut Strafbefehl hätten sich das lesbische Paar der vorsetzlichen Körperverletzung und versuchten Freiheitsberaubung schuldig gemacht, heisst es.

Michaela Reuter
Michaela Reuter in einem Social-Media-Foto von 2023 (Bild: Facebook/Michaela Reuter)

«Unverschämte Justiz» Die Frauen legten vorm Amtsgericht Bad Waldsee Einspruch gegen die Strafbefehle ein. Der Fall wird deswegen nun vom Landgericht weiterverhandelt.

Pikant daran: Gegen die Jugendlichen gibt es derweil kein Verfahren!

Michaela Reuter spricht in einem Social-Media-Kommentar von der «unfassbaren» und «unverschämten» Justiz. Sie schreibt ausserdem: «Stellt euch vor ihr könnt in einem Nest mit 12‘000 Einwohner*innen im Kernort nicht mehr ruhigen Gewissens spazieren, ihr könnte der Polizei nicht mehr vertrauen und der Umgang mit der Justiz wird zum Glücksspiel.»

Michaela Reuter arbeitet nach eigenen Angaben inzwischen in der Schweiz. Sie sagt: «Jeden Sonntagabend, den ich über die Grenze fahre, atme ich freier und fühle mich sicher.»

«Weltoffen, bunt und zukunftsgewandt» Laut Stuttgarter Zeitung planen die Frauen, nach Beendigung der Schule ihrer Kinder, Bad Waldsee und Deutschland ganz zu verlassen. Derzeit arbeitet nur Michaela Reuter unter der Woche in der Schweiz.

In der Vergangenheit hatte Bad Waldsee schon öfter für Schlagzeilen gesorgt, u.a. weil eine von der katholischen Gemeinde aufgestellte Regenbogenbank immer wieder zerstört worden war (MANNSCHAFT berichtete über ähnliche Vorfälle rund um Regenbogenbänke). Inzwischen steht sie gar nicht mehr im Ort. Trotzdem betont der CDU-Oberbürgermeister Matthias Henne: «Bad Waldsee ist weltoffen, bunt und zukunftsgewandt.»

Angesichts der neuesten Schlagzeilen bezweifeln das viele. Michaela Reuter sagt: «Es ist verdammt schwer zu ertragen.»

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