Zweiter CSD in Eberswalde trifft auf AfD-Sommerfest
«Wir dürfen dieses Jahr nicht zum CSD, weil unsere Eltern es aus Angst um uns verboten haben»
Der Christopher Street Day in Eberswalde trifft am Samstag auf ein Sommerfest der AfD. Die Stimmung ist angespannt. Nach dem gewaltsamen Angriff in Bad Freienwalde rüstet die Polizei auf.
Unter erhöhtem Schutz wollen Queers am Samstag in Eberswalde im nordöstlichen Brandenburg zum CSD auf die Strasse gehen. Nach dem gewaltsamen Angriff einer Gruppe Vermummter auf ein Fest für Vielfalt im knapp 20 Kilometer entfernten Bad Freienwalde stockt die Polizei ihren Kräfteeinsatz auf. Zudem will sich am Samstagnachmittag auch die AfD auf dem Marktplatz der Stadt versammeln.
Die Organisator*innen des zweiten CSD in Eberswalde im Kreis Barnim wollen gerade nach der Attacke in Bad Freienwalde ein Zeichen setzen, dass sie sich nicht einschüchtern lassen. Am Nachmittag (13 Uhr) soll der Demonstrationszug durch die Innenstadt starten.
Beim ersten CSD in der Stadt Eberswalde waren laut Veranstalter rund 1‘000 Teilnehmer*innen dabei. «Das werden wir dieses Jahr übertreffen», sagte Maximilian Armonies vom CSD-Team. Die Organisator*innen erwarten um die 1‘500 bis 2‘000 Menschen.
Auch Staatsschutz-Beamte beim CSD unterwegs Nach einer neuen Lagebeurteilung wegen des Angriffs in Bad Freienwalde (Märkisch-Oderland) setzt die Polizei mehr Kräfte in Eberswalde ein, um Störungen zu verhindern. Auch Staatsschutz-Beamte und Polizist*innen mit Hunden werden vor Ort sein, wie ein Sprecher sagte.
Die AfD hat zudem auf dem Marktplatz in Eberswalde ein Sommerfest ab 15 Uhr angemeldet. Dazu wird unter anderem ihr Landesvorsitzender René Springer erwartet. Aus den Reihen der AfD in Eberswalde wird ein Verbot der Regenbogenfahne an öffentlichen Gebäuden wie dem Rathaus gefordert. Die Landes-AfD wird vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall beobachtet. Eine Höherstufung als gesichert rechtsextremistische Bestrebung liegt vorerst wegen eines Gerichtsstreits auf Eis (MANNSCHAFT berichtete über die Verbotspläne).
Die queere Community will gerade auch auf dem Land in Brandenburg Gesicht zeigen. CSDs sind im Juli noch in Falkensee, Wittenberge, Luckenwalde, Neuruppin, Bad Belzig und Bernau bei Berlin geplant.
Zur Lage in Sachsen-Anhalt Mit Blick auf die zahlreichen bevorstehenden CSDs in Sachsen-Anhalt haben die Veranstalter*innen vor zunehmender Angst in der queeren Community und wachsender rechter Aggressivität gewarnt. Zwar sehe der Verein das Land gut aufgestellt beim Schutz entsprechender Veranstaltungen, sagte Falko Jentsch, Vorstand des Christopher Street Days Sachsen-Anhalt der Deutschen Presse-Agentur. Sorgen und Ängste nähmen dennoch deutlich zu.
Die wachsende Verunsicherung spiegele sich bei vielen Teilnehmenden. «Wir dürfen dieses Jahr nicht zum CSD, weil unsere Eltern es aus Angst um uns verboten haben», zitierte Jentsch aus Rückmeldungen von Jugendlichen. Eltern erkundigten sich direkt beim Verein nach der Sicherheit.
Auch das Erscheinungsbild habe sich verändert: Die Veranstaltungen seien «nicht so bunt» wie früher, viele nutzten Umkleidemöglichkeiten vor Ort, um sich auf dem Hin- und Rückweg nicht angreifbar zu machen. «Das führt zwangsläufig dazu, dass Menschen wegbleiben.»
Während Jentsch die Polizei ausdrücklich lobte, kritisierte er zunehmende Hürden durch Ordnungsbehörden. «Früher haben wir mit einem Zweizeiler angemeldet. Heute schreiben wir mehrseitige Ausarbeitungen über einzelne Redebeiträge.»
Von Politik und Gesellschaft wünsche sich der Verein klare Rückendeckung. «In Zeiten, wo queere Menschen ständig, wenn sie auf der Strasse unterwegs sind, angegriffen werden, ist das alleinige Zusammenkommen von queeren Menschen als politische Demonstration zu würdigen.»
In Thüringen bislang keine Anzeichen für Störungen Derweil sehen die CSD-Organisator*innen sowie die Polizei in Jena keine zusätzliche Bedrohungslage für die Veranstaltung in der Innenstadt am kommenden Samstag. Die Organisator*innen rechnen mit 3*000 Teilnehmenden. Die Einsatzkräfte seien sensibilisiert. Die Planung werde im Bedarfsfall angepasst, so ein Sprecher der Landespolizeiinspektion Jena.
Der Aufzug in der Innenstadt von Jena beginnt um 13 Uhr mit einer Kundgebung auf dem Eichplatz. Die Route führe über Leutragraben, Fürstengraben, Löbdergraben und Holzmarkt durch das Zentrum und schliesslich vorbei am Paradies-Bahnhof zur Rasenmühleninsel, wo ab 16 Uhr die Abschlussveranstaltung beginnen soll, teilte die Stadt Jena mit. Demnach ist zu erwarten, dass es zu Einschränkungen für den Strassenverkehr und die öffentlichen Verkehrsmittel kommt. Gegendemonstrationen seien bislang nicht bekannt.
Der Christopher Street Day in Jena stehe in diesem Jahr unter dem Motto «Nie wieder still! – Weil Vielfalt leuchten will!», teilten die Organisator*innen mit. Es gebe bislang keine Anzeichen für Störungen, sagte Theresa Ertel, Sprecherin des CSD Jena Bündnisses. «Wir machen uns schon immer über solche Sachen Gedanken, weil vor allem auch die anderen CSDs in Thüringen schon lange von Bedrohung von rechts betroffen sind», so die Sprecherin.
Die gesellschaftliche Stimmung in den vergangenen Jahren habe sich allerdings merklich geändert - auch in Jena, so Ertel weiter. Menschen, die erkennbar queer seien, würden sich nicht unbedingt überall in der Stadt mehr sicher fühlen, sagte die CSD-Mitorganisatorin.
Blickkontakt, lächeln, freundlich bleiben: 11 Regeln fürs Cruising (MANNSCHAFT berichtete).
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