Wo Hunderte ihren Geschlechtseintrag ändern wollen

Das sind die neusten Zahlen in Hamburg und Schleswig-Holstein

Teilnehmende*r eines Protests bemalt Fingernägel in den Farben der Trans-Pride-Fahne
Symbolfoto (Bild: Joerg Carstensen / dpa)

Die Änderung des Geschlechtseintrags oder des Vornamens ist seit November 2024 unkompliziert möglich. Im Norden Deutschlands machten seitdem Hunderte Menschen davon Gebrauch - besonders viele in einem Bezirk.

Gut zehn Monate nach Inkrafttreten des neuen Selbstbestimmungsgesetzes (MANNSCHAFT berichtete) haben in Hamburg Hunderte Menschen ihren Geschlechtseintrag geändert. Insgesamt wurden 872 Erklärungen zur Änderung des Geschlechtseintrags seit November 2024 in den Standesämtern Hamburgs abgegeben, teilte das zuständige Bezirksamt Harburg auf dpa-Anfrage mit.

Die meisten Menschen, die ihren Geschlechtseintrag ändern wollten, gab es demnach mit 234 Erklärungen bis zum 31. August im Bezirksamt Altona. Es folgen das Bezirksamt Eimsbüttel mit 132 Erklärungen, das Bezirksamt Nord mit 125 Erklärungen, das Bezirksamt Wandsbek mit 116 Erklärungen und das Bezirksamt Mitte mit 112 Erklärungen. Die wenigsten Menschen, die ihren Geschlechtseintrag ändern wollten, gab es im Bezirksamt Harburg mit 85 Erklärungen und im Bezirksamt Bergedorf mit 68 Erklärungen.

Auch in Schleswig-Holstein haben hunderte Menschen allein in den grösseren Städten des Landes ihren Geschlechtseintrag geändert. Dies ergab eine weitere dpa-Umfrage unter den kreisfreien Städten Kiel, Lübeck, Flensburg und Neumünster sowie Norderstedt.

Bisher haben allein in Lübeck nach Angaben der Stadt 163 Menschen ihren Geschlechtseintrag und ihren Vornamen ändern lassen. 67 davon leben nicht in Lübeck. Ihre Anträge wurden daher an die jeweils zuständigen Standesämter weitergeleitet, teilte Stadtsprecherin Nina Rehberg mit. Ferner liegen aktuell 31 Anmeldungen für eine Erklärung vor.

Von weiblich auf männlich Am häufigsten wurden in Lübeck Änderungen von weiblich auf männlich vorgenommen. Dies war 78 Mal der Fall. 44 Menschen liessen ihren Geschlechtseintrag von männlich auf weiblich ändern. Der Rest liess den Geschlechtseintrag streichen (22) oder in divers ändern (19).

Aus der Landeshauptstadt Kiel lagen zunächst keine aktuellen Zahlen vor. Hier hatten früheren Angaben zufolge bis zum 31. Dezember vergangenen Jahres 73 Menschen ihren Geschlechtseintrag geändert. Insgesamt lagen in Kiel damals 234 Anmeldungen auf Änderung des Geschlechtseintrags vor.

So sieht es in Flensburg, Norderstedt und Neumünster aus In Flensburg haben 100 Menschen ihre Geschlechtsangabe geändert, wie ein Stadtsprecher mitteilte. Die Option «männlich» wurde dabei 30 Mal gewählt, für «weiblich» entschieden sich 26 Personen, für die Alternative «divers» 20 und den Eintrag «ohne Geschlechtsangabe» liessen 15 Menschen vornehmen. Von weiteren neun Anmeldungen sind zwei Personen nicht erschienen, ein Mensch hat sich nach der Anmeldung an ein anderes Standesamt gewandt. Sechs Termine stehen nach Angaben des Stadtsprechers noch aus. 

Bei den in Neumünster beurkundeten Personen wurde nach Angaben eines Stadtsprechers 23 Mal das männliche Geschlecht gewählt und zehb Mal das weibliche. Hinzu kommen zehn Einträge divers und zwei mit der Angabe Geschlecht gestrichen. Ansonsten wurden 16 Erklärungen für andere Geburtsstandesämter entgegengenommen. Zudem gibt es noch sieben gültige Anmeldungen. Für weitere vier Anmeldungen ist die Frist für die Abgabe der Erklärung demnach abgelaufen.

In Norderstedt haben nach Angaben einer Stadtsprecherin insgesamt 35 Personen ein anderes Geschlecht eintragen lassen. Von männlich zu weiblich waren es 15, andersherum 13. Der Rest liess den Geschlechtseintrag streichen (3) oder in divers ändern (4). Von allen in Norderstedt eingegangenen Anmeldung ist ein Antrag zurückgezogen worden. Eine Voranmeldung liegt aktuell noch vor.

Zur Erinnerung: Das neue Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) trat am 1. November 2024 in Kraft. Es regelt, dass man seinen Geschlechtseintrag und Vornamen einfach per Erklärung im Personenstandsregister ändern lassen kann. Die Erklärung muss mindestens drei Monate vorher angemeldet werden. Damit die Änderung des Geschlechtseintrags wirksam ist, muss das Standesamt des Geburtsortes sie vornehmen.

Die Erleichterungen bei dem neuen Gesetz betreffen vor allem trans, inter und nicht-binäre Menschen. Sie mussten bislang hohe Hürden überwinden und kostspielige Verfahren durchlaufen, um ihren Geschlechtseintrag ändern zu lassen. Nun reicht eine Erklärung ohne Gutachten.

Debatte über das neue Gesetz entbrannt Im schwarz-roten Koalitionsvertrag ist vereinbart, die neuen Regelungen bis zum Juli 2026 zu überprüfen. Aktuell wird wieder kontrovers über das Gesetz diskutiert (MANNSCHAFT berichtete). Hintergrund der Debatte sind die Vorgänge um die verurteilte Rechtsextremistin Marla-Svenja Liebich, die im Chemnitzer Frauengefängnis ihre Strafe antreten sollte, aber dazu bisher nicht erschienen ist (MANNSCHAFT berichtete). 

Liebich war im Juli 2023 wegen Volksverhetzung, übler Nachrede und Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden - damals noch als Sven Liebich. Anfang dieses Jahres war bekanntgeworden, dass Sven Liebich seinen Geschlechtseintrag von männlich auf weiblich und den Vornamen in Marla Svenja hatte ändern lassen. Der Fall fachte die Debatte über das neue Selbstbestimmungsgesetz zuletzt wieder an.

Raubmord aus Homophobie? Belohnung für Hinweise ausgesetzt. Wird «Cold Case» aus Bielefeld nach 35 Jahren gelöst? (MANNSCHAFT berichtete).

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