Sachsens Justizministerin will Selbstbestimmungsgesetz reformieren

Hintergrund ist der Fall von Neonazi Liebich

ARCHIV - 11.07.2025, Sachsen, Leipzig: Marla-Svenja Liebich, bekannte Rechtsextremistin, sitzt in einem Saal des Landgerichts. Anlass war ein Berufungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung. (zu dpa: «Rechtsextremistin Liebich beschäftigt weiter die Justiz») Foto: Sebastian Willnow/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Marla-Svenja Liebich (Bild: Sebastian Willnow/dpa)

Die Rechtsextremistin Marla Svenja Liebich hat ihre Gefängnisstrafe in der JVA Chemnitz nicht angetreten. Der Fall heizt die Debatte um das Selbstbestimmungsgesetz an. Sachsens Justizministerin hält Anpassungen für nötig.

Sachsens Justizministerin Constanze Geiert hat sich für eine Überarbeitung des Gesetzes zur Änderung von Geschlechtseinträgen und Vornamen beim Standesamt ausgesprochen. «Beim Selbstbestimmungsgesetz muss etwas passieren», sagte die CDU-Politikerin im Gespräch mit Sächsischer Zeitung und Leipziger Volkszeitung.

«Ich bin dafür, den Justizvollzug und die Strafverfolgung aus dem Anwendungsbereich des Selbstbestimmungsgesetzes ausdrücklich herauszunehmen.»

Sachsens Justizministerin Constanze Geiert

«Wir wollen das Gesetz nicht abschaffen, aber es gebietet doch die Vernunft, hier im Interesse auch der Betroffenen nachzusteuern», sagte sie. Sie sehe einen solchen Schritt als Teil der Fehlerkultur in der Politik. Geiert machte dem Bericht nach auch einen konkreten Vorschlag: «Ich bin dafür, den Justizvollzug und die Strafverfolgung aus dem Anwendungsbereich des Selbstbestimmungsgesetzes ausdrücklich herauszunehmen.»

Liebich war im Juli 2023 – damals noch als Sven Liebich – vom Amtsgericht Halle wegen Volksverhetzung, übler Nachrede und Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten ohne Bewährung verurteilt worden. Die Berufung dagegen scheiterte, ebenso wie später die Revision. Die Rechtsextremistin sollte ihre Haft nun im Frauengefängnis in Chemnitz antreten, ist aber flüchtig (MANNSCHAFT berichtete).

Der Fall hatte die Debatte über das neue Selbstbestimmungsgesetz zuletzt wieder angefacht. Mit dem im November 2024 in Kraft getretenen Gesetz, das das frühere Transsexuellengesetz ablöste, wurden Änderungen des Geschlechtseintrags und des Vornamens deutlich erleichtert. Seit Anfang des Jahres gilt Liebich offiziell als Frau und trägt den Namen Marla-Svenja (MANNSCHAFT berichtete).

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt warf Liebich einen Missbrauch der neuen Regelungen vor und forderte Änderungen am Gesetz. «Der Fall Liebich zeigt, wie simpel das Selbstbestimmungsgesetz missbraucht werden kann, um Öffentlichkeit, Justiz und Politik auf der Nase rumzutanzen», sagte der CSU-Politiker der Bild am Sonntag. Eine Debatte sei nötig, «wie dem offensichtlichen Missbrauch des Geschlechterwechsels ein Riegel vorgeschoben werden kann».

Auch die Autorin der «Harry Potter»-Bücher, J.K. Rowling, die als scharfe Kritikerin in der Debatte um Transgender-Rechte gilt (MANNSCHAFT berichtete), äusserte sich zuletzt auf der Plattform X zu Liebich.

Der Fall wirft inzwischen auch in der Landespolitik von Sachsen-Anhalt Fragen auf. Die Landtagsabgeordnete Henriette Quade (fraktionslos), die Mitglied im Innenausschuss ist, kritisierte das Vorgehen der Justiz. «Diverse Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden beschäftigen sich seit Jahren mit Liebich und liessen sich dabei immer wieder auch an der Nase herumführen.» Es sei schlicht nicht nachvollziehbar, wie all diese Behörden nicht hätten erkennen können, dass sich Liebich der Haft entziehen würde.

Liebich ist seit Jahrzehnten in der extremen Rechten in Sachsen-Anhalt und darüber hinaus aktiv. 2002 wurde Liebich erstmals in einem Bericht des Verfassungsschutzes des Landes Sachsen-Anhalt namentlich geführt. «Das Justizministerium muss nun dem Landtag wie auch der Öffentlichkeit erklären, wie sich eine Person aus der Neonaziszene, die im Mittelpunkt einer öffentlichen Kontroverse steht, einfach so der Haft entziehen kann», sagte die Landtagsabgeordnete Quade.

Das Selbstbestimmungsgesetz richtet sich laut Familien- und Justizministerium an trans, inter und nicht-binäre Menschen. Kritik am Gesetz kommt vor allem immer wieder von der Union und der AfD (MANNSCHAFT berichtete).

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