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Scharfe Kritik an Saarpfalz wegen Partnerschaft trotz Anti-LGBTIQ-Charta

Theophil Gallo hatte auch den Bruch von Partnerschaften aufgrund der Erklärung zu «LGBT-freien Zonen» oder der Annahme LGBTIQ-feindlicher Resolutionen kritisiert

Saarpfalz
Symbolbild: Bart Staszewski

Theophil Gallo (SPD), Landrat des Saarpfalz-Kreises, will eine Partnerschaft mit dem Landkreis Łańcut in der Woiwodschaft Karpatenvorland unterzeichnen, obwohl man dort die homophobe Charta der Familienrechte der lokalen Regierung des erzkonservativen Instituts Ordo Iuris verabschiedet hatte. Ein polnischer LGBTIQ-Aktivist wirft Gallo Unkenntnis der Lage vor Ort vor.

Der Aktivist Kuba Gawron hat Gallo einen Brief geschrieben, nachdem der SPD-Politiker aus dem Saarpfalz-Kreis nahe der französischen Grenze Ende Mai offiziell auf der Internetpräsenz des polnischen Landkreises seine Position erklärt hatte: Er wolle «definitiv eine offizielle Zusammenarbeit mit dem Landkreis Łańcut unterzeichnen und diese dann mit Leben füllen». Gallo zufolge gefährde die Charta der Kommunalverwaltung für Familienrechte nicht die Partnerschaft mit dem deutschen Saarpfalz, wie von einigen Gemeinden vorgeschlagen. So wackelt etwa die Städtepartnerschaft Illingen Tuchów, wie der saarländische Bürgermeister König im März erklärt hatte (MANNSCHAFT berichtete).

Saarpfalz
SPD-Mann Theophil Gallo (Foto: Facebook)

«Leider gibt es sporadische Kritik an aktuellen Ereignissen in Polen (Proklamation von LGBT-Freizonen). In diesem Zusammenhang möchte ich auch sicherstellen, dass dies kein Grund für mich ist,  Partnerschaften mit dem polnischen Poviat (Kommunalverwaltung) in Frage zu stellen, da dies hier leider im Einzelfall ohne zu zögern in Betracht gezogen wird. Ich habe diese Gedanken, Partnerschaften in Frage zu stellen, öffentlich und scharf als voreilig, unangemessen und grob nachlässig kritisiert. Wer aus diesem Grund Partnerschaften in Frage stellt, hat den Wert einer Partnerschaft noch nicht erlebt.»

Gawron kritisiert das in einem Brief an Gallo, der auch Vorsitzender der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Saar ist. Es mache ihn traurig, dass der SPD-Mann die Absichten anderer Kommunen kritisiert habe, Partnerschaften mit polnischen Kommunalverwaltungen in Frage zu stellen, weil dort Anti-LGBTIQ-Resolutionen und die homofeindliche Charta der Familienrechte der Kommunalverwaltung verabschiedet worden war. Gawron ist Mitinitiator des Atlasses des Hasses und wird deswegen von den homophoben Einpeitschern verklagt (MANNSCHAFT berichtete).


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«Ihre Kritik an den lokalen Regierungen, die sich entschieden haben, radikalere Schritte wie das Abbrechen oder Aussetzen von Partnerschaften mit polnischen lokalen Regierungen zu unternehmen und diese Massnahmen als unangemessen und voreilig zu bezeichnen, ist empörend und hätte nicht stattfinden dürfen, da es nur die absolute Unkenntnis der aktuellen politischen Situation in Polen beweist», schreibt Gawron.

Seine Erklärung sei bereits zu einem Instrument in den Händen der Behörden des Landkreises Łańcut geworden, um die Einführung diskriminierender Gesetze zu rechtfertigen. Zudem sei die allgegenwärtige Propaganda gegen LGBTIQ-Personen so stark, dass Bildungsmassnahmen von LGBTIQ-Organisationen behindert würden. Polen nähere sich einer Gesetzesänderung, mit der alle Massnahmen zur Sensibilisierung der Menschen für Gleichheit und Menschenwürde bestraft werden könnten.

«Es ist genau diese allgegenwärtige Propaganda und Manipulation von Fakten, einschliesslich wissenschaftlicher, die viele lokale Regierungsbeamte in vielen Regionen Polens dazu veranlasst, Resolutionen einzuführen, in denen LGBTIQ-Personen angegriffen werden, während sie der Überzeugung sind, dass sie damit ihre Bürger*innen vor einem unvorstellbaren Übel schützen.» Selbst wenn unabhängige Anwält*innen darauf hinwiesen, dass diese Resolutionen im Widerspruch zum polnischen Recht stünden, blieben die Mitglieder der lokalen Regierungen gegenüber diesen Stimmen taub.


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Polnische Aktivist*innen hätten laut Gawron festgestellt, dass nicht nur die ausdrücklich als «Anti-LGBT» bezeichneten Resolutionen gegen LGBTIG-Personen gerichtet seien, sondern auch eine Reihe anderer Resolutionen, die von den lokalen Regierungen unter dem Vorwand der Sorge um die Familie eingeführt würden.

Die Charta der lokalen Regierung «basiert auf einer fundamentalistischen religiösen Vision einer Familie, und obwohl sie mit netten und fürsorglichen Worten geschrieben sind, führen sie eine Zahl von Vorstellungen ein, die die Würde von LGBTIQ-Personen sowie den Respekt für sie und ihre Familien untergraben, sie als unmoralisch für Jugendliche und Kinder und als Bedrohung für den Rest der Gesellschaft bezeichnen».

In der Charta  ist etwa die Rede vom Schutz der Ehe als Vereinigung von Mann und Frau und dem Recht der Eltern, ihre Kinder nach ihren eigenen Überzeugungen zu erziehen, und das Recht des Kindes, «vor moralischen Verfall geschützt zu werden».

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Im März zitierte die Saarbrücker Zeitung  Gallo im Rahmen einer Pressemitteilung der Kreisverwaltung: «Es handelt sich hierbei um eine Strategie von interessierten Kreisen (gemeint ist die Regierungspartei PiS, Anm.d.Red.), Menschen, die Europa spalten wollen. Ich sehe diese Vorgehensweise aller Gruppierungen, die diese Anti-LBGT-Kampagne unterstützen, als bewusste Provokation, die dazu führen soll, dass die internationalen Beziehungen gestört werden. Das dürfen wir nicht zulassen. Ganz unabhängig von der politischen Grosswetterlage müssen wir unserer kommunalen Verantwortung nachkommen und mit unseren polnischen Freunden im Dialog bleiben,» betonte Landrat Theophil Gallo.

In der Rheinpfalz hatte Gallo «zu Besonnenheit» aufgerufen. Zwar habe er seine Sorge ob der «Entwicklung in polnischen Kommunen, die sich mehr und mehr zu ,schwulen- und lesbenfreien Zonen’» erklärt. Allerdings, so Gallo: «Wenn ich Beziehungen komplett abbreche, mache ich erst recht die Bahn frei für Ausgrenzung und Manipulation. Das wird nicht die Strategie des Saarpfalz-Kreises sein».

Er verlange von dem SPD-Politiker nicht, die Zusammenarbeit mit dem Landkreis Łańcut abzubrechen, schreibt Gawron am Ende seines Briefes. Auch wenn er fürchte, dass der Weg eines offenen und konstruktiven Dialogs unwirksam wäre, «da sich unsere Länder in Bezug auf die politische Kultur stark unterscheiden».

Ich bin entsetzt darüber, dass ein Mitglied die Gesten der Solidarität und Unterstützung für die LGBTIQ-Gemeinschaft so nachlässig kritisiert.

Doch er fordere ihn dringend auf, «die Aktionen jener Städte, die die Zusammenarbeit in einer Geste der Solidarität mit der LGBTIQ-Gemeinschaft in Polen abgebrochen haben, nicht zu untergraben und zu kritisieren. Seitens dieser Städte war dies eine sehr wichtige und notwendige Geste gegenüber LGBTIQ-Personen, die derzeit in Polen verfolgt werden».

Gawron schliesslich: «Ich bin entsetzt darüber, dass ein Mitglied der SPD die Gesten der Solidarität und Unterstützung, die für die LGBTIQ-Gemeinschaft so wichtig sind, so nachlässig kritisiert.»


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