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So kann jede*r etwas gegen «LGBT-freie-Zonen» in Polen tun

Diese Aktion ist inspiriert von der französischen Gemeinde Saint-Jean-de-Braye, die ihre Partnerschaft mit der Stadt Tuchów beendet

LGBT-freie-Zone
Das Regenbogenherz ist an den Rändern verbrannt (Foto: AdobeStock)

52 EU-Partner polnischer Gemeinden und Regionen, die sich zur Zone ohne LGBT-Ideologie erklärt haben, werden aufgefordert, Partnerschaftsabkommen zu kündigen oder zumindest auszusetzen.

Das Online-Portal OKO.press gibt es seit 2016. «Oko» steht einerseits für «Zentrum für Bürgerkontrolle», ist aber auch der polnische Begriff für Auge. Die Journalist*innen verstehen sich als Fakten-Checker, die sich gegen Rechtspopulismus wenden und Aussagen von Politiker*innen auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfen, vor allem die der polnischen Regierungspartei PiS, aber auch die von Medien. Sie sind der Überzeugung, dass alles getan werden müsse, um den homophoben Hass in Polen und Europa zu stoppen, bevor es zu spät sei.

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Darum schickten sie diese Woche 52 Briefe an europäische Partner von 13 polnischen Kommunen, die Resolutionen «gegen LGBT-Ideologie» verabschiedet haben. Diese wurden jedem Brief in einer englischen Übersetzung beigefügt.

In dem Brief drücken sie die Empörung über den homofeindlichen Ausschluss aus und verweisen auf das europäische und polnische Recht sowie auf das Konzept der «unveräusserlichen Würde», auf das die Verfassung Bezug nimmt.


Inspiriert wurden sie von der französischen Gemeinde Saint-Jean-de-Braye, die kürzlich beschlossen hat, die Partnerschaft mit der südpolnischen Kleinstadt Tuchów (Woiwodschaft Kleinpolen) zu beenden. Martin-Chabbert, Berater des dortigen Bürgermeisters, betonte, dass die Gemeinde die Vernachlässigung der Menschenrechte nicht zulassen könne, und verwies auf die Verfolgung von Homosexuellen durch Nazideutschland.

So werden nun die europäischen Partner der polnischen Kommunalverwaltungen aufgefordert, «eindeutig zu reagieren – die Zusammenarbeit zu beenden oder sie auszusetzen, bis die Resolution zurückgezogen wird». Man hoffe zudem, dass die Bewohner von «LGBT-freien» Regionen Druck auf ihre Behörden ausüben, sich von den gefährlichen Resolutionen zurückzuziehen.

Die Liste der 52 Partner polnischer Gemeinden und Woiwodschaften, die Post erhalten haben, umfasst nur Länder der Europäischen Union: zum grössten Teil die Slowakei, aber auch Frankreich und Ungarn, Belgien, Kroatien sowie Österreich (Pettenbach und die Steiermark) und Deutschland (neben Paderborn, Illingen, Stendal auch die Freistaaten Thüringen und Bayern)  – insgesamt sind es 17 Länder. Die Mail-Adressen befinden sich im Oko-Artikel.


Partner*innen aus Russland, Weissrussland und der Ukraine sowie Norwegen habe man ausgelassen. Nicht weil man glaube, dass es dort keine anständigen Menschen gäbe, die sich über die Resolution der polnischen Gemeinden empören können, selbst wenn in ihrem eigenen Land homophobe Gesetze in Kraft sind. Man habe sich erstmal auf die EU beschränkt, deren Vertreter*innen das Thema der polnischen Anti-LGBT-Zonen bereits kategorisch kommentierten.

Am 18. Dezember 2019 verabschiedete das Europäische Parlament eine Entschliessung, in der homophobe Resolutionen lokaler Regierungen verurteilt wurden (MANNSCHAFT berichtete). Am 4. Februar 2020 wurden die polnischen Resolutionen von der Europäischen Kommission scharf verurteilt. Beide EU-Institutionen verwiesen in vielen Empfehlungen des Europarates und anderer EU-Gremien auf Antidiskriminierungsbestimmungen in den EU-Verträgen, in der EU-Grundrechtecharta. Zuvor hatte die Organisation Kampagne gegen Homophobie eine Petition gestartet, die sich an die Kommission richtete (MANNSCHAFT berichtete).

«Wir sind uns bewusst, dass die Idee der Denunziation umstritten ist», schreiben die Oko-Journalist*innen. «Wir reagieren jedoch auf ein Phänomen, das uns aus der Sicht der Sorge für unser eigenes Land inakzeptabel erscheint.» Vergangenes Jahr hat der Chef von Polens rechtsnationalistischer Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), Jaroslaw Kaczynski, Homosexuelle, die Geschlechterforschung und frühe Sexualaufklärung von Kindern als «Bedrohung» für sein Land bezeichnet (MANNSCHAFT berichtete).

Vergangenen Sommer fand die erste Gay Pride in der polnischen Stadt Bialystok im Nordosten des Landes statt – und wurde von Gewalt überschattet (MANNSCHAFT berichtete. Eine Gruppe von Hooligans attackierte die rund 800 Teilnehmer*innen der Demo mit Eiern, Steinen, Böllern und Flaschen, teilte die Polizei mit. Auch Beamten, die die Parade absicherten, wurden angegriffen.

Die Aktion der Oko-Redakteure soll Schlimmeres verhindern. «Vor kurzem haben wir alle Marian Turskis grossartige Rede anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung des Todeslagers Auschwitz gehört. Dieser Wunderüberlebende beschrieb, wie anfänglich geringfügige Formen jüdischer Ausgrenzung, die von der Öffentlichkeit akzeptiert wurden, zum Holocaust führten. Er appellierte: Sei nicht gleichgültig, wenn du historische Lügen siehst. Wenn eine Minderheit diskriminiert wird. Wenn eine Behörde gegen akzeptierte soziale Vereinbarungen verstösst. Denken Sie an das XI. Gebot: Seien Sie nicht gleichgültig.»

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Man dürfe keine Normalisierung der Hassrede zulassen, appellieren die Redakteure. In offiziellen Dokumenten verwenden lokale Regierungsbeamte bereits eine entmenschlichende Sprache und schreiben über LGBT als «Pathologie», «Homopropaganda», «gefährliche Ideologie», «eine Bedrohung für eine traditionelle Familie und Kinder».

Man glaube, dass internationaler Druck sinnvoll ist. «Deshalb empfehlen wir Ihnen, die Zusammenarbeit mit Gemeinden, Städten und Provinzen zu überprüfen, die der LGBTIQ-Gemeinschaft schaden.»

Mit dieser Petition werden die Partnerstädte dazu aufgefordert, sich zusammenzuschliessen und die Community in den «LGBT-freien Zonen» zu unterstützen.


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