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§ 175 StGB: Homosexuelle stellen kaum Anträge auf Entschädigung

Das entsprechende Gesetz läuft am 22. Juli aus

Bisexuelle und Schwule in Schottland
Foto: AdobeStock

Die Anträge auf Entschädigung für die verfolgten Homosexuellen der Nachkriegszeit bleiben weit hinter den Erwartungen zurück. Das findet Jan Korte, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Linke-Fraktion im Deutschen Bundestag.

Von der Möglichkeit zur Entschädigung haben bislang nur wenige Betroffene Gebrauch gemacht. 325 Personen haben bisher nach Angaben des Bundesamtes für Justiz (BfJ) entsprechende Anträge gestellt. 254 von ihnen wurden mit insgesamt 870 000 Euro entschädigt.

Die Antwort des Bundesjustizministeriums auf eine schriftliche Frage von Jan Korte hat es ganz aktuell gezeigt: Homosexuelle stellen kaum Anträge auf Entschädigung für erlittene Verfolgung. Die geringe Anzahl von bisher nur einem Antrag in diesem Jahr und nur sechs im vergangenen könne verschiedene Gründe haben.

«Aus der Forschung zur Homosexuellenverfolgung ist bekannt, dass viele Betroffene auch heute noch eine tiefe Scham für die strafrechtliche Verfolgung verspüren und einige von ihnen heterosexuelle Ehen eingingen, um dem weiteren Verfolgungsdruck zu entgehen. Daher ist zu vermuten, dass diese Betroffenen erst dann einen Antrag stellen würden, wenn ihre Ehepartnerin verstorben ist, um sich nicht im hohen Alter zu outen. Andere haben von der Antragsberechtigung nichts erfahren.» Das Entschädigungsgesetz (StrRehaHomG) läuft am 22. Juli dieses Jahres aus.


Jan Korte weiter: «Die Homosexuellenverfolgung in der Nachkriegszeit ist ein schlimmes Menschenrechtsverbrechen in beiden deutschen Staaten. Die geringe Anzahl von sieben bisher gestellten Anträgen auf Entschädigung in diesem und letztem Jahr legt nahe, dass viele Antragsberechtigte noch gar keinen Antrag gestellt haben.» Wenn das Gesetz in wenigen Monaten auslaufe, würden ihre Ansprüche verfallen.

«Ich fordere die Bundesregierung auf, das Gesetz so zu ändern, dass auch noch in den nächsten zehn Jahren Anträge gestellt werden können und dass in einer öffentlichkeitswirksamen Kampagne auf die Entschädigungsmöglichkeiten hingewiesen wird. Zwar wurde das Entschädigungsgesetz in den Community-Medien und kurz in allgemeinen Medien bekannt, aber viele Antragsberechtigte sind in einem hohen Alter und haben davon womöglich noch nichts gehört.»

Es tut niemandem weh, die Entschädigungsregelung zu verlängern.

Mit einer Verlängerung der Antragstellungsmöglichkeiten und einer öffentlichen Kampagne könnten alle Antragsberechtigten erreicht werden und es würde ein starkes Zeichen für die Gegenwart gesetzt, dass der Staat diese Menschenrechtsverletzung tatsächlich aufarbeite, die Entschädigung als Schuldeingeständnis ernst meint und heute aktiv gegen Queerfeindlichkeit eintrete.


«Es tut niemandem weh, die Entschädigungsregelung zu verlängern, aber es wäre sehr schmerzhaft für alle Beteiligten, berechtigte Anträge wegen Verfristung ablehnen zu müssen», so Korte.

Menschen, die in der Vergangenheit wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen strafrechtlich verurteilt wurden, können seit 2017 beim BfJ Entschädigungsleistungen beantragen. Seit 2019 gilt dies auch für nicht Verurteilte, die zum Beispiel wegen Ermittlungen oder Untersuchungshaft Nachteile erlitten haben.

Schätzungen zufolge waren zwischen 1945 und 1994 etwa 69 000 Menschen in Deutschland wegen homosexueller Handlungen verurteilt worden.  (dpa)

Das Drama über die Unterdrückung und Verfolgung von Homosexuellen in Deutschland mit Franz Rogowski «Grosse Freiheit» lief kürzlich im Kino. Der 35-jährige Rogowski war für seine Hauptrolle für den Europäischen Filmpreis nominiert (MANNSCHAFT berichtete).

In Österreich feierte man unlängst 50 Jahre Legalisierung von Homosexualität (MANNSCHAF berichtete).


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