Wo bei gleich­geschlechtlicher Liebe die Todes­strafe droht

Die Rechtsprechung richtet sich häufig nach der Scharia

Foto: Alireza Jalilian/Unsplash
Foto: Alireza Jalilian/Unsplash

In 66 Staaten wird Homosexualität strafrechtlich verfolgt. In diesen 12 Ländern droht aktuell sogar die Todesstrafe.

Die Zahl der gerichtlichen Hinrichtungen ist laut Amnesty International im vergangenen Jahr mit mindestens 1’153 auf den höchsten Wert seit 2015 gestiegen. Von den 16 Ländern, die Hinrichtungen vollzögen, seien nur wenige für den extrem hohen Anstieg der Zahl verantwortlich, kritisiert die Menschenrechtsorganisation in ihrem Bericht zur weltweiten Anwendung der Todesstrafe. So seien allein auf den Iran mit 853 fast drei Viertel aller registrierten Hinrichtungen entfallen – bei einem Anstieg um 48 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Für 2022 hatte Amnesty insgesamt 883 Hinrichtungen in 20 Ländern registriert.

Unter den Opfern staatlicher Hinrichtungen sind immer wieder auch Mitglieder der LGBTIQ-Community. In diesen 12 Ländern droht die Todesstrafe.

#1 Iran Vor 45 Jahren übernahm eine religiös-konservative Regierung das Land. Für ein Coming-out drohen Homosexuellen seitdem 100 Peitschenhiebe. Wird ein Paar in flagranti erwischt, sogar die Todesstrafe. Nach Angaben der britischen LGBTIQ-Gruppe Outrage! sind seit der Machtübernahme mehr als 4’000 Homosexuelle hingerichtet worden. Manche Expert*innen gehen von über 6’000 Opfern aus. Oft sind es Schauhinrichtungen. Die Verurteilten werden an öffentlichen Plätzen gehängt.

Für einen internationalen Aufschrei sorgte zuletzt das Todesurteil gegen die zwei lesbischen Influencerinnen Zahra Sedighi und Elham Choubdar. Ihnen wurde «Korruption auf Erden» vorgeworfen. (MANNSCHAFT berichtete)

Die 28-jährige Sareh (Bilder: Screenshot Youtube/6rangIran)
Zahra Sedighi wurde im Iran zum Tode verurteilt (Bilder: Screenshot Youtube/6rangIran)

#2 Nigeria Homosexualität ist in Nigeria seit mehr als 100 Jahren gesetzlich verboten, so die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte. Auf homosexuelle Handlungen wird eine Gefängnisstrafe von 14 Jahren verhängt – ohne Ermessensspielraum der Richter*innen. In zwölf Bundesstaaten wurde die Scharia als Strafgesetz eingeführt – dort werden homosexuelle Handlungen mit dem Tod durch Steinigung bestraft.

Offen schwule oder lesbische Nigerianer*innen sind geächtet. Bei einem Coming-out verlieren sie ihren Arbeitsplatz, ihre Freunde, ihre Familie. Sie erhalten Morddrohungen und werden im schlimmsten Fall von einem wütenden Mob zu Tode geprügelt, noch bevor es zu einem Prozess kommt.

Der berühmteste schwule Nigerianer heisst Bisi Alimi. Er hatte sein Coming-out in einer Fernsehsendung. Das löste einen solchen Schock im Land aus, dass zuerst die Fernsehmoderatorin gefeuert und die Sendung danach komplett eingestellt wurde. Bisi Alimi lebt inzwischen in Grossbritannien. Er musste Nigeria wegen anhaltender Morddrohungen verlassen.

#3 Saudi-Arabien Homosexualität ist in Saudi-Arabien illegal. Das Land besitzt kein Strafgesetzbuch, deshalb richtet es sich bei seiner Rechtsprechung unter anderem nach den religiösen Grundsätzen der Scharia. Das Strafmass für Homosexualität umfasst Gefängnisstrafen, Auspeitschungen sowie die Todesstrafe. Bei Auspeitschungen können mehrere tausend Peitschenhiebe angeordnet werden. So wurden im Jahr 2007 zwei schwule Männer zu 7’000 Peitschenhiebe verurteilt – diese wurden über mehrere Tage verteilt. 2020 wurde das Auspeitschen als Bestrafung abgeschafft, so der aktuelle Länderreport Saudi-Arabien des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge.

In den vergangen Jahren verhaftete die Polizei vermehrt homosexuelle und trans Personen, genauso Menschen, die sich für die LGBTIQ-Rechte einsetzten. Schon das polizeiliche Gewahrsam kann für die Aktivist*innen lebensgefährlich sein. So wurde 2017 laut einem Bericht der Human Rights Watch eine trans Person nach ihrer Verhaftung zu Tode gefoltert.

Wegen der gesellschaftlichen Ächtung und der staatlichen Verfolgung gibt es in Saudi-Arabien keine LGBTIQ-Communities.

Ein Beamter beschlagnahmt Spielzeug in Regenbogenfarben (Foto: Twitter/Ministry of Commerce)
Ein Beamter beschlagnahmt Spielzeug in Regenbogenfarben (Foto: Twitter/Ministry of Commerce)

#4 Jemen Im Jemen herrscht seit Jahren die Huthi-Bewegung über weite Teile des Landes. Eine schiitische islamistische Organisation, die LGBTIQ-Personen schikaniert, vergewaltigt, foltert, tötet. Der Bericht des UNO-Sicherheitsrates 2023 zeigt erschreckende Entwicklungen im Land. So werden auch 13-jährige Kinder inhaftiert, wenn Anhänger*innen der Huthi-Miliz Homosexualität bei ihnen vermuten.

Erst im Februar diesen Jahres wurden erneut homosexuelle Männer zum Tode verurteilt. Sieben von ihnen sollen gesteinigt werden, zwei gekreuzigt, 23 weitere Personen sollen für mehrere Jahre ins Gefängnis. (MANNSCHAFT berichtete). Im letzten Jahrzehnt wurden im Jemen laut Human Rights Monitor mehr als 350 Todesstrafen verhängt.

Jemen: Ein Anhänger der vom Iran unterstützten Huthi-Miliz (Foto: Osamah Yahya/dpa)
Jemen: Ein Anhänger der vom Iran unterstützten Huthi-Miliz (Foto: Osamah Yahya/dpa)

#5 Brunei Die Rechtsprechung in Brunei richtet sich nach der Scharia. Homosexualität ist illegal. Am dritten April 2019 wurde die Gesetzgebung weiter verschärft. Für gleichgeschlechtlichen Sex zwischen Männern droht seitdem die Steinigung. Frauen sollen mit bis zu zehn Jahren Haft oder 40 Stockhieben bestraft werden. Die verschärften Gesetze lösten einen internationalen Aufschrei aus, so der Spiegel. Das Europäische Parlament forderte Brunei auf, die eingeführte Todesstrafe unverzüglich abzuschaffen. Die Antwort des Sultanats Brunei: ein vierseitiges Schreiben, in dem «Respekt und Verständnis» für die Strafverschärfungen gefordert wurden (MANNSCHAFT berichtete).

#6 Uganda Wegen Gesetzen der Kolonialzeit war Homosexualität in Uganda lange Zeit illegal. 2023 verschlechterte sich die Situation für die ansässige LGBTIQ-Community. Ugandas Präsident Yoweri Museveni unterschrieb ein Gesetz gegen homosexuelle Handlungen (MANNSCHAFT berichtete). Seitdem gilt die Todesstrafe für «schwere Homosexualität». Gemeint sind gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen, an denen HIV infizierte Personen beteiligt sind. Auch gleichgeschlechtlicher Sex mit Minderjährigen oder Personen über 75 Jahren wird mit dem Tode bestraft. Aktivist*innen, die sich für die Rechte der LGBTIQ-Community einsetzen, drohen bis zu 20 Jahren Haft. Viele Menschen in Uganda unterstützen das Gesetz.

Ugandas Gesellschaft gilt als homophob. Homosexuelle Menschen werden ausgegrenzt und bedroht. Auch die Presselandschaft trägt zur Verachtung bei. 2010 rief das ugandische Magazin Rolling Stone zur Ermordung homosexueller Menschen auf. Wenig später wurde der LGBTIQ-Aktivist David Kato getötet – er war auf der Titelseite abgebildet.

Ein Lichtblick ist das Magazin Bombastic – Ugandas erstes LGBTIQ-Magazin. Es besteht seit 2015 und hat eine Auflage von 15.000 Stück. Die Exemplare werden kostenlos verteilt (MANNSCHAFT berichtete).

Die trans Frau Fahad Ssemugooma Kawere wurde 2019 in Uganda zu Tode geprügelt (Foto: Happy Family youth Uganda )
Die trans Frau Fahad Ssemugooma Kawere wurde 2019 in Uganda zu Tode geprügelt (Foto: Happy Family youth Uganda )

#7 Katar Homosexualität ist in Katar gesetzlich verboten. Das Land richtet seine Gesetzgebung nach der Scharia. Gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen werden mit fünf Jahren Haft bestraft – gegen Muslim*innen kann sogar die Todesstrafe verhängt werden. Das Strafrecht macht auch vor Ausländer*innen nicht Halt. 1996 wurde ein schwuler US-Bürger zu sechs Monaten Haft und 90 Peitschenhieben verurteilt. Zwei Jahre später wurden mehrere schwule Gastarbeiter des Landes verwiesen. 2016 wurde ein polnischer Aktivist wegen Homosexualität inhaftiert, so die Berliner Zeitung.

Auch in jüngerer Zeit kam es zu Übergriffen auf die LGBTIQ-Community. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch befragte einen schwulen Mann, eine bisexuelle Frau und vier trans Frauen. Alle sagten aus, dass katarische Beamt*innen sie zeitweise in einem unterirdischen Gefängnis festgehalten hatten. Dort hätten die Sicherheitskräfte sie beleidigt, geohrfeigt, getreten – bis sie bluteten. Die Beamt*innen erzwangen Geständnisse und verweigerten den Kontakt zu Angehörigen oder einem Rechtsbeistand. Alle sechs Personen mussten unter Zwang eine Erklärung unterschreiben, mit der sie sich verpflichteten «unmoralische Aktivitäten einzustellen». Diese Übergriffe wurden zwischen 2019 und 2022 dokumentiert.

Die Fussball-Weltmeisterschaft 2022 löste eine weltweite Debatte über die Homophobie des Gastgeberlandes Katar aus.

#8 Mauretanien Gleichgeschlechtliche Ehen oder eingetragene Lebenspartnerschaften sind in Mauretanien verboten. Homosexualität ist illegal und kann mit dem Tod durch Steinigung bestraft werden.

2020 wurden acht Männer nach einer Geburtstagsfeier verhaftet. Videos in den sozialen Medien zeigten sie ausgelassen tanzen. Sie trugen Kleider, zwei von ihnen hielten Händchen. Die Videos lösten eine solch grosse Empörung im Land aus, dass die Männer in einem Schnellverfahren verurteilt werden sollten. In Haft verwehrten die Sicherheitskräfte den Männern einen Rechtsbeistand. Während der Verhöre gestanden alle acht, schwul zu sein. Sie wurden wegen «unsittlichem Verhalten» und «Anstachelung zu Ausschweifungen» zu zwei Jahren Haft verurteilt. Der Todesstrafe entgingen sie, weil sie nach dem Strafrechtsparagrafen 264 und 306 verurteilt worden waren – nicht nach dem Scharia-Recht, das eine öffentliche Steinigung vorgesehen hätte.

#9 Afghanistan Am 15. August 2021 nahmen die Taliban die Hauptstadt Kabul ein. Seitdem herrschen sie weitgehend über Afghanistan. Dabei richten sie sich nach den Regeln der Scharia. Homosexualität bestrafen sie mit Steinigung oder den Tod durch eine herabstürzende Mauer. Die Taliban suchen systematisch nach queeren Menschen (MANNSCHAFT berichtete). Schwule Männer heiraten deswegen oft Frauen und zeugen Kinder. Sie wollen ihre wahre Identität verbergen, so der Tagesspiegel.

Ein Sicherheitsmann der Taliban mit Peitsche in Kabul (Foto: Oliver Weiken/dpa)
Ein Sicherheitsmann der Taliban mit Peitsche in Kabul (Foto: Oliver Weiken/dpa)

#10 Pakistan In Pakistan gibt es keine LGBTIQ-Community. Homosexuelle Menschen müssen ihre Sexualität verstecken. Homosexuelle Handlungen werden im pakistanischen Strafgesetzbuch als «fleischliches Wissen gegen die Ordnung der Natur» beschrieben, und können mit lebenslanger Haft bestraft werden. Dieses Gesetz betrifft nur homosexuelle Handlungen unter Männern. Ausserehelicher, gleichgeschlechtlicher Sex kann mit 100 Peitschenhieben oder dem Tod durch Steinigung bestraft werden.

Laut der Organisation Human Dignity Trust gibt es Hinweise, dass in den letzten Jahren schwule Männer verhaftet wurden. Zudem gibt es Berichte über Gewalt gegen LGBTIQ-Personen: Diskriminierung, Verweigerung grundlegender Rechte und Dienstleistungen, Körperverletzungen, Vergewaltigungen, Morde. Besonders häufig richtet sich die Gewalt gegen trans Frauen (MANNSCHAFT berichtete).

Historisch war das 2018 verabschiedete Gesetz zum Schutz der Rechte von trans Personen. Nur zwei Jahre später allerdings wurde beim Bundes-Schariagericht eine Petition gegen das Gesetz eingereicht. Am 19. Mai 2023 entschied das Schariagericht zugunsten der Antragsteller*innen (MANNSCHAFT berichtete). Trans Personen haben angekündigt, in Berufung zu gehen. Bis zu einer endgültigen Entscheidung bleiben die Bestimmungen des Gesetzes in Kraft.

Die trans Frau Zeeshan Khan zeigt ein Bild ihrer ermordeten Freundin Gul Panra (Foto: Hasnain Ali/dpa)
Die trans Frau Zeeshan Khan zeigt ein Bild ihrer ermordeten Freundin Gul Panra (Foto: Hasnain Ali/dpa)

#11 Somalia Somalias Strafgesetzbuch verbietet gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen für Männer und Frauen. Die Höchststrafe dafür sind drei Jahre Gefängnis. Gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen können auch nach dem Scharia-Gesetz bestraft werden. Dann droht die Todesstrafe.

Laut der Organisation Human Dignity Trust gibt es Hinweise auf die Durchsetzung des Gesetzes. LGBTIQ-Personen werden verhaftet und hingerichtet. Besonders in Regionen, die von militanten Gruppen kontrolliert werden. Zudem gibt es Berichte über Diskriminierung und Gewalt gegen LGBTIQ. Dennoch ist die Berichterstattung lückenhaft. Die LGBTIQ-Gemeinschaft lebt im Untergrund. Coming-outs und öffentliche Diskussionen über Gleichberechtigung sind zu gefährlich. Das wirkliche Ausmass der Diskriminierung und Gewalt ist daher schwer einzuschätzen.

#12 Vereinigte Arabische Emirate Gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen sind in den Vereinigten Arabischen Emiraten illegal. Die Höchststrafe liegt bei 14 Jahren Gefängnis. In der Verfassung ist die Scharia als wichtigste Rechtsquelle festgelegt. Wird nach der Scharia bestraft, droht die Todesstrafe. Bisher gibt es keine Beweise dafür, dass die Todestrafe gegen LGBTIQ-Personen verhängt wurde, so die Organisation Human Dignity Trust.

Besonders trans Frauen werden gesetzlich diskriminiert. Das Bundesstrafgesetzbuch von 1987 verbietet wörtlich «die Verkleidung eines Mannes als Frau». Die Strafe liegt bei einem Jahr Gefängnis und einer Geldstrafe.

Und hier noch unsere Umfrage der Woche:

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