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Afghanistan: Taliban verhaften, foltern und ermorden täglich LGBTIQ

LSVD fordert Bundesregierung zur schnellen Rettung auf

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Afghanistan: Ein Mitarbeiter eines Partners des Welternährungsprogramms WFP verteilt Nahrungl am Stadtrand von Herat (Foto: Marco Di Lauro/World Food Programm WFP/dpa)

Seit der Machtübernahme der Taliban vor genau einem Jahr sind LGBTIQ Personen in akuter Lebensgefahr. Verhaftung, Folter und Ermordung sind an der Tagesordnung.

Nachdem die Bundesregierung bisher im sogenannten Brückenprogramm zu unserem Entsetzen ganz bewusst keine als LGBTIQ verfolgten Personen aufgenommen hat, fordert der LSVD die zuständigen Ministerinnen Baerbock und Faeser dazu auf, endlich auch gefährdete LGBTIQ zu retten. Noch vor dem Start des angekündigten Bundesaufnahmeprogramms muss die Bundesregierung zumindest den am unmittelbarsten bedrohten queeren Afghaninnen eine Aufnahmezusage erteilen und sie aufnehmen.

Patrick Dörr aus dem Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes erklärt, die Berichte aus Afghanistan würden immer schlimmer. «Bereits im Januar haben Human Rights Watch und Outright International die massive Gewalt der Taliban gegen LGBTIQ ausführlich dokumentiert. Seitdem wird die Verfolgung durch die Taliban immer systematischer. Unsere Partnerorganisationen in der Region berichtet inzwischen von speziellen Einrichtungen, in denen LGBTIQ Personen eingesperrt, gefoltert und vermutlich ermordet werden. Regelmässig erreichen uns E-Mails von verzweifelten Personen, die bereits Schlimmstes erlebt haben oder Schlimmstes befürchten. Nachdem die Bundeswehr zusammen mit den anderen westlichen Bündnispartnern das Land fluchtartig verlassen hat, hat sich die Situation nicht nur aber gerade auch für LSBTI massiv zugespitzt.» Die Bundesrepublik stehe daher hier in der moralischen Verantwortung, gefährdete LGBTIQ-Personen aus Afghanistan aufzunehmen.

Dörr weiter: Unter den bereits aus Afghanistan geretteten rund 21.000 Personen sind unseres Wissens nach nur 80 als LGBTIQ verfolgte Personen, wobei deren Aufnahmezusagen noch unter der schwarz-roten Bundesregierung erfolgten. Ihr Anteil bewegt sich also im Promille-Bereich. Innenministerin Faeser und Aussenministerin Baerbock haben die Schaffung eines Bundesaufnahmeprogramms für gefährdete Afghaninnen angekündigt. Im bis dahin laufenden sogenannten «Brückenprogramm», in dem bereits circa 1.800 Personen eine Aufnahmezusage erhalten haben, besteht die Bundesregierung auf einer sogenannten «tätigkeitsbezogenen Gefährdung», also darauf, dass sich Personen durch ihre Tätigkeit vor der Machtübernahme der Taliban besonders exponiert haben. Da jedoch Homosexualität bereits vor der Machtübernahme der Taliban mit mehrjährigen Haftstrafen geahndet wurde und es somit auch keine offiziellen LGBTIQ-Organisationen gab, schliesse dieses Kriterium LGBTIQ faktisch aus.


Die SPDqueer teilte am Wochenende mit, dass LGBTIQ-Organisationen dem Auswärtigen Amt
bereits namentliche Listen von besonders gefährdeten LGBTIQ übermittelt hätten, die aber
aktuell nicht geprüft werden, da ihre Gefährdung nicht tätigkeitsbezogen ist. Aus Anlass des ersten Jahrestages der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan wolle man als SPDqueer die Situation von afghanischen LGBTIQ wieder ins Blickfeld der deutschen Politik holen und bitten Aussenministerin Annalena Baerbock und Innenministerin Nancy Faeser, gemeinsam eine Lösung für afghanische LGBTIQ zu finden und sich für deren Schutz einzusetzen.

Die SPDqueer weiter: «Jeder Tag zählt, ein weiteres Hinauszögern des im Koalitionsvertrag vereinbarten Aufnahmeprogramms ist nicht hinnehmbar. Die deutsche Bundesregierung darf die afghanischen LGBTIQ nicht vergessen.»

Seit Dezember rufe der LSVD – zusammen mit zahlreichen Partnerorganisationen – die Bundesregierung auf, auch bedrohte LGBTIQ aufzunehmen, man stosse jedoch immer wieder auf taube Ohren. Zu viele LGBTIQ-Personen seien bereits inhaftiert, gefoltert und sexuell missbraucht worden, die von der Bundesregierung davor hätte bewahrt werden können. Viele seien verschwunden und mutmasslich ermordet worden. Man begrüsse es, dass der Bundestag in dem Beschluss zur Einrichtung eines Untersuchungsausschusses bzgl. des Abzugs der Bundeswehr aus Afghanistan auch die Aufnahme von LGBTIQ zugesagt habe. Auch die FDP-nahen Liberalen Schwulen und Lesben (LiSL) haben die zuständigen Ministerinnen dazu aufgerufen, «für einen schnellen Schutz für besonders gefährdete LGBTIQ aus Afghanistan zu sorgen» (MANNSCHAFT berichtete).


Von der Bundesregierung fordere man daher konkret: die unbürokratische und schnelle Aufnahme für eine Gruppe von circa 50 Personen, deren Gefährdung aus unserer Sicht besonders akut ist. Grundsätzlich dürf – weder im Brückenprogramm noch im angekündigten Bundesaufnahmeprogramm – bei LGBTIQ-Anträgen ein tätigkeitsbezogenes Merkmal vorausgesetzt werden. Das Bundesaufnahmeprogramm müsse zügig vorangetrieben werden. «Hier muss eine Aufnahmezusage auch möglich sein, wenn LGBTIQ bisher der Verfolgung entgehen konnten. Haben sie sich oder wurden sie bereits geoutet, ist ihre Gefährdung so massiv, dass eine Aufnahme erfolgen muss», so Dörr.

Spenden für ILGA Asia sollen helfen, eine sichere Ausreise gefährdeter LGBTIQ aus Afghanistan zu ermöglichen.


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