Unsere Community hat ein Problem mit Alkohol
Queerfeindliche Umstände machen uns anfälliger für Süchte
Wenn sich Queers treffen, ist oft Alkohol im Spiel. Ein Problem, das zu oft heruntergespielt wird, schreibt Anna Rosenwasser in ihrem Kommentar*.
Freitagabend. Ich treffe mich mit anderen frauenliebenden Frauen am Zürcher Hauptbahnhof. Es ist ein Treff für Leute, die einander kennen lernen und zusammen an eine queere Party gehen wollen. Ich begrüsse eine junge Butch mit Bandana, ein Pärchen, dessen Vornamen ich leider sofort wieder vergesse, und Anja. Anja ist mit dem Zug aus einer anderen Stadt angereist, sie war schon sehr lange nicht mehr an einem queeren Anlass und wirkt schüchtern, aber vorfreudig.
Eine halbe Stunde später sitzen wir alle zusammen in einer Bar, um uns vor der Party noch zu unterhalten. «Ich geb eine Runde aus! Wer will?», ruft da Anja etwas zu laut, alle verneinen höflich, die meisten Drinks noch halbvoll, «na kommt schooon!». Anja ist bei Drink Nummer zwei, und gerade witzelt sie darüber, dass sie ja auf dem Weg hierhin schon ein Bier hatte.
Bald mal gehen wir alle zusammen an die Party, geben unsere Jacken ab, hören von Weitem bereits Billie Eilish, einige von uns rennen noch etwas schneller auf die Tanzfläche. Beim nächsten Lied spüre ich einen Arm, der sich ruppig um meinen Hals schlingt. Es ist Anja, und sie ist mir zu nah. Viel zu nah, unangemessen nah. Ich schiebe sie möglichst freundlich weg und denke: Shit.
Den Rest des Abends ist Anja so betrunken, dass Leute vorsichtig einen Schritt zurückgehen, wenn sie sich ihnen nähert. Sie wird später Witze darüber machen, einige werden mitlachen. Es wird bei Weitem nicht das letzte Mal sein. Sorry, Queers, aber: Ich lache nicht mit. Nicht, weil ich was gegen die Droge Alkohol hätte; nicht, weil mir das selbst noch nie passiert wäre; nicht aus moralischen Gründen.
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Sondern weil unsere Community ein Alkoholproblem hat. There, I said it. Unsere Community hat ein Problem mit Alkohol, und zwar eines, das immer wieder heruntergespielt wird, hahahaha betrunken. Ha. Ha. Ha.
Das Problem an Alkohol ist, dass so getan wird, als wäre er keins. Wenn eine Person an eine LGBTIQ-Party geht, wird sie mehr unangenehme Fragen beantworten müssen, wenn sie nicht trinkt, als wenn sie trinkt. Das passiert natürlich auch in nichtqueeren Kontexten, aber Statistiken zeigen, dass Queers besonders suchtgefährdet sind. Und bei Lesben ist es laut Zahlen besonders oft Alkohol.
Wir haben nicht Mühe mit Abhängigkeiten, weil wir queer sind; sondern weil queerfeindliche Umstände uns anfälliger machen für Süchte. Ich glaube, als Community ist es deshalb ein wichtiger Schritt, Räume für uns zu schaffen, die nicht an Alkohol gebunden sind. Nicht an laute, überfüllte Clubs mitten in der Nacht (was übrigens auch aus vielen anderen Gründen nicht für alle zugänglich ist), sondern auch: Anlässe, die tagsüber stattfinden. Lokale, auf deren Getränkekarte Nichtalkoholisches überwiegt. Und Spaces, wo Konsum ohnehin nicht Voraussetzung ist, weder der Konsum von Alkohol und weiteren Drogen noch das Ausgeben von Geld. Ich will queere Cafés und queere Bibliotheken und queere Filmnachmittage, und ja, dann will ich auch queere Partys, Tausende queere Partys. Aber eben nicht nur.
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*Die Meinung der Autor*innen von Kolumnen, Kommentaren oder Gastbeiträgen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.
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