«Als homosexuell verfolgt»: Neue Ausstellung über NS-Zeit in Wien
Von Schwulen-Treffpunkten, lesbischen Baderunden und Gewalt durch die Gestapo
In Wien gibt es eine neue Ausstellung, die Anhand von einzelnen Biografien die Verfolgung homosexueller in der NS-Zeit vielschichtig aufzeigt.
Nach der 2023 erschienenen Publikation «Als homosexuell verfolgt. Wiener Biografien aus der NS-Zeit» (MANNSCHAFT erichtete) wird mit einer neuen Ausstellung über die «Leopoldstädter Schicksale aus der NS-Zeit» im Bezirksmuseum Leopoldstadt die Zusammenarbeit der Bezirksmuseen mit QWIEN – Zentrum für queere Geschichte in Kooperation mit der Stabstelle Bezirksmuseen Wien, fortgesetzt.
Erzählt werden 17 Lebensgeschichten. «Entscheidend bei der Auswahl der Geschichten war eine grosse Diversität der Schicksale», sagte Kurator Andreas Brunner. «Mit diesen Lebensgeschichten tauchen die Besucher*innen aber auch tief in die reiche homosexuelle Subkultur der Zeit ein. Es wird auch eine Geschichte des Praters und seines Umfelds erzählt, die bislang unbekannt und unsichtbar war.»
Der Prater selbst, aber auch Lokale wie das Gasthaus «Zur schönen Schäferin» im Wurstelprater, oder das «Eminger» am Praterstern (heute Gasthaus Hansy) waren Teil eines bunten schwulen und lesbischen Lebens. Das Dianabad und vor allem das Römische Bad in der Kleinen Stadtgutgasse zählten zu den beliebten Treffpunkten homosexueller Männer, wobei es auch – als einzigem Bad Wiens – Hinweise auf lesbische Baderunden gibt.
«Die Rekonstruktion der Lebensgeschichten ist schwierig. Wir haben nur die Dokumente der Verfolgung als Quelle», erklärt Brunner. « Diese sind in einer behördlichen, oft abwertenden Sprache verfasst und dienten einem Zweck: Sie sollten die Verdächtigen des Verbrechens der ‚Unzucht wider die Natur‘ überführen. Zwischen den Zeilen erzählen die Strafakten auch von Einschüchterung und Gewalt durch die Gestapo und Kripo, die die Ermittlungen führten.»
Es wird erzählt von drei Frauen, die von der Kripo verfolgt, oder zwei homosexuellen Männern, die auch als «Juden» klassifiziert wurden; von der Gestapo, die homosexuelle Freundeskreise aushob, und von Menschen, die ums Überleben kämpften und trotzdem ihrem Begehren folgten; von Strichern, die von den Nazis mit besonderer Härte verfolgt wurden, oder von handfesten Nazis, die ihre Gefolgschaft nicht vor Verfolgung schützte.
«In Gaststätten unterhielten ‚Damenimitatoren‘, vor den Kinos warteten junge Männer auf Kunden, der grosse Gastgarten der Schönen Schäferin war auch bei Lesben beliebt, Freundeskreise, Sex und Liebschaften, Liebe und Beziehungen. All das gab es trotz Verfolgung», erzählt Brunner. «Gerade im Umfeld des Praters, mit seinem ständigen Kommen und Gehen und seiner verminderten sozialen Kontrolle, konnten auch lesbische Frauen und homosexuelle Männer ihre Nischen finden.» Die erhöhte Verfolgungsintensität der Nazis zerstörte diese kleinen Biotope, aber auch die Leben der Betroffenen selbst. Einige kamen mit einer Kerkerstrafe davon, andere wurden in Konzentrationslagern ermordet oder hingerichtet.
«Es ist wichtig diese Lebensgeschichten als Teil der Wiener Stadtgeschichte zu begreifen», sagt Andreas Brunner. «Auch wenn sie im Verborgenen leben mussten, gehörten Menschen, die gleichgeschlechtlich begehrten, zum diversen Leben der Grossstadt Wien.»
Die Ausstellung kann vom 14. Februar bis zum 30. Juni im Bezirksmuseum Leopoldstadt besucht werden. Der Eintritt ist frei.
Die Albertina Modern in Wien ein Zeichen gegen Rassismus und Queerfeindlichkeit. «The Beauty of Diversity» ist eine grosse Ausstellung, bei der LGBTIQ-Künstler*innen, Frauen und People of Color im Mittelpunkt stehen (MANNSCHAFT berichtete).
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