Österreich: Verbot von «Konversionstherapien» durch die Hintertüre
Kurz vor der Bildung einer neuen Regierung hat das Gesundheitsministerium überraschend eine Stellungnahme über die Strafbarkeit von «Konversionstherapien» veröffentlicht.
Alle queeren Organisationen verlangen in Österreich ein Verbot von «Konversionstherapien». Seit Jahren haben queere Vereine und Aktivist*innen dazu unzählige Petitionen und Forderungspapiere veröffentlicht (MANNSCHAFT berichtete). Doch die konkrete Umsetzung scheiterte am Widerstand der regierenden konservativen ÖVP von Bundeskanzler Karl Nehammer.
Die Grünen, die derzeit noch mit der ÖVP eine Regierung bilden, sprechen sich immer für ein Verbot aus. Zuständig für die Thematik ist der grüne Gesundheitsminister Johannes Rauch, der demnächst aus dem Amt scheiden wird. Denn in Österreich gab es Ende September Parlamentswahlen. Die Grünen werden der nächsten Regierung nicht mehr angehören. Denn derzeit verhandeln ÖVP, SPÖ und die liberalen Neos über die Bildung einer neuen Regierung, wobei ÖVP-Chef Nehammer Bundeskanzler bleiben soll.
Als eine seiner letzten Aktionen liess der grüne Gesundheitsminister vor Kurzem auf der Homepage seines Ministeriums eine Stellungnahme über die Strafbarkeit von «Konversionstherapien» veröffentlichen. Dies geschah weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit.
Damit hat der grüne Gesundheitsminister einen Coup gelandet. Denn alleine können die Grünen kein gesetzliches Verbot beschliessen, weil sie dafür im Parlament eine Mehrheit brauchen. Doch die Stellungnahme des Gesundheitsministeriums ist so formuliert, dass «Konversionstherapien» in Österreich de-facto unmöglich gemacht werden.
In dem Dokument wird gleich zu Beginn betont, dass die Begriffe «Konversionstherapie» und «Konversionsbehandlung» in diesem Zusammenhang nicht verwendet werden sollen, denn solche Praktiken haben «nichts mit Krankenbehandlung oder Therapie im Sinne von Psychotherapie zu tun». In der Stellungnahme wird daher von «konversiv-reparativen Praktiken» und «Konversionsmassnahmen» gesprochen. Unter Konversionsmassnahme versteht das Ministerium «jegliche Art der zielgerichteten und systematischen Interventionen, die auf die Veränderung oder Unterdrückung der sexuellen Orientierung, des psychischen Geschlechts oder des Geschlechtsausdrucks gerichtet ist.»
Offiziell heisst das Papier des Gesundheitsministerium «Empfehlung betreffend Konversionsmassnahmen und konversiv-reparativen Praktiken». Denn solange es kein Gesetz gibt, kann das Gesundheitsministerium nur Empfehlungen aussprechen. Doch diese Empfehlungen sind so eindeutig verfasst, dass sie de facto einem Verbot von Konversionsmassnahmen gleichkommen.
So betont das Ministerium: Sämtliche sexuelle Orientierungen wie Homosexualität, Bisexualität, Heterosexualität, Asexualität oder von Cisgeschlechtlichkeit abweichendes Empfinden wie Transidentität und Nicht-Binarität seien «gleichwerte Ausdrücke menschlicher sexueller Orientierungen oder Geschlechtsidentitäten». Sie seien daher keine psychischen Störungen. Es fehle daher «eine Indikation für eine medizinisch-psychotherapeutische Behandlung oder Interventionen».
Wenn es zu einer psychischen Belastung durch nicht-heterosexuelle Orientierung oder abweichender Geschlechtsidentitäten oder durch Kombinationen dieser komme, so könne «diese Belastung Ausgangspunkt einer Beratung oder Therapie sein, die jedoch nicht zum Ziel haben darf, die sexuelle Orientierung zu verändern».
Vielmehr soll in der Beratung und in der Therapie versucht werden, den Leidensdruck zu verringern, heisst es in der Stellungnahme des Ministeriums. Alle Praktiken, die eine Veränderung der sexuellen Orientierung zum Ziel haben, wie etwa Exorzismen, seien «nicht nur schädlich, sondern sowohl ethisch als auch medizinisch-wissenschaftlich abzulehnen».
Das Ministerium unterstreicht, dass Konversionsmassnahmen strafbar seien und zitiert dazu entsprechende Abschnitte des österreichischen Strafgesetzbuches. «Konversionsmassnahmen können nach derzeit geltendem Strafrecht erst dann zu einer Strafbarkeit wegen Körperverletzung» führen, wenn «dadurch ein Zustand mit Krankheitswert aus medizinischer Sicht hervorgerufen wird», heisst es.
Allerdings seien nach der Rechtssprechung bei einer Gesundheitsschädigung neben «körperlichen auch geistig-seelische Leiden» zu berücksichtigen. So könne bei Zufügen seelischer Qualen eine Strafbarkeit nach den Spezialdelikten des Strafgesetzbuches erfüllt werden, betont das Ministerium.
Weiters unterstreicht das Ministerium, dass die Durchführung von Konversionsmassnahmen und konversiv-reparativen Praktiken «zu einer Verletzung der sexuellen und geschlechtlichen Selbstbestimmung und damit auch zu einer Verletzung von verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern» führe.
Besonders schützenswert seien Kinder und Jugendliche, wie das Ministerium weiters betont. Eine besondere Vulnerabilität liege «bei minderjährigen Personen, also Kindern und Jugendlichen, nicht entscheidungsfähigen oder wegen Gebrechlichkeit, physischer oder psychischer Krankheit oder vergleichbarer Beeinträchtigung der Entscheidungsfähigkeit wehrlosen Volljährigen sowie bei Personen vor, zu denen die eine Konversionsmassnahme oder konversiv-reparative Praktik durchführende Person» in einem Autoritätsverhältnis stehe.
Queere Aktivist*innen und Vereine haben sich zur Stellungnahme des Gesundheitsministeriums noch nicht geäussert. Es ist davon auszugehen, dass diese das Dokument begrüssen werden. Allerdings wollen sie weiterhin an der Forderung nach einem gesetzlichen Verbot festhalten.
Im September forderte EU-Komminionspräsidentin Ursula von der Leyen ein EU-weites Verbot von Konversionsmassnahmen gefordert (MANNSCHAFT berichtete).
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