Soziale Angst vor negativer Bewertung oder Versagen? Queers gesucht!

Studie der Uni Bern will Menschen helfen

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Manche Menschen leiden unter sozialen Ängsten. Die Uni Bern sucht Teilnehmende für eine Studie, um den Alltag für diese Menschen zu erleichtern. Sie richtet sich auch ausdrücklich an LGBTIQ.

Herzrasen, Schwitzen oder Unruhe. Das seien Symptome, die Menschen bekämen, die an Sozialer Angst leiden, sagt Stefanie Arnold, Doktorandin an der Universität Bern. «Zwar kennen vermutlich viele Menschen eine gewisse Nervosität in sozialen Kontexten – etwa vor einem Vortrag oder einer wichtigen Besprechung –», sagt Arnold, «doch bei einer sozialen Angststörung ist diese Angst deutlich ausgeprägter und beeinträchtigt das Leben der betroffenen Person in vielfältiger Weise.»

Immer gingen solche Situationen für die Menschen, die unter ihnen litten mit der Furcht einher, beurteilt, negativ bewertet zu werden oder in sozialen Interaktionen zu versagen, sagt die Medizinerin.

«Entscheidend ist, wenn die Angst in so starkem Masse auftritt, dass sie das alltägliche Leben – auf der Arbeit, im Studium oder in persönlichen Beziehungen – erheblich beeinträchtigt.»

Stefanie Arnold, Uni Bern

Ob ein Gefühl des Unwohlseins über das normale Mass an Aufregung und Nervosität in ungewohnten Situationen hinausgeht, wüssten die betroffenen Personen sehr genau, sagt Stefanie Arnold gegenüber MANNSCHAFT. Wenn solche Ängste immer häufiger auftreten und intensiver würden, könne dies auf eine Angststörung hinweisen.

«Ein entscheidender Punkt ist, wenn die Angst in so starkem Masse auftritt, dass sie das alltägliche Leben – z.B. auf der Arbeit, im Studium oder in persönlichen Beziehungen – erheblich beeinträchtigt.» In einem solchen Fall sei es ratsam, wenn die entsprechende Person sich ärztliche Hilfe suche, um festzustellen, ob es sich nur um eine vorübergehende Phase oder um eine behandelbare Erkrankung handele.

Dass das jedoch gar nicht so leicht ist, da die Wartezeiten für Therapien oft sehr lang sind, wird der oder die eine oder andere bereits festgestellt haben. Auch fürchten sich manche Personen davor, sich überhaupt erst auf die Suche nach ärztlichem Personal zu machen. Zwar gäbe es schon eine Reihe an Selbsthilfeprogrammen, sagt Stefanie Arnold, doch sei dieser Zugang oft nicht zu leicht zu bekommen. In Deutschland etwa müsse ein Zugang zu einer digitalen Gesundheitsanwendung von medizinischem Fachpersonal verschrieben werden und zusätzlich bei der Krankenkasse beantragt werden. Dabei könne der Gang zu einer solchen Fachperson ebenfalls für betroffene Personen ebenfalls Soziale Angst auslösen, sagt Arnold.

Die Uni Bern hat daher das Forschungsprojekt Private gestartet, welches das Ziel hat, den Zugang zu solchen digitalen Hilfen künftig zu vereinfachen. Dabei richten sich die Studienleiter des Instituts für Psychologie der Uni Bern, Thomas Berger und Malte Elson, auch ganz explizit an queere Menschen. Leider seien Minderheiten – und das schliesse queere Menschen mit ein – in wissenschaftlichen Studien häufig unterrepräsentiert, sagt Stefanie Arnold (MANNSCHAFT berichtete). Das führe dazu, dass ihre spezifischen Bedürfnisse und Erfahrungen häufig nicht ausreichend berücksichtigt würden. «Queere Menschen erleben oft spezifische Belastungen und Herausforderungen, die es zu verstehen und zu adressieren gilt, um massgeschneiderte und wirksame Hilfsangebote zu schaffen», sagt die Berner Medizinerin.

Stefanie Arnold geht davon aus, dass sich in der Studie herausstellen könnte, dass queere Menschen im Durchschnitt stärker unter Sozialer Angst leiden könnten, als Menschen, die nicht dieser Gruppe angehörten. Dies sei damit begründbar, dass Angehörige von Minderheitengruppen – aufgrund von Faktoren wie Diskriminierung, Vorurteilen oder der Angst vor Ablehnung – tendenziell höherem Stress ausgesetzt seien (MANNSCHAFT berichtete).

Queere Menschen würden oft zusätzlich mit der Herausforderung konfrontiert, ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität in sozialen Kontexten offen darzustellen, was wiederum zusätzliche Ängste hervorrufen könne. Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität sowie internalisierte Homophobie könnten so die psychische Belastung weiter verstärken, erklärt die Psychologin aus Bern.

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Queere Menschen erleben oft spezifische Belastungen und Herausforderungen

In ihrer Studie Private, die das Forschendenteam des Instituts für Psychologie nun gestartet hat, werden zwei Versionen des Selbsthilfeprogramms Journey miteinander verglichen. Einmal gibt es eine Variante, bei der sich Nutzende wie üblich anmelden müssen. Auf der anderen Seite existiert eine Version, bei der Interessierte sich nicht anmelden müssen, sondern anonym teilnehmen können.

Wenn sich nun in dem Forschungsprojekt herausstellen sollte, dass diese anonyme Version im gleichen Masse Erfolge zeitigt wie die herkömmliche Variante, könnte dies für viele Menschen einen wesentlich einfacheren Zugang zu Hilfen gegen soziale Angst bieten, erklärt Arnold. «Das könnte nicht nur die Reichweite erhöhen, sondern auch langfristig helfen, Gesundheitskosten zu reduzieren. Besonders, da momentan viele Personen lange auf einen Therapieplatz warten müssen, sind solche Onlineangebote sehr wertvoll», sagt die Berner Medizinerin.

Uni Bern, Forschungsprojekt JOURNeY (Foto: Uni Bern)
Foto: Uni Bern

Personen, die bei dieser Studie mitmachen wollen, können sich auf der Internetseite der Uni Bern registrieren. Sie erhalten dann acht Wochen Zugang zu dem Programm und müssen in dieser Zeit immer wieder Fragebogen beantworten, die dem Forschendenteam dabei helfen, die Wirkweisen des Programms auszuwerten.

Teilnehmen kann an dieser Studie jede Person, die volljährig ist und einen Internetzugang hat. Mehr braucht es dazu nicht. Wichtig sei jedoch, wie die Studienbetreuer bemerken, dass sich interessierte Personen nicht in einer akuten Krise befänden.

Wer teilnimmt, helfe dabei nicht nur der Wissenschaft. Es besteht auch die Möglichkeit, dass sich dadurch für sie selbst schon positive Effekte zeigten. So könnten durchaus die eigenen Angstsymptome reduziert werden und die Lebensqualität erhöht werden. Auch könnte die Teilnahme dazu beitragen, dass die Personen einen besseren Umgang mit der sozialen Angststörung lernen.

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